6863832-1977_47_08.jpg
Digital In Arbeit

Es brodelt wieder auf dem „Balkan Amerikas”

Werbung
Werbung
Werbung

Die Guerilleros, die sich in Nicaragua „Frente Sandinista de Liberación” nennen, halten wieder einmal ihr Land und das ihrer Nachbarn in Atem. Lange bevor Fidel Castro, Ché Guevara und der brasilianische Carlos Ma- righela die moderne Form der lateinamerikanischen Guerilla erfanden, war in Nicaragua der Kleinkrieg gegen die seit 1936 bestehende Diktatur der Dynastie Somoza endemisch. Leitbild der Guerilleros war Augusto Sandini, der in den Anfängen der dreißiger Jdhrfe feinen zeitweise erfolgreichen Krieg gegen seine Regierung und die; amerikanische Besatzungsarmee führte.

Die nicaraguenser Guerilleros sind jetzt an vier Stellen aktiv geworden. Sie haben im Zentrum der Hauptstadt, in unmittelbarer Nähe des Hotel „Intercontinental”, und in Masaya, 26 Kilometer südlich von Managua, die Nationalgarde angegriffen und sie versuchten auch, die Orte San Carlos an der Grenze von Costa Rica, und Dipilto unweit der Grenze von Honduras zu besetzen. Die Nationalgarde hat unter Einsatz von Panzerwagen und Flugzeugen diese Miniatur-Kriegführung wenigstens zeitweise beendet

Die Orientierung dieser Guerilleros unterscheidet sich wesentlich von jener ihrer Parallelorganisationen auf dem lateinamerikanischen Halbkontinent. Während die anderen, im Wesen anarchistisch, den Staat zerstören wollen, ohne konstruktive Pläne irgendwelcher Art für das dann entstehende Vakuum zu haben, betrieb die „Sandinistische Befreiungsfront” den Sturz der Diktatur, um jetzt eine aus zwölf Personen gebildete „Provisorische Regierung” einzusetzen, die alles andere als kommunistisch gewesen wäre.

Gleichzeitig hat diese Guerilla die chronischen Grenzkonflikte auf dem „Balkan Amerikas” neu belebt. Auf der einen Seite beschuldigt Nicaragua die Nachbarn Costa Rica und Honduras, den Einfall von Guerilleros aus ihren Ländern begünstigt oder ermöglicht zu haben; auf der anderen Seite hat der Sicherheitsminister von Costa Rica, Mario Charpentier, selbst mit drei Booten; in dérien auflêr’Truppen auch Journalisten und TV-Leute waren, den GrenzflußRio Frio inspiziert und ist dabei von nicaraguenser Militärflugzeugen beschossen worden. Auf die Proteste der Regierung von Costa Rica hin behauptete man in Nicaragua, daß die Angegriffenen auf nicaraguenser Territorium beschossen worden seien und entschuldigte sich im übrigen wegen des Irrtums. Man nimmt nicht an, daß es zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen kommt. Honduras und El Salvador haben seit dem sogenannten Fußball-Krieg ihre Beziehungen allerdings noch immer nicht wieder aufgenommen. Auf jeden Fall zeigt der neue Konflikt, wie sehr die Zusammenarbeit der mittelamerikanischen Länder auf politischem Gebiet und - trotz der Bildung des Zentroamerikanischen Gemeinsamen Marktes - auf wirtschaftlicher Ebene sich als immer wieder vergebliche Hoffnung erweist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung