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Es fehlt an der Pflege
Selbsthilfe entsteht und organisiert sich immer dann, wenn eine Notsituation vorliegt. Im Falle der wachsenden Patienten-Gruppen erweist sich diese Notsituation als eine pflegerische. Sie wird offenkundig, wenn Mitglieder der Selbsthilfegruppen über ihre offengebliebenen Bedürfnisse während des Krankenhausaufenthaltes und nach ihrer Entlassung erzählen.
Die Ursache liegt zum großen Teil in unserem Versicherungssystem, welches derzeit ein Maximum an ärztlicher und ein Minimum an pflegerischer Versorgung vorsieht.
So werden alle außerstationären Leistungen der praktischen Ärzte, der frei . niedergelassenen Fachärzte und Zahnärzte nach einem festgelegten Honorarsystem abgegolten. Die außerstationäre Pflege hingegen wird nicht als Pflichtleistung der Kassen anerkannt. Das führt zu der paradoxen Situation, daß ein Kranker zu Hause für die Visite des Arztes nicht, für die Visite der Hauskrankenschwester aber wohl bezahlen muß.
Ähnlich liegt der Fall auch im Bereich des Krankenhauses. Obwohl der stationäre Aufenthalt nach sogenannten Pflegetagen gemessen wird, ist der Anteil der Pflege an der Gesamtleistung sehr niedrig. Die meiste Zeit der Krankenschwester fällt auf die Erledi
gung ärztlicher Routinearbeiten, und für die Pflege der Kranken bleibt wenig übrig. Das mag damit Zusammenhängen, daß die Betreiber der Spitäler über die Qualität ihres Pflegeangebotes zu wenig konkret nachdenken. Sie stellen ja auch keine Messung ihrer Leistung an.
Eine Reihe von Patienten findet sich mit dem unzureichenden Stand der pflegerischen Versorgung nicht ab. Sie tun sich zusammen und gehen gemeinsam daran, ihre Lage zu verändern und zu verbessern. Die in einigen Krebs- Selbsthilfegruppen in Wien zusammengekommenen Kranken und Angehörigen formulieren ihre Ziele in folgender Reihung:
In erster Linie wollen sie ihre innere Sicherheit gegenüber der Krankheit stärken, weil sie unter der Unsicherheit über den Verlauf, die Prognose und die Behandlungsmöglichkeiten enorm leiden. Sie wollen sich über den Einfluß der Krankheit auf ihr weiteres Leben klar werden und neue Perspektiven gewinnen.
Weiters wollen sie erfahren und lernen, wie sie sich besser als bisher selbst helfen könnten. Sie haben einen starken Wunsch nach Anleitung im Praktischen, nach Pflegemethoden und Hilfsmitteln, welche ihre Beschwerden erleichtern können!
Sie wünschen sich auch mehr Information über bestehende Einrichtungen wie etwa Spezialbehandlungsstätten oder finanzielle Unterstützungen, weil sie alle nur erreichbaren Instanzen fur ihre Wiederherstellung heranziehen wollen.
Und nicht zuletzt wollen sie sich in schwierigen Krisensituationen gegenseitig beistehen, soweit es ihr eigener Zustand erlaubt. Freilich empfinden sie dieses Ziel als hochgesteckt und nicht wenige Mitglieder der Krebs-Selbsthilfegruppen sind von ihrer eigenen Problematik so sehr in Anspruch genommen, daß sie nicht fähig sind, anderen zu helfen.
Die amerikanische Krebsliga gibt drei Formen der Organisation an:
Informationsdienst: Hierbei werden Fachleute eingeladen, über Themen zu referieren, welche die Betroffenen wünschen.
Besuchsdienst: Patienten, denen es gut geht, besuchen andere, denen es nicht gut geht.,
Selbsthilfegruppen: Betroffene und/oder Angehörige treffen sich in Gruppen und besprechen ihre Probleme.
Selbsthilfegruppen bieten ihren Mitgliedern eine Umgebung, in der der einzelne seine Gefühle frei aussprechen und besprechen kann. Der einzelne fühlt sich von den anderen Gruppenmitgliedern angenommen. Dadurch kann er aus einer Isolation herausfm- den und neue Wege einschlagen, um mit seiner Krankheit fertig zu werden. Dadurch, daß einer dem anderen helfen kann, erfährt er auch eine Befriedigung, die ihm selbst wieder weiterhilft.
Am Beispiel der Krebs-Selbsthilfegruppen in Wien kann gesagt werden: Selbsthilfegruppen entstehen spontan, sie sind eher kleine Gruppen und dauern unterschiedlich lange. Ihre Mitglieder kommen freiwillig und nach eigenem Ermessen und arbeiten unentgeltlich. Sie verhalten sich Fachleuten und Funktionären gegenüber eher skeptisch und beanspruchen sie nur gelegentlich. In dem Augenblick, als die Gesundheitsverwaltung daran ging, den Gruppen ein gewisses organisatorisches Konzept überzustülpen sowie administrative und finanzielle Unterstützung zu geben, verloren die Gruppen ihre Spontaneität und Motivation und manche zerfielen überhaupt!
Dieses Vorkommnis bestätigt die These, daß Selbsthilfegruppen nicht mit Freiwilligenorganisationen verglichen werden können.
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