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Es fehlt uns noch ein „Austro-Multi

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Österreich kann zweifeHos einen Beitrag zur Stärkung der Europäischen Gemeinschaft leisten. Wo steht unsere Wirtschaft heute und was ist in Zukunft noch zu tun?

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Österreich kann zweifeHos einen Beitrag zur Stärkung der Europäischen Gemeinschaft leisten. Wo steht unsere Wirtschaft heute und was ist in Zukunft noch zu tun?

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Wo steht die österreichische Wirtschaft im Jahr 1988? Uns allen ist der hohe Verflechtungsgrad unserer Volkswirtschaft mit Westeuropa und der EG bewußt. Der Anteil der EG liegt bei den Importen nicht weit von 70 Prozent bei steigender Tendenz, ähnlich auf der Exportseite. Österreich ist weltweit der viertwichtigste Kunde der EG, und man könnte daraus auch ableiten, daß einem so bedeutenden Kunden ein Recht auf gute Behandlung zustehe! In besonderem Maße gilt das für ein Gebiet, in dem es nicht einfach auf die Regeln des Marktes ankommt, die Landwirtschaft. Bei landwirtschaftlichen Produkten lag das Defizit Österreichs gegenüber der EG 1987 bei sieben Milliarden Schilling, vor gar nicht allzu langer Zeit war das agrarische Austauschvolumen fast ausgeglichen.

Als nächstes eine sehr wesentliche Frage, die der wechselseitigen Direktinvestitionen. Etwas mehr als die Hälfte aller Direktinvestitionen in Österreich entfällt auf Unternehmen mit dem Sitz in der EG, mit einem sehr hohen Anteil von Unternehmen der Bundesrepublik. Österreich verfolgt eine traditionell liberale Politik, wobei aber nicht übersehen werden darf, daß in jüngster Zeit die spektakulären Aktionen auf dem Mediensektor bei vielen Österreichern Betroffenheit ausgelöst haben.

Die österreichische Wirtschaft ist zwar mit einer recht ansehnlichen Zahl von Vertriebstöchtern in der EG, aber nur in sehr geringem Umfang durch Produktionsstätten vertreten. Die Ursachen hiefür liegen natürlich nicht nur in der historischen Orientierung zum Donauraum, sondern in den Eigentumsverhältnissen, in der Unternehmensgröße, in der ungenügenden Eigenmittelausstattung der österreichischen Wirtschaft. Es fehlt der „Austro-Mul-ti“! Es ist dies eine nicht zu übersehende Schwäche der österreichischen Position. Wir unterscheiden uns hier sehr deutlich von Schweden und der Schweiz. Auch wenn wir hier kurzfristig kaum mit Änderungen rechnen können, müssen wir uns dieser

Problematik bewußt sein und eine Verbesserung anstreben.

Ein weiteres Gebiet, auf dem Österreich eine Sonderstellung im Vergleich zu den skandinavischen Staaten und der Schweiz einnimmt, ist die Währungspolitik. Bekanntlich haben wir unsere Währung seit sehr langer Zeit an die D-Mark gebunden. Diese Bindung war in Österreich zunächst keineswegs unumstritten, vor allem von Vertretern der Industriellenvereinigung wurde der griffige Vergleich mit einer Kokosnuß gebracht: nach außen hart, innen weich bis flüssig.

Der Erfolgsnachweis ist gelungen, er ergibt sich aus der Entwicklung der österreichischen Leistungsbilanz. Wenn ein Staat über eine lange Periode eine ausgeglichene Leistungsbilanz erreicht, dann muß die Parität der Währung grosso modo richtig liegen. Die große Skepsis, mit der diese Politik von der Schweiz verfolgt wurde, war nicht gerechtfertigt.

Ich glaube, daß der Zeitpunkt gekommen ist, noch einen Schritt weiter zu gehen. Wenn Österreich bereits jetzt an den Interventions-mechanismen des EWS teilnimmt, dann können wir noch ein

„Eine Sondersteilung nimmt die österreichische Währungspolitik ein“ weiteres tun und dem Europäischen Währungssystem formell beitreten. Das EWS wurde als offenes System konzipiert. Bei der Präsentation durch Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt wurden — das ist heute weitgehend vergessen — die EFTA-Staa-ten eingeladen, am EWS mitzuwirken. Den Souveränitätsverzicht, der mit einem solchen Schritt verbunden ist, hat Österreich faktisch schon längst erlitten. Wir sind in unserer Zinspolitik nicht mehr autonom, und die Geldraengensteuerung kann immer nur derivativ erfolgen.

Hier, glaube ich, könnten wir einen positiven Schritt in Richtung EG setzen und die damit möglicherweise verbundenen Lasten auch formell auf uns nehmen. Es kann schließlich nicht ganz ausgeschlossen werden, daß Stützungsmechanismen für österreich auch Vorteile bringen könnten. In Anbetracht der Höhe unserer Devisenreserven können wir uns die Teilnahme an den Stützungsmechanismen aber zweifellos leisten. Bei Bewertung der Goldbestände zu Marktpreisen liegen Österreichs Devisenreserven derzeit bei rund 190 Milliarden Schilling1.

Eine weitere Frage der Währungspolitik betrifft den ECU. Der ECU wird an der Wiener Börse notiert, nicht aber in Frankfurt. Es wäre auch Überlegens wert, den Schilling in diesen Währungskorb aufzunehmen. Der Schilling würde auch zu einer Stabilisierung der Wertentwicklung des ECU beitragen.

Ein Thema, das man nicht aussparen darf, wenn man in Tirol über unser Verhältnis zur EG spricht, ist die Verkehrspolitik. Während das, was ich vorher zum EWS ausgeführt habe, nur wenige Österreicher beschäftigt, beschäftigen die Lkw mit Kennzeichen aus EG-Staaten, die über unsere Autobahnen rollen, jeden. Dafür muß man Verständnis haben, da ungefähr 30 Prozent des Nord-Süd-Verkehrs in Europa durch Österreich gehen. Der gleiche Prozentsatz entfällt auf die Schweiz, ein ganz entscheidender Unterschied ist aber darin gelegen, daß in der Schweiz diese Gütertransporte überwiegend auf der Bahn abgewickelt werden, bei uns hingegen auf der Straße. Für diese Problematik gibt es nur langfristige Lösungsansätze durch großzügige Tunnelbauten. Diese Projekte wurden schon ausgearbeitet und entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt; letztlich geht es hier natürlich um politische Entscheidungen. •

Es gibt sicher eine breite Basis in Österreich, die zu einer Mitgliedschaft in der EG positiv eingestellt ist. Diese Einstellung der Bevölkerung wird sicher eine wesentliche Voraussetzung für einen Erfolg unserer Verhandlungen mit der EG bilden. Die derzeitige

„Durch langes Warten können sich Gegenkräfte formieren“

Bundesregierung, also eine große Koalition, die ein sehr breites Spektrum der Wähler abdeckt, ist sicher am besten geeignet, eine solche Initiative zu tragen. Wir kennen auch die zeitlichen Vorstellungen. Ich bin nicht überzeugt, daß in den nächsten zwölf Monaten noch wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Wenn wir noch lange zuwarten, könnten sich Österreich wenig freundlich gesinnte Gegenkräfte formieren. Aber nochmals, wir müssen Realisten sein, wir haben das zur Kenntnis zu nehmen, was demokratisch gewählte Politiker entscheiden.

Österreich könnte zweifellos einen Beitrag zur Stärkung der EG leisten. Österreich wäre Nettozahler, wir würden sicher zu einer stärkeren Kohärenz der Gemeinschaft beitragen. Vielleicht gibt es auch, man muß ja gerade bei solchen Anliegen Perspektiven aufzeigen, längerfristig die Möglichkeit, unsere Beziehungen zu Osteuropa für die EG nutzbar zu machen.

Heute steht innerhalb der EG die Süderweiterung im Vordergrund aller Entwicklungsüberle-

„Das Verkehrsproblem durch großzügige Tunnelbauten lösen“ gungen. In fernerer Zukunft zeichnen sich aber ungeheure Aufgaben im Osten unseres Kontinents ab. Seit einiger Zeit ist in der Haltung der Sowjetunion gegenüber der EG ein deutlicher Wandel eingetreten. Die EG wird nicht mehr wie unter Breschnew als ein Instrument des Spätkapitalismus betrachtet, sondern sehr nüchtern als Faktum akzeptiert. Mit Ausnahme von Rumänien haben alle RGW-Staaten diplomatische Beziehungen zur EG aufgenommen. Das ist sicher nur ein erster Schritt, sie erwarten sich mehr. Hier könnte Österreich im Rahmen der EG eine wesentliche Rolle spielen.

Der Autor ist Generaldirektor der CA-BV.

Zu diesem Thema referierte er auch am 30. August 1988 in Alpbach.

1 Ich hoffe, mit diesen Überlegungen nicht einen zu starken Protest der Notenbank hervorzurufen, in meiner Position bin ich natürlich an einem guten Verhältnis zur Zentralbank interessiert.

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