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Digital In Arbeit

ES GEHT NUR MIT TOTALEM EINSATZ

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(cg)-Er ist Bergbauer in Kaumberg im Alpenvorland, im südöstlichen Niederösterreich: 30 Hektar Eigengrund, davon zwölf Wald. „Bei uns gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: Rinder zu halten und Milch zu produzieren. Wir haben rund 25 Milchkühe und die Nachzucht."

Die Arbeit ruht allein auf den Schultern des Ehepaares. Es hat drei kleine Kinder, das jüngste sechs Monate alt. „Wenn man kämpft, dann kommt man schon durch. Aber, was man da auf sich nehmen muß, ist nicht ohne." Denn der Betrieb - er hat seit 1987 das Markenzeichen biologisch - ist auf Direktvermarktung aufgebaut. Das bedeutet: Neben der Feld-, Stall- und Hausarbeit ein zweiter Beruf. Die Milch wird in Flaschen (selbst gefüllt und verschlossen) direkt an Bioläden geliefert. Die Frau erzeugt Topfen, Käse und Schlagobers.

Dieser Markt mußte erst aufgebaut werden. Bis vor einem Jahr war das illegal. Niemand durfte es wissen -vor allem nicht die Nachbarn. „Der Direktverkauf wird jetzt von den Bauern Vertretern als Großtat gefeiert. Eigentlich sollte das normal sein. Jeder Gewerbebetrieb darf doch auch seine Erzeugnisse verkaufen!"

Gearbeitet wird von früh bis spät mit totalem Einsatz. „Es gibt Zeiten da schlaf ich nicht mehr als vier Stunden. Wir haben uns oft gefragt: Geben wir auf oder tun wir weiter?"

Besonders groß ist die Belastung der Bäuerin: „Vor allem weil die Kinder noch klein sind. Sie würden viel Zuwendung brauchen. Aber bei den vielen Stunden, die ich arbeite! Ich bin im Betrieb eine volle Arbeitskraft mit meiner Topfen- und Käseherstellung. An manchen Tagen bleibt keine Zeit, um mich eine Stunde hinzusetzen. Nur wenn ich die Kleine stille, sitze ich."

Momentan hat die Familie einen Helfer. Er arbeitet fast umsonst. Eine Anstellung wäre finanziell nicht tragbar. Die Soziallasten sind - selbst bei geringster Bezahlung - zu hoch. „Kaum daß man zu rechnen anfängt, müßte man zusperren. Wir machen das alles, weil es uns auch Freude macht." Auch die Direktvermarktung ist nur eine Möglichkeit, mit großem Aufwand den Umsatz zu erhöhen. Das ergibt mehr - schlecht entlohnte -Arbeitsstunden.

Besonders belastend sind die Fixkosten: Versicherungen, Steuern, die hohe Verschuldung. „Wir werden ständig in Atem gehalten - etwa mit Vorschriften. Kürzlich bekamen wir -wie alle Direktvermarkter - eine Aufforderung: Bis 1. Juni müssen wir eine Wasseruntersuchung vorlegen. Sie kostet ein paar Tausender. Bis 1993 müssen wir eine weitere Untersuchung vorlegen. Sie kostet mehr als 10.000 Schilling. Sollten wir die Normen nicht erfüllen, müssen wir Maßnahmen setzen, die enorm ins Geld gehen können: etwa eine neue Quellenfassung, eine Bestrahlungsanlage. Das kann uns 200.000 Schilling kosten. Wer sich nicht daran hält, verliert die Berechtigung. Am grünen Tisch kann man sowas leicht beschließen. Aber wissen diese Leute, wie man mit solchen Bestimmungen zurecht kommt?"

Was die Menschen am Hofe hält? Der Umgang mit dem Leben, die Freude, wenn ein Kalb auf die Welt kommt, die Ernte eingebracht ist, das Leben an der frischen Luft, die Vielfalt der Tätigkeiten. Aber belastend ist der enorme Druck: „Heute ist es seit vier Monaten das erste Mal, daß wir fortgefahren sind, einen freien Nachmittag haben. Wir haben halt die Hoffnung, daß es irgendwann einmal besser werden wird. Gäbe es diese Hoffnung nicht, müßte man alles hinschmeißen."

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