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Es geht ums Prestige

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Weltweit ist ein neues Deutschlandbild entstanden. Seit Herbst 1992 ist das Prestige der Bundesrepublik in Frage gestellt, wenn nicht unverzüglich Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und zur Bekämpfung der Kriminalität eingeleitet werden

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Weltweit ist ein neues Deutschlandbild entstanden. Seit Herbst 1992 ist das Prestige der Bundesrepublik in Frage gestellt, wenn nicht unverzüglich Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und zur Bekämpfung der Kriminalität eingeleitet werden

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„Die Polizei ist mit allen gesetzlichen rechtsstaatlichen Mitteln auszustatten, um gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und ständig steigende Kriminalität vorzugehen", forderte dieser Tage CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble vor dem Bundestag.

Vielfach herrscht noch die an politische Naivität grenzende Meinung vor, der Rechtsextremismus sei eine ungelenkte Aktion irregeführter, unmündiger Skinheads und Chaoten, denen die Organisation fehlt, die nur emotionell handeln.

Die Frage bleibt offen, ob das, was im Spätsommer 1991 im Lausitzer Hoyerswerda seinen Anfang nahm, als sich die rechtsextreme Szene in den neuen Bundesländern zeigte, bis zu jenen bürgerkriegsartigen Ausschreitungen in Rostock, nicht doch sorgfältig gesteuerte Aktionen waren. Das setzt sich ja fort bis in die letzten Tage. Vor einer Woche wurden - unmittelbar nach dem Brandanschlag auf von Türken bewohnte Häuser im schleswig-holsteinischen Mölln, der drei Tote forderte - im brandenburgischen Eberswalde Asylantenlager überfallen und niedergebrannt. Asylantenheime und jüdische Friedhöfe sind bevorzugte Orte für Aktionen der rechtsradikalen Szene. Grölend ziehen Neonazis durch die Straßen, singen antijüdische Lieder und verspotten schreiend Juden.

In der zweisprachigen Lausitz in Sachsen brüllen Rechtsextreme

„Ausländer raus". Unter der eingesessenen sorbischen Bevölkerung ruft dies große Sorgen hervor. Die ältere Generation erinnert sich an die Jahre der Diskriminierung der Sorben durch den Nationalsozialismus. Der Sprecher der „Domowina", der evangelische Pfarrer Malink erklärte: „Wir haben deutsche Pässe, wir sprechen aber nicht deutsch, wir pflegen unser Brauchtum und unsere Kultur und sind doch nicht Deutsche, obwohl wir Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland sind."

Trotz harter rechtsstaatlicher Maßnahmen, rühren sich auch in Sachsen die Rechtsextremisten. Der sächsische Innenminister Heinz Eggert, „Pfarrer gnadenlos", wie er genannt wird, ließ im September 1992 mit Unterstützung bayerischer und württembergischer Spezialeinheiten in einer Nacht-und Nebelaktion in den Großstädten Sachsens Zentren der Rechtsextremisten ausheben - und zwar mit großem Erfolg. Es wurden ganze Waffenlager sicher- und mehrere Täter vor Gericht gestellt. Es ist kein Geheimnis, daß so manche kleine rechtsextremistische Terrorgruppe in den ostdeutschen Bundesländern über Waffen aus ehemaligen Sowjetbeständen verfügt.

Kritisiert wird hier, daß die deutsche Justiz äußerst großzügig und human mit jugendlichen Gewalttätern umgeht. Nicht selten verlassen jugendliche Randalierer schmunzelnd das Gerichtsgebäude. Ein so hartes Urteil wie vor einigen Tagen in Leipzig, wo ein junger Gewalttäter, der eine türkische Familie überfallen hatte, ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung bekam, gab es bis jetzt selten. Der deutsche Rechtsstaat macht es sich schwer, das Strafrecht gegen Rechtsextremisten zu ändern. Kein Geringerer als Bundesanwalt Alexander von Stahl sieht dies auch gar nicht für erforderlich an, wenn nur das bisherige Strafrecht praktiziert wird.

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