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Es geht unter die Haut

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Fundierte Recherche, unterhaltsame TV-Dramaturgie, streitbare Intellektualität, politische Vorgänge erklärbar zu machen und Hintergründe auszuleuchten, das sind die Markenzeichen des Inlandsreports, der wöchentlich am Donnerstag in FS 2 um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Produziert wird er von einer kleinen Mannschaft, und er ist trotzdem sehr erfolgreich. 700.000 Zu-seher pro Sendung sind der Schnitt.

Gegründet wurde der Inlandsreport im März 1984 als Monatsmagazin. Seit September 1985 er-

scheint er als Wochenmagazin. Das Inlandsreport-Team unter Peter Rabl (er ist inzwischen zur Wochenzeitschrift ,J>rofil“ als Herausgeber abgewandert) machte die Sendung nicht nur zu einem Publikums-Hit, sondern auch zu einem politischen TV-Magazin, das vielen Politikern unter die Haut geht. Das Rezept: Gut recherchieren, schnell reagieren und hart, aber fair berichten.

Der Inlandsreport versteht sich als politische Hintergrundinformationssendung, die entsprechend dem Rundfunkgesetz kritisch, objektiv, liberal und vor allem den Minderheiten verpflichtet, berichtet. Ziel der Berichterstattung ist es, die täglichen Informationen des Fernsehens durch breitere, tiefer ausgeleuchtete und analytische Beiträge zu ergänzen.

Die Themenaüswahl ist im Rahmen des Sendungs-Titels (Inland) rdcht begrenzt, der Zugang aber immer ein politischer. Im Idealfall enthält die Sendung immer einen wochenaktuellen Bei-^ trag zu Beginn, setzt fort mit einer Hintergrundreportage und endet mit einem ,4eichteren“ Thema, im Idealfall ein Fernsehfeuületon.

Den Inlandsreport produzieren fünf angestellte Redakteure und fünf bis sechs freie Mitarbeiter, Dazu kommen die Kameraleute, das Sekretariat und die Cutterei. Seit seiner Gründung verzeichnet der Inlandsreport einen ständigen Anstieg in der Sehergunst. Sahen 1985 (wöchentliches Erscheinen) rund 500.000 ^useher den Inlandsreport, waren es 1988 bereits 700.000 pro Sendung.

Absolute „Traumwerte“ erreichten die beiden Sonderausgaben des Inlandsreports im April 1986 (TV-Konfrontation Dr. Kurt Waldheim - Dr. Kurt Steyrer) und im November 1986 (TV-Konfrontation Dr. Franz Vranitzky — Dr. Alois Mock) mit je 20 Prozent Reichweite, das sind zirka 1,2 Millionen Zuseher.

Im Jahr 1988 hat der Inlandsreport vor allem mit einigen Sendungen zur Causa Waldheim für Aufregungen und Kontroversen gesorgt. Hunderte Zuschauerbriefe, viele empört und negativ, weitaus weniger positiv, waren die Reaktion auf das mittlerweile schon Legende gewordene Interview mit dem Staatsoberhaupt zum Bericht der Historiker-Kommission über Waldheims Vergangenheit. Mehr als eine Million Menschen haben das Interview gesehen. Die Interviewer Peter Rabl und Hans Benedict mußten noch Wochen nach der Sendung Telefone und Briefe beantworten.

Zuvor hatte schon ein Bericht an den Originalschauplätzen von Waldheims Kriegseinsatz in Griechenland und Jugoslawien zum Thema Historiker-Bericht für Erregung gesorgt. Die ÖVP, der dieser Bericht naturgemäß nicht sehr angenehm sein konnte, warf dem Inlandsreport sogar vor, diesen Beitrag „zu gut vorbereitet“ zu haben. Was seitens der Verantwortlichen des ORF kaum als wirklicher Vorwurf empfunden werden konnte.

Aber nicht nur Waldheim und die Diskussionen über Österreichs Vergangenheit beschäftigten den Inlandsreport im abgelaufenen Jahr. Mit SOS-Lucona begann die Sendung ihre kontinuierliche Berichterstattung über Udo Proksch und die Folgen, die bis heute die Innenpolitik in Atem halten. Die übersichtliche Darstellung des Falles Lucona brachte lobende Zuseher- und Zeitungsreaktionen.

Als im März 1988 der „WAZ-Mann“ nach Österreich kam, gelang der Redaktion das erste Interview mit WAZ-Geschäftsfüh-rer Günther Grotkamp in der Schweiz.

Mit Nachbar Atom machte der

Inlandsreport auf eine nicht unbedrohliche Entwicklung in unserem Nachbarstaat Tschechoslowakei aufmerksam. Auf die Errichtung des größten Kemkraft-komplexes in Europa, nur knappe 100 Kilometer von der heimischen Grenze entfernt. Temelin wird zwar weiter gebaut, die österreichische Politik versucht aber seither verstärkt, zu Sicherheitsabkommen und Garantien mit dem Nachbarn zu gelangen.

Aus Libyen zur FPÖ war äer neue Bundesgeschäftsführer der Freiheitlichen, Harald Göschl, gekommen. Die Öffentlichkeit registrierte nach einem Bericht des Inlandsreportes erstaunt, daß ausgerechiiet die FPÖ, sonst eher Gadaffi-unfreundlich eingestellt, plötzlich ihre Liebe zu dem Wüstenstaat entdeckte und einen Geschäftsführer installierte, der enge Beziehungen geschäftlicher Natur zu Libyen unterhielt.

Alfred Hrdlicka traf Wiens Bürgermeister Helmut Zilk in seinem Atelier im Wiener Prater. Einen Tag, nachdem sich das Stadtoberhaupt endgültig für die Aufstellung des antifaschistischen Denkmals auf dem Wiener Albertina-Platz entschieden hatte. Der Bericht über das Treffen im Atelier löste scharfe Reaktionen aus.

Nicht lockerlassen!

Im Sommergespräch des Inlandsreports lieferte Jörg Haider seine mittlerweile schon berühmt gewordene Einschätzung der Republik als „Mißgeburt“. Beschäftigte damit wochenlang die Innenpolitik und schoß sich selbst als seriöser Gesprächspartner für die beiden Großparteien ins Out.

Ersatzteillager Mensch bot erstmals in Österreich bisher noch nie gesehene Bilder einer Transplantations-Operation. Dem toten Unfallopfer wurden neben dem sofort benötigten Herzen auch noch die meisten anderen gebrauchsfähigen Organe herausoperiert, um sie bei späteren Transplantationen verwenden zu können. Acht Wochen hatte das Inlandsreport-Team warten müssen, bis alle Faktoren -Patient, Spender und Ärzte-Team —beisammen waren, um an einem

Drehort die Story allfertigen zu können.

Das erste ausführliche Interview mit Burgtheater-Direktor Claus Peymann nach der Erregung rund um Thomas Bernhards ,3eldenplatz“, die angeblich falschen Bankgeschäfte des Österreichers Leo Ledl im Auftrag des Vatikans oder die Situation der Pelztierfarmen: diese Beispiele sollen illustrieren, wie und welchen Gesetzmäßigkeiten die Mannschaft des Inlandsreports folgt.

Und auch 1989 wird der Inlandsreport nicht lockerlassen. Etwa bei den illegalen österreichischen Waffenexporten. Ohne Zweifel hat die Berichterstattung des Inlandsreports über die Lieferung der VOEST-Kanonen GHN 45 an beide Fronten des Golfkrieges viel dazu beigetragen, die Aufklärung zu beschleunigen, weil erstmals im Fernsehen die Zusammenhänge gezeigt wurden. In diesem Frühjahr beginnt nun der mit Spannung erwartete Prozeß, aus diesem Anlaß wird der Inlandsreport den illegalen Deal zusam-menf assend darstellen und vor allem der wichtigen Frage nachgehen: Was wird aus den in diesem Zusammenhang schwer angeschlagenen Firmen und ihren Managern?

Der Autor ist Hauptabteilungsleiter Dokumentation.

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