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Es gibt keinen Pecovnik - nur den „Steinhügel“

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Die alten österreichischen Generalstabskarten des k, u. k. Militärgeographischen Instituts, die heute zwar nicht mehr modern, aber doch noch recht brauchbar sind, führten im allgemeinen Ortsnamen (Städte, Märkte, Dörfer, Fraktionen) unter ihrer deutschen Bezeichnung an, sofern eine solche überliefert war. Das galt auch für Böhmen, Mähren, Schlesien, die Bukowina, Krain, Görz (Nordteil des Küstenlandes) und die Südsteler-mark.

Selbstverständlich wurde auch in den amtlichen österreichischen Kartenwerken überall dort, wo von alters her ein eingelebter deutscher Name für eine auch vielleicht besiedlungsmäßig stets slawische oder italienische Stadt bestand, dieser verwendet: Laibach, Radmannsdorf, Adelsberg, Krainburg, Steinbrück,

Veldes, Stein, und das war sicherlich richtig, da man ja diese Namen auch heute bei uns ebenso weiter gebrauchen sollte, wie man ,,Prag“, „Brünn“ oder .Mailand“ sagt und schreibt Höchstens, daß manchmal zum besseren Verständnis auch der anderssprachige Name anzufügen wäre. Die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FÜEV) in Kopenhagen, die alle nationalen Minderheiten des freien Europa umfaßt, empfiehlt für Minderheitengebiete generell, sofern die Ortsbezeichnungen vom Staat aus in der Staatssprache vorgesehen sind, die Doppelschreibweise mit Schrägstrich dazwischen, wobei die Bezeichnung in der Staatssprache voranzugehen hat, also: Bolzano/Bozen, Selestat Schlettstadt, Leeuwarden/Ljuwert, Kirkebö/Kirkjuböür, Flensburg/ Flensburg, Hornstein/Horistan, Völkermarkt/Velikovec, Goriziä/Gorica/ Görz, Porec/Parenzo, Rijeka/Fiume, Bordeaux/Burdigala, Mulhouse/ Mühlhausen, Cheb/Eger, Bautzen/ Budysin, Eisenkappel/Zelezna Kapla, Tarvisio/Trbiz/Tarvis, Sibiu/Her-mannstadt, Turkku/Aabo. Dieses System hat sich bestens bewährt. In der Schweiz wird es übrigens außerhalb der einsprachigen Gebiete (die Schweiz ist sprachlich ja nach dem sprachlichen Territorialprinzip aufgebaut) in doppelsprachigen Gemeinden konsequent so gehandhabt: Biel/ Bienne, Bosco/Gurin, Domaf Ems, Si-ders/Sierre, Fribourg/Freiburg.

Meist hat das alte Österreich aber für Gebiete, für welche es in nicht-deutschen Orten den allgemein bekannten deutschen (oder italienischen) Namen auf die Karten druk-ken ließ, zum besseren Verständnis auch den ortsüblichen Namen in der Sprache der Ortsbewohner beigefügt, dies durchwegs in Klammer: Triest (Trieste, Trst), Veldes (Bled), Radmannsdorf (Radovljica), Mitterburg (Pisino, Pazin), Agram (Zagreb), Zengg (Senj). Das geschah auch dort, wo es sich um deutsche Sprachinseln handelte, die eindeutig deutschsprachig oder doch überwiegend deutschsprachig waren: Cilli (Celje), Pettau (Ptuj), Gottschee (Kocevje), Primör (Primiero). Eine Besonderheit stellte

Welschtirol dar, wo grundsätzlich nur die italienischen Namen verwendet wurden (Primör ist eine Ausnahme hievon, es war ja auch eine rein deutsche Gemeinde). Nur wurde früher auch für rein italienische Städte öfters auch der deutsche Name eingesetzt: Rofreit für Rovereto, Viel-gereuth für Folgaria. Das hatte aber keine andere Bedeutung als die mit Recht bis heute fortdauernde Bezeichnung Trient oder Mailand.

In Kärnten waren die Dinge immer etwas anders. Obwohl es vor hundert Jahren noch ein geschlossenes slowenisches Siedlungsgebiet gab und das amtliche Ortsrepertorium für die Gemeinden und Orte in diesem Gebiet sowohl die deutsche wie die slowenische Bezeichnung nebeneinander führte, wurden schon damals in den amtlichen Karten die slowenischen Orte ausnahmslos pur mit den deutschen Namen (und niemals etwa auch mit den slowenischen) versehen. So hieß es also stets nur Moos und nicht Blato, Zell (-Pfarre) und nicht Sele, Radsberg und nicht Radise, um nur einige bis auf den heutigen Tag slowenische Orte zu nennen. Aber: die einzelnen Weiler und Fraktionen hatten von Paßriach bis herab in den Remsche-niggraben ihre lediglich ein wenig in Lautmalerei angedeutschten Namen auf den Karten (Tscherniach-Wirts-haus, Stou-Bauer, Lipizach, Tuzach, Werouzach, Revelnik-Bauer, Rast-outschnik). Vor allem aber waren und blieben auch bis zum Zweiten Weltkrieg die Berg-, Bach- und Flurnamen slowenisch. Zumeist wurden sie auch auf allen Karten des seit dem Ersten Weltkrieg zum Kartographischen Institut gewordenen ehemaligen k. u. k. Militärgeographischen Instituts überhaupt nur slowenisch richtig geschrieben, also: Plesi-vec, Bevsca, Gradzica (beim Höhenzug der Gradzica hat man aber frühzeitig verdeutscht in Gratschützen, was dem Sinn des Wortes überhaupt nicht entspricht), Stou und Veliki Stou (heute Hochstuhl) und Pec (Ofen). Später, teils schon knapp vor dem Ersten Weltkrieg, vor allem aber bald nachher, wurde zu einer lautmalerischen Schreibung übergegangen. Man findet in den Landkarten jener Zeit und noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg also durchwegs die deutsche Lautschrift-Umschreibung der slowenischen Berg- und Flurnamen. Das ist in Ordnung, denn mit Ausnahme einiger Namen, die bis in unsere Tage stets nur mit dem slawischen c oder i oder bei den Endungen mit c und vc geschrieben wurden, spricht sich für den Nicht-slowenen der Name richtiger aus, wenn er eine deutsche Umschreibung erfahren hat. Nie aber kann dabei ein Zweifel darüber auftreten, daß er slowenischer Herkunft ist, wie ja ein Großteil der Eigennamen sehr betont deutsch eingestellter Kärntner auch 'lautmalerisch umschrieben ist (Paulitsch = Pavliö, Schuschnig = Susnik, Wutte Vutej, Trattnigg Tratnik, Swetscheny = Sveceni,

Schumy = Sumi). Kein Geringerer als der große slowenische Schriftsteller, der Kaiserliche Rat Karl Preschern, der sich trotz aller Volksbetonung in der deutschsprachigen Korrespondenz auch so schrieb und nur im slowenischen Briefwechsel Preseren, hat dem „Gau-Karawanken“ des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins sogar die erforderlichen Hinweise dafür gegeben, wie die slowenischen Namen in Südkärnten lautmalerisch im Deutschen richtig zu umschreiben seien (Franz Pehr, Beiträge zur Namenkunde im Hoch-stuhl- und Koschutagebiet der Karawanken, Wien, Verlag des Deutschen und 'österreichischen Alpenvereins, 1909). Gerade für die Namensforschung in Kärnten, deren bedeutendster Fachmann der kürzlich verstorbene Univ.-Prof. Dr. Eberhard

Kranzmäyer war und dessen wissenschaftliche Sorgfalt allgemeine Anerkennung genießt, wird es sich in ferner Zukunft als richtig erweisen, die bödenständigen Namen zu belassen. Das sind aber nun einmal durchwegs slowenische Namen.

Jetzt scheint dies anders zu werden. Schon um die Jahrhundertwende versuchte Ludwig Jahne, einer der alpinistischen Erschließer der Karawanken, in seinem Karawankenführer slowenische Namen durch mehr oder minder willkürlich erfundene zu ersetzen, wobei für gewöhnlich Übersetzungen versucht worden sind, wie sie die Italiener mit Ettore To-lomei einstmals der Lostrennung Südtirols wegen so erfolgreich unternommen haben: Dreiherrenspitze — Cima Tre Signori, Niederdorf — Villa Bassa, Antholzer See — Lago di Anterselva. Für seinen Teil gelang Jahne diese Verdeutschung durch Austilgung jeder Erinnerung an den slowenischen Namen, wobei da und dort auch andere Vor- und Mitläufer sich beteiligten. So setzte sich für Dobratsch (Dobrac) die Bezeichnung Villacher Alpe durch, was freilich deshalb nicht abwegig ist, weil Villach selbst immer deutsch war und nur die Süd- und Südostseite des Berges im slowenischen Sprachgebiet lag. Der Hauptgipfel der Karawanken, der Veliki Stou (Großer Stuhl) wurde erfolgreich in Hochstuhl umbenannt, während beim Harlovc (auch Gerlouc) sich allmählich die freie Erfindung Ferlacher Horn durchsetzte. (Der Sinigerberg ist keine Eindeutschung, da der Name von einem Bauernhof kommt; Singer hießen dort viele slowenische Bauern). Der Pe6 (Petsch) wurde wörtlich mit Ofen übersetzt.

Nicht drang Jahne durch mit der (eher wörtlichen) Ubersetzung von Vrtatscha (Ortaca) in Zinnenwand, von Koschuta in (willkürlich) Hirschwand und GoÜca in Kahlkogel (was nur annähernd richtig übersetzt ist), Kosjak (Kozjak) in Gaisberg (auch Schafberg genannt, obwohl koza „die Ziege“ heißt).

Es würde eine Reslowenisierung bedeuten und daher abzulehnen sein, wollte man heute Namen wie Rosenbach, Hochstuhl, Mittagskogel (slowenisch: Kepa) oder Villacher Alpe wieder aufgeben. Hiefür muß es in der österreichischen Kartographie und Topographie bei den längst üblich gewordenen Verdeutschungen bleiben, während man es den Slowenen, vor allem jenen jenseits der Grenze, zubilligen muß, daß sie die slowenischen Namen gebrauchen, wie sie ja auch seit eh und je für deutsche Städte und geographische Bezeichnungen slowenische Namen gebrauchen (Celovec — Klagenfurt, Beijak — Villach, Korosko — Kärnten, Podkloster — Arnoldstein, Smo-hor — Hermagor).

Hingegen muß entschieden dagegen Stellung genommen werden, daß jetzt, Und zwar erst seit einigen Jahren, sowohl in der „österreichischen Karte“, also seitens des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen wie vor allem seitens des Verlages Arta-ria-Freytag & Berndt, der sich dabei auch auf amtliche Angaben stützt, bisherige slowenische Namen, auch die in deutscher Lautschrift umgeschriebenen Berg-, Fluß- und Flurnamen künstlich germanisiert werden. Hier ist eine eindeutige und beabsichtigte Entslowenisierung im Gange, die auch in direktem Widerspruch zum Sinn des Minderheitenschutzartikels 7 des Staatsvertrages von 1955 steht. So enthält die Freytag & Berndt-Touristenwanderkarte, Bl. 47, Eisenkappel-Vellach, folgende

Germönisierungs- Wortschöpfungen: Kaltenberg für Mrzlagora (in der vorangegangenen Ausgabe noch durchaus akzeptabel Merzlagora, in der Österreich-Karte 1:25.000 von 1949/1953 etwas unlogisch, aber auch noch vertretbar, Mrzla-Höhe), Golli-höhe für Goli (Goli vrh), Kärntner Grintozz für den Grintouc (Grintouc bedeutet so viel wie „rauher Berg“, „aussätziger“ Berg, Grindling), Trok-kenberg für Suhl Vrh (zu deutsch Dürrnberg), Frauenberg für Baba (das ist eine besondes böse Germanisierung. Baba = Frau oder auch alte Frau, ist ein typischer slowenischer Bergname. Ihm entspricht nur, wie in der Schobergruppe, „Böses Weibele“, niemals „Frauenberg“). Im Kärntner Dialekt kommt der beliebte wenn auch nicht gerade ehrende Ausdruck Wab'n (alte Wab'n, schia-che Wab'n) von Bäb. Der südöstlich des Koschuta-Hauptkamms an der Grenze gelegene Berg Plesivec, noch bis in die jüngste Zeit auf der österreichischen Karte so genannt, ist nun in „Kahler Berg“ umbenannt worden. (Wörtlich übersetzt müßte es heißen: Kahlkopf), so wie die Golica, ein beliebter leichter Aussichtsberg beim Maria-Elend-Sattel, schon seit längerem Kahlkogel benannt wurde, in sehr freier Anlehnung an die Bedeutung des Wortes golica Blan-kettformular oder grännenloser, also kahler, Weizen. Der 1668 m hohe Pecovnik (von pec = Ofen) wurde ganz willkürlich umgetauft in Steinhügel. Die Rozica heißt jetzt Rosenkogel, der Struglov vrh Struglberg, die Anhöhe des Zeljakovec „Großer Felsen“, der Kravji vrh Kuhberg (Vorgipfel zum Hochobir), dies in wortgetreuer Ubersetzuung, die Kopa nunmehr Koppe. Abzulehnen ist die Umtaufe der Vellacher Kotschna in „Vellacher Hochtal“. Nicht einmal im Dritten Reich wurde an dieser Bezeichnung gerührt. Kotschna (koena) kommt von „,kot“ = Winkel und ist meist die Bezeichnung für einen entlegenen Bergwinkel, was für diesen südlichsten Teil Österreichs mit seinem großartigen Talschluß auch zutrifft. Ob man bei einer Talschlußhöhe von rund 1000 m schon vom „Vellacher Hochtal“ sprechen kann, sei dahingestellt.

Als Begründung für die Germanisierung der Bergnamen wird angegeben, das Slowenische sei die Sprache eines so kleinen Volkes, daß man seine Ausdrücke eben verdeutschen müsse, außerdem gehe die Zahl der volksbewußten Slowenen in Kärnten rasch zurück. Dem sei entgegengehalten, daß in Westtirol und Vorarlberg, wo bis vor 200 Jahren noch Rätoromanen an der Grenze Graubündens lebten, also Angehörige eines noch viel kleineren Volkes, trotz zwangloser Eindeutschung kein Mensch bisher daran gedacht hat, die alten rätoromanischen Bergnamen durch gekünstelte deutsche Übersetzungen zu ersetzen. Und so heißt es dort noch immer — auch auf den Freytag & Berndt-Karten — Fuorcla d'UreZzäs od0c. Urezzas-Joch, Piz da Val Gronda, Piz Buin, Fuorcla del Confin (und nicht: Grenzjoch), Val-gragis-Spitzen, Galina.

Es ist zu befürchten, daß schon bald einmal gesagt werden wird: „Was wollen diese Kärntner Slowenen eigentlich? Gibt es überhaupt Slowenen? Das kann doch nicht sein. Die Berg- und Flurnamen sprechen eine deutliche Sprache: Kahlkogel, Zinnenwand, Kaltenberg, Frauenberg, Steinhügel. Alles urdeutsche Namen. Nie haben an solchem Ort andere als deutsche Menschen gelebt. Seht doch nur in Artaria-Freytag & Berndt's Karten, in der österreichischen Karte nach!“

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