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Es gibt sie nicht, aber es gibt sie doch

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Gibt es in Österreich eine moderne Spielart der Christenverfolgung? Referenten und Teilnehmer des CV-Symposions „Das Christliche in der säkularisierten Gesellschaft“ urteilten am Wochenende im Bildungshaus St. Gabriel mit einem klaren „Jein“. Ja deshalb, weil sich seit Antritt der Regierung Kreisky unleugbar ein Wert-Neutralismus in die politische Szene eingeschlichen hat, weil weite Pereiche von Kultur, Presse und Wissenschaft bereits sicher in Bänden agnosti- scher oder gar antichristlicher Kräfte sind und weil die christlich motivierten Politiker der SPÖ mehr als dekoratives Beiwerk, denn als echtes Gegengewicht für der Kirchenhatz verschriebene Parteilinke herhalten müssen. Nein aber deshalb, weil der freien Entfaltung christlicher Wertvorstellungen keine echt greifbaren Hindernisse entgegenstehen und weil es in Zukunft nur so schwer sein wird, „wie es sich die Christen durch ihrę Feigheit machen“ (Weihbischof Alois Wagner).

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Gibt es in Österreich eine moderne Spielart der Christenverfolgung? Referenten und Teilnehmer des CV-Symposions „Das Christliche in der säkularisierten Gesellschaft“ urteilten am Wochenende im Bildungshaus St. Gabriel mit einem klaren „Jein“. Ja deshalb, weil sich seit Antritt der Regierung Kreisky unleugbar ein Wert-Neutralismus in die politische Szene eingeschlichen hat, weil weite Pereiche von Kultur, Presse und Wissenschaft bereits sicher in Bänden agnosti- scher oder gar antichristlicher Kräfte sind und weil die christlich motivierten Politiker der SPÖ mehr als dekoratives Beiwerk, denn als echtes Gegengewicht für der Kirchenhatz verschriebene Parteilinke herhalten müssen. Nein aber deshalb, weil der freien Entfaltung christlicher Wertvorstellungen keine echt greifbaren Hindernisse entgegenstehen und weil es in Zukunft nur so schwer sein wird, „wie es sich die Christen durch ihrę Feigheit machen“ (Weihbischof Alois Wagner).

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„Warum es immer schwer sein wird für Christen“, beantwortete ÖAAB- Chef und Mitglied der CV-Verbindung Norica, Dr. Abis Mock, mit dem Hinweis auf Konsumgesellschaft und Materialismus sowie auf die ständige Relativierung von Grundfragen, die Relativierung des menschlichen Lebens oder der Institution der Ehe etwa. Ehrliche Selbstkritik läßt er aber auch mitschwingen: „Wir haben uns zuwenig eingesetzt, wir haben aUch den anderen Kräften Argumente ifl die Hand gegeben für diese Relativierung.“ Dafür, daß spezifisch christliche Orientierungen in der Politik zumeist zu kurz kommen, macht Mock das Erfolgsdenken der Politiker verantwortlich: „Es gibt Dinge in der Demokratie, die man nicht ausschließlich an Mehrheiten orientieren kann etwa die Frage des menschlichen Lebens: Da muß das politische Erfolgsdenken aufhören!“ Die Nachricht, Justizminister Christian Broda habe zur Beruhigung des Partei-Gewissens eine überaus positive Meinungsumfrage zum Thema Scheidungsreform in der Tasche, läßt die Mock-Kritik in besonders aktuellem Licht erstrahlen.

Die Doppelstrategie als Ausrede

Als ein besonders augenfälliges Symptom, das vor der Regierungspartei stutzig machen sollte, nannte Mock auch die von SP-Klubobmann Dr. Heinz Fischer in den „Roten Markierungen“ zu Papier gebrachte „Doppelstrategie“. Seit dem Villacher Parteitag könne man sich nicht mehr auf Aussagen sozialistischer Spitzenfunktionäre verlassen, denn wer könne garantieren, daß sich Unterrichtsminister Dr. Fred Sinowatz etwa, der sich bisher für die Beibehaltung des Religionsunterrichtes ausspricht, nicht vielleicht später einmal - es lebe die Doppelstrategie - darauf beruft, die Mehrheit der Partei habe anders entschieden und er nehme als Demokrat alles zur Kenntnis.

Dir. Eduard Pbier, Präsident der Katholischen Aktion, kritisierte, man unterscheide immer häufiger zwischen den „Grundrechten und Grundwerten“, wobei man die Verteidigung letzterer offenbar großzügig der Kirche überlassen wolle. Ploier regte an, in Österreich einmal die Frage nach dem Fundamentalkonsens in den Grundwerten zu stellen. Nicht zuletzt die Medien sind nach Ploier verantwortlich dafür, daß „eine permanente Umwertung der Werte im Gange ist“. Ein Beispiel: Die Pornographiedebatte. Sie werde ausgesprochen oberflächlich geführt, während es darum gehe, „ein anderes Menschenbild zur Institution zu machen“. Die von linken Exponenten angeregten Massenaustritte aus der Kirche sowie Sanktionen gegen mit der „Aktion Leben“ sympathisierende Betriebsräte wertete Ploier gewissermaßen als kulturkämpferische Urtöne. Sein Schluß: „Es wird tatsächlich schwerer für Christen in Österreich "

War es in der Nazi-Zeit besser?

„War es für die Christen vor Konstantin oder nach Konstantin leichter“, stellt der Linzer Weihbischof Dr. Abis Wagner provokant in den Raum: „War die pastorale Chance des Christentums in der Nazi-Zeit größer oder ist sie in der sogenannten freien WTelt von heute größer?“ Jede Christenverfolgung („Es gibt sie nicht, aber es gibt sie doch “) habe irgendwo ihr Positives, da sie zeige, „daß man Christus nicht so ohne weiteres ausschalten kann, daß man ihn nicht tot- schweigen kann.“ Schule, Sport und Literatur sowie die Presse seien möglicherweise in weiten Teilen bereits in Händen achristlicher oder gar anti- christlicher Kräfte.

Im übrigen werde es dort, wo es für die Christen schwerer werde, auch für alle Menschen schwerer. Wagner spricht damit Fragen der Familienpolitik an, die nicht so sehr Fragen des Christlichen als des Menschlichen überhaupt seien. Die Tatsache, daß in der Politik alles pragmatisch und unabhängig von den Grundwerten („Recht ist, was nützt“) angegangen werde, stuft der Linzer Weihbischof unter den „Schwierigkeiten von außen“ ein.

„Ich bin Sozialist und Katholik“

Die Rolle des mit viel Skepsis aufgenommenen Renommee-Katholiken von der linken Reichshälfte hatte in

Vertretung von Unterrichtsminister Fred Sinowatz, der Österreichs nationales Sportereignis des Jahres in Kitzbühel der gedanklichen Auseinandersetzung mit dem „Christlichen in der säkularisierten Gesellschaft“ vorzog, Sektionschef Dr. Adolf März übernommen. „Ich bin Sozialist und Katholik“, bekannte der rote Sektionschef, um sogleich hinzuzufügen: „Es ist nicht mehr so, wie in meiner Jugend. Da mußte man als Sozialist in einen anderen Bezirk fahren, um in die Kirche reingehen zu können.“ Der Informationswert seiner Ausführungen ging leider nicht über das bei solchen Gelegenheiten von Sozialisten immer wieder strapazierte Repertoire hinaus: Die SPÖ sei eine pluralistische Partei, weshalb jeder das Recht habe, seine Meinung zu äußern, und da sei nun einmal die Jugend um einen Grad aggressiver. Im übrigen könne der Religionsunterricht gar nicht abgeschafft werden, denn dafür benötige das Parlament eine qualifizierte Mehrheit - und es sei doch nicht anzunehmen, daß auch die ÖVP gegen den Religionsunterricht auftritt.

Auch in Schönbrunn wird man blödgefuttert

Zugutezuhalten ist dem hohen Beamten freilich, daß manche katholische Kemschichten, und dazu gehört nun einmal auch der CV, grundsätzlich allen Vertretern der SPÖ insbesondere in Glaubensfragen - was natürlich nicht von ungefähr kommt - mit traditionellen Vorurteilen gegenüberstehen.

Der polnische Kirchenminister habe die Pleite der antikirchlichen Welle zugegeben und gemeint, den Untergang der Kirche könne nur die Konsumgesellschaft des Westens beschleunigen und besiegeln, rief „Klei- ne-Zeitung“-Chefredakteurstellver- treter Kurt Vorhofer den Anwesenden in Erinnerung. Mit drastischen Bildern versuchte er, die Unverträglichkeit von Wohlstand und geistiger Blütezeit aufzuzeigen: „Auch den Löwen in Schönbrunn geht’s gut Sie werden blödgefüttert. Die Christen von heute befinden sich in einer ähnlichen Situation.“ Als spezielles Erschwernis für Österreich bezeichnete Vorhofer den Kreisky-Sozialismus: „Ich bin noch nicht ganz dahintergekommen, ob Kreisky nur ein Symptom unserer Zeit ist oder, ob er - kraß ausgedrückt - ganz bewußt die Rolle des geistigen Umweltverschmutzers spielt.“

Vordergründige Aktionen?

Die anschließende Debatte brachte manche Konturen noch klarer zum Vorschein: Es gehe nicht darum, „die rote Verfolgerkatze aus dem Sack zu lassen“, doch seien Tendenzen spürbar, das Christentum als museales Exotikum zu bewahren, während die sozialistische „appeasement-Politik“ darauf aus sei, das Christentum nicht als prägende Kraft, sondern als Handelsware zu werten (Dr. Hanns Sass- mann). Die Situation in Österreich sei insofern nicht mit jener der Bundesrepublik zu vergleichen, weil Österreichs liberale und wertfreie Verfassung im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz keine christlichen und spezifisch abendländischen Rechtsmerkmale besitze (Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Mantl).

Die Katholiken seien heute nur ängstlich, „sich’s mit irgendjemandem zu verderben“, denn andernfalls müßten sie längst als Antwort auf die Kirchenaustrittsbewegung der Linken eine Aktion „Katholiken raus aus der SPÖ” ins Leben gerufen haben (Hans Paul Strobl). Die seitens der Sozialisten forcierten Gespräche mit Katholiken wertete ÖCV-Seelsorger Dr. Gerhard Schuttes als Vordergründige Aktionen, „um den Katholiken Schaum um den Mund zu schmieren“.

Der geschilderten Podiumsdiskussion war bereits an den Vortagen eine ganze Reihe hochinteressanter Analysen zum gleichen Thema vorausgegangen. Dr. Wilhelm Zauner, Professor für Pastoraltheologie an der Linzer Universität (Thema: Welche Werte bringt die Kirche in eine säkularisierte

Welt ein?) betonte, daß der Wert der Kirche in der heutigen Welt weit über den vielstrapazierten Inhalt karitativer und sozialer Betätigung hinausgehe. Da der Mensch als gesellschaftliches Wesen immer nach Gemeinschaft strebe, sei die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen eine Organisation, in der das einzelne Mitglied greifbare Orientierungshilfen erlangen könne.

Mißtrauen, Vorurteile gegen die Kirche

Politologie-Professor Dr. Heinrich Schneider von der Universität Wien (Thema: Kirche, Staat und Gesellschaft angesichts neuer Herausforderungen) meinte, daß die Diskussion über die Fristenlösung, das Ehe- und Familienrecht sowie über den Religionsunterricht das unterschwellige Mißtrauen und die beklemmenden Vorurteile aufzeige, die der Kirche von Teilen der Gesellschaft entgegengebracht werden. Der Ansicht von SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer, die politischen Parteien hätten gewissermaßen einen Monopolanspruch auf öffentliches Auftreten, widersetzte sich Schneider massiv.

Eine Abstimmung der einzelnen christlichen Bildungsziele regte der an der Grazer Universität tätige Religionspädagoge Univ.-Prof. Dr. Edgar Korherr in seinem Vortrag „Christliche Bildungsziele und ihre Realisierung“ an. Taxativ zählte er auf: Die Förderung des Wertbewußtseins, Abwehr der Verdinglichung des Menschen, Wahrung der Würde der Person, Aktivierung zur sozialen Tat und Hilfeleistung zur Selbstfindung. Den Kampf kleiner Gruppen gegen den Religionsunterricht bezeichnete Korherr als „Nostalgie marxistischer Ideologie mit Schlagworten aus der Mottenkiste eines längst überholten Kulturkampfes“. Unter dem Titel „Christentum und Kultur - auf der Suche nach dem verlorenen Einklang“ brachte die bekannte Schriftstellerin Prof. Dr. Gertrud Fussenegger einen weiteren nicht zu unterschätzenden Seitenblick auf Österreichs gesellschaftspolitische Szenerie.

Mit dem Symposion „Das Christliche in der säkularisierten Gesellschaft“ hat die Bildungsakademie eine Thematik weiterverfolgt, die im Dezember 1975 im Rahmen eines ähnlichen Symposions zum Thema „Zehn , Jahre nach dem Konzil“ bereits aufgegriffen worden war. Es ging damals auf Grund des von ÖVP-Chef Josef Taus in die Diskussion . gebrachten Stichwortes „Politischer Katholizismus“ um den politischen und sozialen Standort des österreichischen Katholizismus.

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