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Es glost bei der Feuerwehr

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In den letzten Wochen hat sich die Diskussion rund um die Sozialpartnerschaft entscheidend verlagert. Bisher wurde sie vor allem aus zwei Quellen gespeist: Andauernde Kritik war immer schon aus den Mitgliederkreisen der einzelnen großen Interessenvertretungen gekommen. Der Zwang oder die Neigung zum Kompromiß ist für die beitragszahlenden Mitglieder, ob Unternehmer, Bauer oder Arbeitnehmer immer als ein Zeichen der Schwäche gedeutet worden, weil sie eine konsequente Durchsetzung der ihnen jeweils als richtig und notwendig dargestellten Politik erwarteten.

Das Rollenspiel der Sozialpartnerschaft verlangt, daß jeder der Beteiligten die gefundene Lösung nicht nur verteidigt, sondern sie auch sachlich vertretbar hinstellt: So wird einem Bauern

ein nach monatelangem Schubladieren erledigter, ungenügender Erzeugerpreis zumindest als hinreichend vom Verbandsvertreter erklärt, schluckt ein Unternehmer eine neue gesetzlich verankerte Belastung oder einen die Nützung von Marktchancen verhindernden paritätisch erhandelten Preis, läßt sich ein Arbeitnehmer darlegen, warum ein Kollektivvertragsabschluß nur so ausfallen konnte.

, Kein Wunder, daß in Mitgliederkreisen ein bedeutendes Kritik- und Konfliktpotential schon immer vorhanden war. Erstaunlich war nur, daß bei Drohungen mit dem Ende dieser Partnerschaft auch aus den jeweils eigenen Reihen Mahnungen zur Mäßigung hörbar wurden. Dazu trug sicher auch die positive öffentliche Meinung bei.

Die zweite Quelle der Kritik war gerade in den letzten Jahren im Winkel der kritischen Wissenschaft aufgebrochen: Die Sozialpartnerschaft wurde zu einer Art Spielwiese der Politologen und Soziologen, nachdem die Juristen schon seit dem Bestehen der Verbände- kooperation erfolglos die fehlende gesetzliche Verankerung bemängelt hatten. Radikalsozialistische Kreise, radikale Demokraten und Gesellschaftspolitiker unterschiedlicher Provenienz fanden beachtlichen Widerhall in der Öffentlichkeit.

Daneben gab es (neben kalkuliertem Eigenlob) immer wieder Komplimente, allem voran durch die OECD und durch Länder, die von einem sozialen

Frieden und einer Konfliktaustragung nach österreichischem Muster nur träumen können.

Immer wieder ist in der Vergangenheit die Feuerwehrfunktion der Sozialpartner unterstrichen worden. Diese war in den Zeiten der großen Koalition, wo man sich auch bei einfachgesetzlichen Materien nicht überstimmen durfte, relativ häufig notwendig.

Bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen wird irgendwann einmal einfach abgestimmt, der Einfluß der Sozialpartner auf ihre Rolle im Begutachtungsverfahren reduziert oder auf eine Anhörung in parlamentarischen Unterausschüssen beschränkt. Alle drei Parlamentsklubs dürften es genießen, die Verbände auf den ihnen zu

kommenden formellen Platz in der Demokratie verwiesen zu haben.

Dazu kommt noch, daß augenblicklich die drei im Parlament vertretenen Parteien von Arbeitnehmerinteressen dominiert werden und Forderungen und Initiativanträge zu die Gesprächsebene der Sozialpartner überspringenden Regierungsvorlagen führen. Die Arbeiterabfertigung und die Schichtarbeiterproblematik sind typische Beispiele. Die Verbände werden ganz offensichtlich mit dieser neuen parteipolitischen Realität nicht fertig.

Die Wirtschaft ringt mit einer tiefgreifenden strukturellen Krise, die im wesentlichen von der Weltwirtschaft und von problematischen innerösterreichischen Entscheidungen herkommt, und steht fassungslos der Fortsetzung des sozialpolitischen Wunschkonzertes gegenüber, um sich dann bei Unternehmenszusammenbrüchen Unfähigkeit der Unternehmer (wo waren die Mitbe- stimmer?) vorwerfen lassen zu müssen.

Die Landwirtschaft läuft Gefahr, wichtige Kompetenzen ihrer Standes- organisation (Agrarförderung) zu verlieren und muß zusehen, wie kleine Gruppen hofiert werden.

Es kann für die nicht im Regierungs- (partei)lager stehenden Interessenorganisationen auf Dauer keine Lösung sein, als brave Preis- und Lohnmechaniker in der Paritätischen Kommission der Regierung Ärger auf der Inflationsund Lohnfront abzunehmen. Es mehren sich die Stimmen, die auch aus par-

teipolitischen Gründen für einen Rückzug auf die ursprüngliche Interessenpolitik plädieren.

In der letzten Februarwoche wurden praktisch zur gleichen Zeit Lob und Warnung in der Öffentlichkeit laut. Lob durch den OECD-Jahresbericht und Warnung durch Präsident Rudolf Sallinger, bekannt durch seine Art, mit starken Worten zurückhaltend zu sein: „Wenn der Sozialminister ankündigt, schwierige und langdauernde Verhandlungen abzubrechen und seine Vorhaben im Parlament mit Mehrheitsbeschluß durchzusetzen, wäre mit dieser Vorgangsweise die Sozialpartnerschaft beendet.“

Als entscheidender Prüfstein jenseits

des Dallinger-Konflikts dürfte sich die Realisierung der Vorstellung des zur Diskussion gestellten SPÖ-Wirt- schaftskonzeptes herausstellen. Sollte die Regierung, wie so oft in der Ära Androsch, die Paritätischen Gremien als Publikationsebene zweiter Wahl behandeln, dann ist es kaum vorstellbar, daß der so oft beschworene Bruch ausbleibt.

Von den Sozialpartnern im regierungsfernen Lager muß erwartet werden, daß sie ihre Bedingungen für ein weiteres Mitgehen klar abstecken und diese Konzeption vor allem bei der Regierung durchsetzen. Kernpunkt müßte die Wiedereinbeziehung der Wirtschafts-, Währungs- und Steuerpolitik in eine ehrlich gemeinte Diskussion mit und unter den Partnern sein.

Trotz aller Schwierigkeiten ist der Verfasser Optimist, weil sowohl die gesamtwirtschaftliche Problemlage und die positive Einstellung der Öffentlichkeit selbst dem stursten Parteistrategen klarmachen werden, daß ein Ende der Sozialpartnerschaft mehr schafft als nur sie selbst.

Der Autor ist Leiter der rechts- und gewerbepo- litischen Abteilung der Bundeskammer.

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