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Es kann auch einer die Welt verändern

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Unterernährung, dumpfe Resignation, kurzeLebens-erwartung, Tuberkulose, fehlende Bildung, verwahrloste Kinder und Jugendliche prägen das Bild einer Region im Norden Indiens, in dem ein einzelner anfing, eine Wende zum Besseren herbeizuführen.

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Unterernährung, dumpfe Resignation, kurzeLebens-erwartung, Tuberkulose, fehlende Bildung, verwahrloste Kinder und Jugendliche prägen das Bild einer Region im Norden Indiens, in dem ein einzelner anfing, eine Wende zum Besseren herbeizuführen.

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Mein Gegenüber ist eine eindrucksvolle Erscheinung: Ein asketisches tiefbraunes Gesicht, ein gepflegter, schwarzer Vollbart, perfektes Englisch und vor allem ein sorgsam geflochtener türkisfarbener Turban. Diese Kopfbedeckung kennzeichnet — wie mich mein Gesprächspartner informiert - den gläubigen Sikh.

Mit großer Intensität und Begeisterung berichtet mir Sujan Singh Uban von dem Entwicklungsprojekt, das er vor vier Jahren im Norden Indiens, in den Ausläufern des Himalaya, etwa sechs Autostunden von Neu-Delhi entfernt ins Leben gerufen hat. „Vanguard for Peace” nennt sich die mittlerweile auch mit Zweigen in den USA und Österreich auf internationale Basis gestellte Trägerorganisation: Vorhut des Friedens also.

Die erste Verblüffung erlebe ich, als ich erfahre, daß der Initiator dieser „Vorhut des Friedens”, Suj an Singh Uban, ein pensionierter General der indischen Armee ist: hochdekoriert blickt er auf eine erfolgreiche Karriere zurück, während der er unter anderem persönlicher Berater des ersten Präsidenten von Bangladesh war.

Schon lange vor seiner Pensionierung vor vier Jahren hatte er sich mit dem Gedanken getragen, ein soziales Hilfswerk zu initiieren. Daher erwarb er schon vor 15 Jahren im Bundesstaat Punjab ein größeres Grundstück, das er im folgenden zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb ausbaute.

Er ließ sich damals in einer Gegend nieder, in der die Bevölkerung (etwa 500.000 Menschen) in kleinen Dörfern von der unzeitgemäßen Bewirtschaftung ihrer kleinen Landwirtschaften von 2,5 bis drei Hektar Größe kaum existieren konnten. General Uban, damals noch aktiv, nahm auch vier verwahrloste Jungen auf, denen er sowohl eine allgemeine als auch eine auf die Vermittlung moderner Methoden der Landwirtschaft abzielende Ausbildung zuteil werden ließ.

Bei seiner Pensionierung schenkte er diesen — mittlerweile 20jährigen — jungen Leuten, ebenso wie seinem ehemaligen

Diener einen Teil seines Grundes. Dort konnten sie nunmehr ihr Wissen in die Praxis umsetzen, wodurch der Kern einer landwirtschaftlichen Mustergemeinschaft entstand.

Von Anfang an waren seine Schützlinge jedoch auch darauf ausgerichtet, ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die ländliche Bevölkerung der Umgebung weiterzugeben. Damit will der General erreichen, daß die Bevölkerung begreift, daß unter den gegebenen örtlichen Bedingungen durchaus, statt der einen unzureichenden jährlichen Ernte zwei eingebracht werden könnten. Bodenqualität und Wasser reichen dazu aus.

Einen entscheidenden Schritt zur Erweiterung des Projektes setzte er vor drei Jahren durch Aufnahme von 26 Kindern aus den untersten Kasten — vor allem Waisen — in ein von ihm gegründetes Kindeiüeim. Dabei ging es ihm wieder darum, die Kinder für das erfolgreiche Betreiben einer kleinen Landwirtschaft vorzubereiten. Auch sie sollen mit 18 Jahren einen eigenen Grund zur Bewirtschaftung bekommen und auch sie sollen sich später als Volksbildner betätigen.

Sujan Singh Uban setzt dabei durchaus nicht nur auf die im Westen entwickelten Methoden des Landbaus. Er versucht vielmehr eine Symbiose von erfolgreichen westlichen und östlichen Ansätzen zu entwickeln. Denselben Zugang hat er auch für sein nächstes Projekt, für das er zur Zeit im Westen Geld sammelt: Es handelt sich um das Onkarnath-Hospital-Projekt, das eine Gesundheitsversorgung für die Region bereitstellen soll und das auch die österreichische Caritas unterstützen will.

Derzeit herrschen in diesem Gebiet von Runjab eine auch für Indien unterdurchschnittliche Lebenserwartung, hervorgerufen durch hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit, Tuberkulose, Malaria und andere Krankheiten.

Auf drei Ebenen soll angesetzt werden: Auf lokaler Ebene sollen kleine Teams, bestehend aus einer Hebamme und einer männlichen medizinischen Hüfskraft, die einfache Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen, vor allem aber auch für dieGesundheits-erziehung der Bevölkerung sorgen.

Im zentralen Ort der Region soll ein relativ kleines Spital mit 60

Betten errichtet werden, das nur die wirklich schweren und dringenden Fälle versorgen soll, in dem aber auch die Belegschaft der medizinischen Außenstellen ausgebildet werden.

Die Verbindung zwischen Spital und Außenstellen soll durch ein System mobiler Ambulanzen aufrechterhalten werden. Ihnen kommt auch die Aufgabe zu, kleinere Eingriffe an Ort und Stelle durchzuführen.

Bei diesem dezentral konzipierten Modell soll es auch zu einer Kombination von indischer und westlicher Medizin kommen: Kräuterheilmethoden, Ayurvedi-sche und Yogi-Methoden ebenso wie moderne Chirurgie.

Bei diesem Gespräch hat mich folgendes besonders betroffen: Es kann offensichtlich sogar ein einzelner —und das in einem Lebensalter, in dem die meisten Menschen nur mehr an Ruhe und Erholung denken — durch gezielten Einsatz all seiner Möglichkeiten entscheidend zur positiven Veränderung der Welt beitragen. Wir sollten also über Hunger, Elend und Ungerechtigkeit in dieser Welt nicht nur jammern, wir könnten etwas dagegen tun, wenn wir nur wollen.

Und weiters: Wir können in unserer überorganisierten und zentralisierten westlichen Welt sicher von solchen Erfahrungen, die in kleinen überschaubaren Einheiten gemacht werden, lernen. Wir werden auch von den Erfahrungen mit dem kombinierten Einsatz von westlichen und östlichen Methoden profitieren. Damit wird Hilfe, die wir bei solchen Projekten leisten, nicht mehr zur Einbahn herablassender Großzügigkeit, sondern Anfang eines gemeinsamen Lernens.

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