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Es war nicht nur „Walli”

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Die Mehrzahl der politischen Beobachter hatte für die Tiroler Landtagswahl vom vergangenen Sonntag eher auf einen Mandatsverlust - vielleicht gerade noch auf ein Stagnieren - der Volkspartei getippt. Selbst Landesvater Eduard Wallnöfer wurde durch den Wählerentscheid glaubhaft überrascht und gestand am Wahlabend vor laufender Fernsehkamera, „daß ich mit 24 und nicht mit 25 Mandaten gerechnet habe”.

Der Erfolg der Tiroler Parteifreunde kommt für die mißerfolgsgeprüfte Bundes-ÖVP wie gerufen. Gerade in der laufenden Emeue- rungsdiskussion ist man für jede moralische Aufrüstung dankbar.

Falsch und gefährlich wäre es freilich für die Volkspartei, wollte sie aus dem Wahlergebnis vom Sonntag eine Bestätigung für die Richtigkeit des eingeschlagenen Reformweges herauslesen. Dieser Weg ist für die Wähler nämlich derzeit noch kaum rekonstruierbar. Ebenso /alsch würde es aber auch sein, aus diesem ÖVP- Erfolg in Tirol abzuleiten, daß sich nur die Bundespartei, nicht aber auch jede Landesorganisation zu erneuern hätte.

Denn die Tiroler Volkspartei ist eher nur durchschnittlich organi siert, weit entfernt von dem Standard, wie er etwa in Oberösterreich anzutreffen ist. Und trotzdem konnten die Männer um Wallnöfer das zweitbeste Ergebnis der letzten 20 Jahre einbringen.

Zweifellos ist das gute Ergebnis teilweise mit der Person Eduard Wallnöfers zu erklären. Schon fast ein „Landesdenkmal”, haben ihm die Tiroler mehr geglaubt als seinem politischen Widerpart Herbert Salcher, dem Bruno Kreisky die Rolle vom „Hecht im Karpfenteich” zugeteilt hat. Und natürlich hat sich erneut gezeigt, daß ein vorhandener Amtsbonus kaum zu brechen ist.

Aber es war nicht nur Wallnöfer und der schlummernde Tiroler Hang zum Patriarchat, was hier den Ausschlag gegeben hat. Denn auch schon vor Wallnöfer war die Volkspartei in Tirol so stark wie in keinem anderen Bundesland.

Fest steht nämlich, daß die Begriffe Freiheit und Eigenständigkeit in Tirol in einem Maße geschätzt und gepflegt werden, wie es sonst selten der Fall ist. Das begründet sich in einer festverwurzelten Tradition. Und daher wählen die Tiroler auch, wenn es um ihr Land, ihren Landtag geht, tirolerisch.

Mit diesem Tiroler Selbstverständnis haben die Sozialisten zu kämpfen. Ihr insgesamt zentralistisches Denken macht sie ganz offensichtlich für eine überwältigende Wählermehrheit in solchen Bundesländern suspekt. Ein Herbert Salcher kann das nicht aufwiegen, was ein Wiener Heinrich Keller, den man auf einen Tiroler Bundesratssitz nominiert, schadet. Daher sind die Tiroler Sozialisten auch auf dem Holzweg, wenn sie über ihre Wahlkampagne selbst grübeln. Nicht der Wahlkampf, ihr politisches Bekenntnis war nicht überzeugend.

Ein ähnlich ausgeprägtes Selbstbewußtsein wie in Tirol, das auf Freiheit und Eigenständigkeit pocht, ist ja auch in Vorarlberg anzutreffen. Da versteht man unter Föderalismus eben mehr, als die Verfassung einzuräumen bereit ist.

Deshalb gehen im österreichischen Westen die politischen Uhren anders. Sowohl SPÖ wie auch ÖVP werden sich mit diesem Phänomen auseinandersetzen müssen, wobei die Volkspartei daraus auch Hoffnung schöpfen kann: Politische Grundwerte wie Freiheit, Eigenständigkeit und Selbstbestimmung haben nicht nur Zugkraft, sondern auch Zukunft.

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