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Esel im Sack

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Sobald den Esel das Futter sticht, tanzt er auf dem Eis. Das ist eine Binsenweisheit. Aber, Hand aufs Herz, wer hat schon einen Esel auf dem Eis tanzen und sich gar ein Bein brechen sehen?

Närrische auf dem Eis, das ist keine Seltenheit, aber Esel? Des Rätsels Lösung ist eigentlich ganz einfach: Esel lassen sich nicht mir nix dir nix an den langen Ohren erkennen. Und das macht die Welt verwirrend.

In der Eselsbank sitzt nicht unbedingt ein Esel, dafür kommt manch einem, den die Umwelt vermeintlich mit Fug und Recht für einen netten und umgänglichen Zeitgenossen hielt, unversehens der Esel durch.

Nein, nicht das nette Grauchen, das sich im Verfärben der Haare zeigt, sondern der übermütige, geile, grobe, impertinente oder anmaßende Bruder Langohr, HELMUTH A. NIEDERLE

häufig ein naher Verwandter der Gilde der Schlitzohren, die sich mit eselschen Schalmeien bemerkbar machen.

Unversehens hat sich solch einer selbst Eselsohren gemacht, sich selbst einen Esel gedeutet, geschnitzt, gezeigt, gebohrt, gestochen, gestreckt, sich auf einen Esel gesetzt und zu einem noch größeren gekrönt.

Wer aber nun glaubt, nach dieser Krönung würde man wenigstens auf einem Esel reiten, ist schwer im Irrtum, dafür wird er von einem Esel geritten, ziemlich scharf und rücksichtslos.

Da gleicht der Gekrönte dem legendären Esel im Schachspiel, der gut zu seinem Kollegen paßt, der die Laute schlägt, der einen aufmerksamen Zuhörer hat: Den Esel im Mausloch, der seine singenden, geigenden und flötenden Artgenossen liebt.

Wer kennt sie nicht, die Eselmacher oder Sauverschneider, die landauf und landab ziehen, um die Eselsglocke zu läuten und unauffällig Eselzürk und Bockmist zu verbreiten.

In Blitzesschnelle sind sie mit ihrem Eselhirn in eine Löwenhaut gekrochen, wie gut, daß Esel keine Hörner haben, so gleiten sie in das neue Gewand, schmiegen sich in die Macht verleihende Haut, und da sie Meister im Nebelwerfen sind, kennt man sie nicht, denn sonst hielte man sich an die alte Weisheit „wohl geblaut den Esel in der Löwenhaut“, doch leider sind die Nasenschleimhäute stumpf geworden, der Eselfurz bleibt unerkannt, den Eselgang will man nicht sehen, der Gauch, der Filz, der Esel wird nicht weggeschickt, keiner ruft dem Anmaßenden zu, wird sich der Esel bald fortpacken, wie darf sich der Esel das unterstehen, und so hat man den Bock zum Gärtner gemacht — dies ist schon wieder Teü einer anderen Geschichte.

Und während sich der Esel mit seinen, um es vorsichtig zu sagen, gar nicht so ungeschickten Esels-grülen breitmacht, sich's gutgehen läßt und sich in einen Eselwolf verwandelt, erzählt sich die Gruppe der Bad-, Halb-, Haus-, Hof-, Keller-, Mahl-, Maul-, Müll-, Pack-, Palm-, Plack-, Saum-, Trag- und Waldesel so manche Eselsmäre von diesen eselbaren Herrn, doch es ändert sich nichts. Das aufmunternde Wort: Der G'scheitere gibt nach, der Esel fallt in' Bach, hat eine unliebsame Fortsetzung, dann kommt er wieder raus und lacht den andern aus.

Die Last-, Wasser-, Holz-, Sack- und Bürdenträger trinken in Ruhe Esel-, Gänse- und Sauwein, der ihnen vorgesetzt wird. Und in ihrer Verbitterung schlagen sie den Sack, obwohl sie den Esel meinen. Sie singen unzufrieden den Eselgesang, der hoch anfängt und niedrig aufhört, wie schon der Ketzer treffend bemerkte.

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