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Eskalation im südlichen Afrika

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Am 9. Jänner hatte Rhodesien die Schließung seiner Grenze zum benachbarten Sambia bekanntgegeben. In den Tagen und Wochen davor war es zu zahlreichen Uberfällen schwarzer Gue-rilleros auf rhodesische Farmen gekommen, bei denen fünf Weiße getötet und zwei Angehörige eines zur Unterstützung des Smith-Regimes in Rhodesien stationierten südafrikanischen Polizeikontingents durch Guerilla-Landminen ums Leben kamen. Der schwerwiegende Schritt Salisburys erfolgte in der Absicht, auf Sambia, das einige Guerillaorganisationen beherbergt, politischen Druck auszuüben und das Binnenland Sambia durch diese Handelsblockade von seiner wichtigsten Handelsroute abzuschneiden.Eine Woche danach kam aus Conakry die Nachricht von der Ermordung Amilcar Cabrals, des Führers der Aufständischen in Portugiesisch-Guinea.

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Am 9. Jänner hatte Rhodesien die Schließung seiner Grenze zum benachbarten Sambia bekanntgegeben. In den Tagen und Wochen davor war es zu zahlreichen Uberfällen schwarzer Gue-rilleros auf rhodesische Farmen gekommen, bei denen fünf Weiße getötet und zwei Angehörige eines zur Unterstützung des Smith-Regimes in Rhodesien stationierten südafrikanischen Polizeikontingents durch Guerilla-Landminen ums Leben kamen. Der schwerwiegende Schritt Salisburys erfolgte in der Absicht, auf Sambia, das einige Guerillaorganisationen beherbergt, politischen Druck auszuüben und das Binnenland Sambia durch diese Handelsblockade von seiner wichtigsten Handelsroute abzuschneiden.Eine Woche danach kam aus Conakry die Nachricht von der Ermordung Amilcar Cabrals, des Führers der Aufständischen in Portugiesisch-Guinea.

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Cabral galt als „Gemäßigter“ unter den afrikanischen Guerillaführern, und es ist daher nicht ausgeschlossen, daß er von radikalen Elementen in den eigenen Reihen beseitigt wurde.

Inzwischen hat sich die rhodesi-sche Grenzschließung als eine Salis-bury mehr als Lusaka schadende Maßnahme erwiesen, und am 5. Februar gab die Smith-Regierung die Aufhebung der Grenzsperre bekannt, während nun Sambia seinerseits die Schließung seiner Grenze zum „aufsässigen Rhodesien“ als „unwiderruflich und endgültig“ erklärte.

Beide Ereignisse, die Krise zwischen Sambia und Rhodesien und die Ermordung Cabrals, lenkten die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wieder einmal auf die Konfrontation zwischen Schwarz und Weiß in Afrika und auf die Tatsacne, daß in Afrika seit den sechziger Jahren Kleinkriege geführt werden, welche die Gefahr einer ernsten internationalen Eskalation in sich tragen.

Bislang wurde im Westen die Existenz der diversen Aufstandsbewegungen, wenn überhaupt registriert, so doch nicht allzu ernst genommen. Für diese Einstellung gab es berechtigte Gründe: Allzu oft wurden von den Aufständischen übertriebene und einander widersprechende Erfolgsmeldungen in die Welt gesetzt. Unabhängige Beobachter, die Angola, Mozambique oder Rhodesien bereisten, bekamen kaum je etwas von irgendwelchen Guerillaaktivitäten zu sehen. Journalisten, die von den Rebellen selbst in das Aufstandsgebiet eingeschleust wurden, waren zumeist einseitig guerillafreundlich.

Zur Diskreditierung der schwarzen Guerilleros trug zu Recht auch der Umstand bei, daß sie untereinander uneins, mehr gegeneinander als gegen den weißen Mann, kämpften. Persönliche Machtkämpfe in den einzelnen Organisationen, tribale Rivalitäten und ideologische Auseinandersetzungen lähmten von Anfang an ihre Schlagkraft.

Den Rebellen gelang es auch kaum, die einheimische Bevölkerung für ihre Sache zu gewinnen. Der lange, im großen und ganzen erfolglos geführte Dschungelkrieg hat auch die Moral der Rebellen geschwächt. Nach mehr als zehn Jahren hat sich der Kampf in den unwegsamen Waldgebieten im Norden Mozambiques und Angolas, im Gebiet um den Karibasee in Rhodesien und in den feuchtheißen Mangroven-sümpfen Portugiesisch-Guineas festgefahren.

Die Gegner der Rebellen sind nicht im geringsten in die Knie gegangen. Zwischen Pretoria, Salisbury und den Behörden in den portugiesischen Überseegebieten besteht vor allem auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiet eine enge Kooperation. So unterstützen seit Jahre südafrikanische „Polizeikontingente“ die Armee Ian Smiths.

Während also auf weißer Seite eine enge Allianz besteht, konnten die schwarzen Guerilleros bisher nur mit verbaler Unterstützung von Seiten Schwarzafrikas rechnen. Außer unzähligen Resolutionen gegen den „verhaßten weißen Rassismus, Imperialismus und Neokolonialismus“, kam es bisher zu keiner gemeinsamen, geschlossenen Aktion des unabhängigen Afrika.

Doch ist das jüngste Manöver Salisburys nicht ein Hinweis für ein Erstarken der Guerilleros? Sind die Guerillaschläge nun für Rhodesien — das offenbar schwächste Glied in der weißafrikanischen Front — so spürbar geworden? Die einheimische Bevölkerung Rhodesiens schließt sich nach Informationen aus Salisbury nun in größerer Zahl den Rebellen an, die nicht nur von Sambia, sondern auch von Mozambique und in jüngster Zeit auch vom südlichen Nachbarstaat Botswana aus rhodesi-sches Gebiet infiltrieren.

War die vorjährige OAU-Gipfel-konferenz in Rabat mehr als wieder nur ein Anlaß und Forum, um Reden gegen das weißregierte Afrika zu halten? Ist der in jüngster Zeit so oft zitierte „Geist von Rabat“ mehr als nur ein Propagandanebel? Im Juni des Vojahres wurde in Rabat eine neue Strategie des Befreiungskampfes diskutiert und die Koordinierung der Guerillaaktivitäten gefordert. Man sprach von der Schaffung einer „Gemeinsamen Front der Befreiungsbewegungen“.

Oder stecken die Chinesen hinter-der neuen Kraft der Guerilleros? Denn die Anwesenhedt der Chinesen in Tansania verfolgt nicht nur den Zweck, das Prestigeobjekt Tan-zam-Bahn zu bauen. Vor einigen Monaten war davon die Rede, daß alle in Tansania anwesenden Guerillaorganisationen unter ein chinesisches Oberkommando gestellt werden sollten, da die Chinesen schon seit längerer Zeit die Ausbildner in

Präsident Kaunda: „Gemeinsamer Aufschrei“den von ihnen angelegten Guerillatrainingscamps stellen. Und die chinesischen Schiffe, die im Hafen von Dar es-Salaam einlaufen, bringen neben Material für den Bahnbau und den Kulis im blauen Drillich auch Waffen und Munition für die afrikanischen Befreiungsorganisationen.

Das jüngste Manöver Rhodesiens erwies sich als das größte Debakel der Smith-Regierung. Die Folgen waren ein schwerer Schlag für das Ansehen Smiths im weißen Club Afrikas — Südafrika und Portugal haben sich distanziert — und zum Teil auch im eigenen Land, wo sich die im November des Vorjahres gegründete neue liberale Oppositionspartei „Rhodesia Party“ im wachsenr den Ausmaß der Unterstützung von Industrie- und Handelskreisen sowie von seiten der intellektuellen Jugend und einiger Großfarmer erfreut. Die „Rhodesia Party'!, könnte sich zu einer echten Gefahr für Smiths regierende Farmer- und Kleinbürgerpartei „Rhodesian Front“ entwickeln, um so mehr, als sie Schützenhilfe von Rhodesiens größter Tageszeitung „Rhodesia Herald“ erhält.

Die Vereinten Nationen verurteilten die rhodesische Grerizschließung und forderten den Rückzug der südafrikanischen Streitkräfte aus Rhodesien. Der Sicherheitsrat beschloß ferner die sofortige Entsendung einer Sondermission in das Krisengebiet. Diese vierköpfige Mission, der auch ein Vertreter Österreichs angehört, hat auch den Auftrag, die Frage zu untersuchen, welche Hilfe an Sambia zur Aufrechterhaltung alternativer Außenhandelswege gewährt werden könnte.

Der als Brüskierung ganz Schwarzafrikas angesehene Schritt Rhodesiens gegen Sambia hat auch eine neue Welle der panafrikanischen Solidarität ausgelöst, die sowohl gemäßigte wie progressive afrikanische Staaten zu einem „gemeinsamen Aufschrei“ gegen die „rassistische Aggression“ inspirierte.

Sambia selbst, das im Vorjahr eine schwere innenpolitische Krise erlebte, welche die Konstituierung des Einparteienregimes zur Folge hatte, steht nun geschlossen hinter Präsident Kaunda, dessen Kabinett fast komplett auf Reisen ging, um unter den afrikanischen Brüdorn, einschließlich Malawi, Zusicherungen für jede Art der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung zu erwirken.

Infolge des rhodesischen Vorgehens hat nun Sambia die für einen späteren Zeitpunkt ohnehin schon geplante Umorientierung seiner Außenhandelsrouten vorzeitig in Gang gesetzt. Der bisher fast zur Hälfte über Rhodesien abgewickelte Außenhandel soll nun größtenteils über den Hafen Dar-es-Salaam geführt werden. Im nächsten Jahr wird der Transport dorthin voraussichtlich schon über die dann — ein Jahr vorfristig — fertiggestellte Tanzam-Bahn erfolgen. Bis dahin wird der Handelsverkehr auf dem Landweg auf der bereits voll benutzbaren, von den Amerikanern gebauten Straße zwischen Tansania und Sambia verstärkt werden.

Der Hafen von Dar-es-Salaam soll dem Transitverkehr nach Sambia, Zaire, Ruanda und Burundi (und dem chinesischen Nachschub) dienen, während der tansanische Güterverkehr über den weiter nördlich gelegenen Hafen Tanga abgewickelt werden soll. Allerdings dürfte die Überbelastung Dar-es-Salaams noch für,, längere, Zeit große Probleme mit sich bringen.

Präsident Kaunda selbst flog am Tag, an dem Smith die Wiedereröffnung der Grenze bekanntgab, nach Arusha, dem im Norden Tansanias gelegenen Sitz der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Dort traf er mit den Präsidenten Nyerere von Tansania und Mobutu von Zaire zu Gesprächen zusammen.- ^

Politisch wird eine solche Wirtschaftskooperation dadurch gefördert, daß sich einerseits Mobutu von seinen bisherigen Bindungen zu den westafrikanischen frankophonen Staaten etwas gelöst hat und sich anderseits wachsende Schwierigkeiten in der Ostafrikanischen Gemeinschaft Tansanias, Kenias und Ugandas zeigen. Tansania hat sich zunehmend ideologisch dem seiner Meinung nach zu wenig „reinen“ Sozialismus Kenias entfremdet, und überdies sind die diplomatischen Beziehungen zum Aminregime in Uganda nach wie vor abgebrochen. Nyereres enge Beziehung zu Peking sind bekannt. Doch auch Mo-butu zeigt sich seit seinem jüngsten Chinabesuch von Maos Reich sehr beeindruckt. Zur nun in Zaire von Amts wegen ausgebrochenen „China-Welle“ gehören unter anderem die Erklärung des Samstags zum Tag der „gemeinsamen Arbeit für die Allgemeinheit“, die Schließung der Bars um 18 Uhr und die Pflicht zum Tragen einer Einheitskleidung.

Haben nun Rhodesiens Kleinbürger und Farmer auch den Katholiken Kaunda in die Netze der Chinesen getrieben? Die Eskalation im südli- . chen Afrika hat jedenfalls der Dialogpolitik Pretorias einen schweren Schlag versetzt, wenn nicht • eine Niederlage zugefügt. Neben dem Nahen Osten und Südostasien scheint somit Afrika zu einem der gefährlichsten Krisenherde der Welt zu werden.

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