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Ethisches Verwirrspiel

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Darf man überhaupt Waffen produzieren? Wenn ja, darf man sie auch verkaufen? Und wenn wie- derum ja, an wen dürfen Waffen verkauft werden?

Die konkrete Frage lautet: Durf- ten Österreicher an den Iran Kano- nen liefern?

Waffen dürfen logischerweise nur dann produziert werden, wenn es Situationen gibt, in denen sie legi- timerweise benützt werden dürfen. Die Erlaubnis der Waffenproduk- tion hängt also davon ab, ob es sittlich gerechtfertigte Kriege gibt.

Es gibt unmoralische Kriege, aber auch legitime Verteidigung. Selbst- verständlich ist die Kirche nicht „für den Krieg", sondern tritt mit Nachdruck für den Frieden ein und hofft, daß es irgendwann in der Zukunft keine Kriege mehr geben wird.

Was den Krieg betrifft, hält sie ihn für eines der schlimmsten Übel überhaupt. Einen Krieg anzuzet- teln ist daher auch als eine der al- lerschwersten Sünden, die über- haupt denkbar sind, anzusehen.

Aus der Perspektive des Ange- griffenen aber gilt: In einer Welt, in der das Böse aber immer wieder eine schreckliche und bedrohende Macht gewinnt, ist eine „legitime Verteidigung" moralisch möglich, ja in manchen Fällen sogar not- wendig.

Schuldig macht sich durch einen Waffen-Verkauf derjenige, der sein Produkt an jemanden verkauft, von dem er mit moralischer Sicherheit annehmen muß, dieser werde da- mit einen unmoralischen Krieg führen - jetzt oder in Zukunft.

Das heißt: Die Annahme, man dürfe Kanonen nur an Regierungen verkaufen, die sicher niemals da- mit schießen werden, ist unsinnig. Wenn Österreich Kanonen erzeugt und verkauft, dann in Hinblick auf deren verantwortungsvolle Ver- wendung, das heißt ausschließlich für den Fall einer extremen Notla- ge, der man nicht anders als durch den Einsatz militärischer Mittel Herr werden kann.

Waffenlieferungen können, so paradox es klingen mag, sogar eine gute Tat sein, ja geradezu eine Verpflichtung darstellen. Dies trifft dann zu, wenn damit einem ver- zweifelten Volk gegen einen über- mächtigen Aggressor entscheidend geholfen werden könnte...

Es ist nicht schwierig, an histori- sche Situationen zu erinnern, wo dies tatsächlich der Fall war oder der Fall gewesen wäre, wenn nicht andere Gründe dagegen gesprochen hätten:

Man denke an die verzweifelte Lage der Kambodschaner unter der Terror-Herrschaft der Roten Khmer, an die Chinesischen Stu- denten bevor sie von den Panzern niedergemacht wurden, an Rumä- nien im Kampf gegen die Securita- te... Österreich darf dem Iran Waf- fen verkaufen, wenn es zur Über- zeugung gekommen sein sollte, daß die Perser die Kanonen zur gerech- ten Verteidigung ihres Landes ein- setzen...

Jeder Manager, der an diesem Geschäft mitwirkt, ist, ethisch ge- sehen, an diesem Grundsatz zu mes- sen: Wenn er über- zeugt ist, daß die Ira- ner sich zu Recht zur Wehr setzten und die Kanonen aller Wahr- scheinlichkeit nach nicht in unmorali- scher Weise (etwa: Beschießen eines Kinderspitals etc.) eingesetzt werden, dann dürfte er - ethisch gesehen - an diesem Verkauf mit- wirken. Ob der Iran einerseits der Ange- griffene war, ande- rerseits aber mit moralischer Sicher- heit die Waffensyste- me nur in verantwor- tungsvoller Weise einzusetzen gewillt war, kann der Moral- theologe als solcher nicht beurteilen. Dieses Urteil können viele andere Leute - sicher auch Noricum- Manager - in viel kompetenterer Wei- se fällen als der Ethi- ker oder Theologe.

Zumindest äußer- lich gesehen scheint allerdings der erste Punkt festzustehen: Die Iraker haben den Krieg begonnen, nicht aber die Iraner. Dies muß dem Iran - .bei aller sonstigen Abneigung gegen manches, was in die- sem Land geschieht - um der Wahrheit willen zugute gehal- ten werden. Der Ver- kauf österreichischer Kanonen an den kriegsführenden Iran kann nicht als in sich unmoralisch be- zeichnet werden. Jeder Manager, jeder Politiker, jeder, der an einem solchen Ge- schäft irgendwie be- teiligt ist, muß in sei- nem Gewissen prü- fen, ob er sich die Fra- ge nach der mora- lischen Erlaubtheit seines Tuns über- haupt gestellt hat, und wenn ja, was er über diesen konkre- ten Krieg und die Ira- ner .gemessen an den genannten Kriterien, wirklich gedacht hat.

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