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Digital In Arbeit

Etikettensdiwindel?

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Die Pläne zur „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ haben eine lange Tradition. Speziell die christlichen Sozialreformer haben sich immer für diese Ideen eingesetzt, denn sie wollten damit einer echten Emanzipation des Arbeitnehmers und der Überwindung der Diskrepanz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dienen. Der Arbeiter als Miteigentümer seiner Arbeitsstätte, der „Lohnabhängige“ überhaupt als Besitzender — das waren die Prinzipien, auf denen einschlägige Initiativen basierten.

Nunmehr hat der Österreichische Gewerkschaftsbund — wie auch zahlreiche andere Gewerkschaften im Westen — diese eigentlich aus der christlichen Soziallehre herkommende Idee aufgegriffen, jedoch in einer Form modifiziert, daß von den seinerzeitigen Intentionen wenig übriggeblieben ist: aus den Plänen zur Verrnögensbildung in Arbeitnehmerhand hat sich ein Konzept gemausert, in dem den Arbeitnehmern eine passive Rolle zufällt, während die Dispositionsgewalt beim Funktionärskader liegen soll:

Die nunmehr propagierte Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wird nämlich von den Gewerkschaften nun als willkommener Anlaß benützt, um das alte Projekt eines zentralen Investitionsfonds zu realisieren. Dieser soll zwar von den Arbeitgebern finanziert werden -* und zwar in der Form, daß sie einen Teil der Abfertigungsrücklagen für ihre Dienstnehmer an ihn abführen. Was damit geschieht, bleibt aber den Entscheidungen eines von politischen und gewerkschaftlichen Repräsentanten besetzen Gremiums überlassen.

Damit werden den Unternehmen dringend benötigte Investitionsmittel entzogen, welche sie dann eventuell — allerdings mit bestimmten Auflagen — wieder vom Fonds als dessen Beteiligungen der Firma oder als Kredit zurückerhalten können. Auf solche Manier sollen die Betriebe — nach schwedischem Muster — immer stärker an die Abhängigkeit der Gewerkschaften geraten. Es geht also um eine quasi Entprivatisierung auf kaltem Weg.

Der einzelne Arbeitnehmer hat

Nicht nur Spanien — Buropa steht eine Stunde bevor, von der man seit langem weiß, daß sie kommen mußte. Sie stellt nicht nur Spanien auf die Probe. Denn „portugiesische“ Entwicklungen würden in Spanien nicht in den vergleichsweise harmlosen portugiesischen Bahnen ablaufen. Kein orientalisches Erbe mildert den kastilischen Fanatismus. Wenn in Spanien geschossen wird, begnügt sich niemand damit, in die Luft zu schießen.

Was kommt, hängt auch vom Verhalten Europas ab. Nicht zuletzt von der Sozialistischen Internationale, von der Union christlichdemokratischer Parteien. Beide müssen sich hüten, den extremeren Flügeln des eigenen Lagers Vorschußlorbeeren zu spenden. Nur die gemäßigten Kräfte der Mitte können Spaniens Demokratisierung gewährleisten. Und dabei kommt es weniger auf ein etwas sozialistischeres oder etwas konservativeres Spanien an, als darauf, gemeinsam Spanien vor den extremen Rechten und Linken zu retten. von diesem „seinen“ Vermögen wenig. Es ist lediglich vorgesehen, aus den beim Fonds akkumulierten Mitteln zwischen 10 und 30 Prozent der Abfertigung bei deren Fälligwerden an den Arbeitnehmer auszubezahlen. Darüber hinaus soll der Fonds die Funktion einer Abfertigungsversicherung für den Konkursfall übernehmen, doch müssen für diese Aufgabe die Firmen noch zusätzliche Beträge zahlen. Eine obligate Abfertigungsversicherung bei bestehenden Versicherungsunternehmen würde wahrscheinlich unbürokratischer sein und billiger kommen.

So wünschenswert auch eine intensivere Vermögensbildung bei sämtlichen Bevölkerungsgruppen, speziell bei jenen Gruppen von Arbeitnehmern, welche sich bisher von solchen Bestrebungen ziemlich ferngehalten hatten, wäre, diesem Ziel bringt uns das Gewerkschaftskonzept keinen Schritt näher. Für eine echte Vermögensbildung wäre beispielsweise die primäre Voraussetzung die Freiwilligkeit der Entscheidung durch die Betroffenen. Das Gewerkschaftskonzept sieht im Gegensatz dazu ein Zwangssystem vor, bei dem jede eigene Aktivität und Entscheidung des Arbeitnehmers ausgeschlossen ist.

Ebensowenig kann der Arbeitnehmer —' und das in einer Ära, in der die Mitbestimmung in sonst allen Bereichen forciert wird — darüber, mitbestimmen, wieviel und welche Art von Vermögen — Bargeld, Wertpapier oder Eigenheim usw. — er bildet. Es fließen ihm auch keine laufenden Erträge zu und er kann auf „sein“ Vermögen bei persönlichen Notfällen auch nicht zurückgreifen. Statt daß der Arbeitnehmer unabhängiger würde, soll er nur in neue Abhängigkeitsverhältnisse gebracht werden. So wird das Konzept der christlichen Sozialreformer durch dieses System geradezu pervertiert.

Während einerseits dabei also der sozialpolitische Zweck verfehlt wird, entstehen gleichzeitig neue wirtschaftspolitische Hypotheken, welche gerade in einer Periode wirtschaftlicher Schwierigkeiten weder den einzelnen Firmen noch der Volkswirtschaft in ihrer Gesamtheit zugemutet werden können.

Was nämlich hier mit dem sympathischen Namen „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ politisch verkauft werden soll, hat mit dem angeblichen Ziel wenig zu tun und man könnte von einem Etikettenschwindel reden. In Wirklichkeit geht es um eine Syndikalisierung der Wirtschaft. Was man offen deklariert für unpopulär hält, soll nun hintenherum — mit einem zugkräftigen Schlagwort — erreicht werden. Das Bedauerliche dabei ist, daß man sich mit solchen Aspirationen immer mehr von der eigentlichen Aufgabe entfernt — nämlich die Arbeitnehmerinteressen zu wahren.

Will man die Vermögensbildung wirklich fördern, so bedarf es keines neuen Instrumentes in Funktionärshand, sondern eines besseren Schutzes der Ersparnisse, gleichgültig in welcher Form sie angelegt wurden. Eine echte Werterhaltungsgarantie — etwa durch den Staat — würde den besten Anreiz für die Vermögensbildung in allen Gruppen der Bevölkerung darstellen. Hingegen führt es, wenn man auf der einen Seite der Inflation freien Lauf läßt, auf der anderen Seite ein kollektives Zwangssparen einführt, nicht zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, sondern man nimmt auf diese Weise dem Arbeitnehmer erst recht alle Lust, Vermögen zu bilden.

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