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Eulenspiegeleien - Zinssatzspielereien Auf die Bremse und aufs Gas zugleich

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Die jüngste Regierungsklausur, die die österreichische Öffentlichkeit mit neuen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Lösung der vielen anstehenden Probleme vertraut machen sollte, brachte nur eine Bestätigung des alten Sprichwortes, es kreißten die Berge, und heraus sprangen zwei kleine Mäuse, eine Investitionsprogramm-Maus, die andere graue Zins-Maus genannt.

Das Mäuschen „10-Jahres-Investi-tionsplan“ hatte eigentlich schon im Oktober die Katze gefressen, wie der „Kurier“ penibel recherchierte: „Dasselbe Programm wurde schon Anfang Oktober dem Nationalrat zugeleitet, als Bericht des Finanzministers und von der Regierung genehmigt.“ Dort wurde es nicht sehr beachtet.

Mit Recht stellte daher Oppositionschef Josef Taus fest, daß es sich um eine bloße Auflistung der mit dem Budget 1978 bereits beschlossenen Investitionsausgaben und deren Fortschreibung für die Jahre bis 1986 handelt. Es gibt eben Dinge, die vergißt man besser gleich oder dank einer Regierungsklausur zweimal.

Schädlicher für das Sparklima in Österreich ist da schon die graue Zins-Maus, die jetzt mittels Diskussionen am Leben gehalten wird und an den Spareinlagenzinsen knabbern soll.

Erst am 2. Jänner hat Hellmuth Klauhs, Generaldirektor der Genossenschaftlichen Zentralbank, des Spitzeninstituts des Raiffeisensektors, und damit verantwortlich für die Verwaltung von mehr als einem Fünftel aller österreichischen Spareinlagen, erklärt, daß eine Bewältigung des Zahlungsbilanzproblems nur über eine Verbesserung der Sparquote zu erreichen sei. Eine Senkung, ja nur die Disskussion, der Spareinlagenzinsen ist kein Beitrag zur Verbesserung des Sparklimas.

Grundsätzlich ist in einem Land mit marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung der Zins der Preis für ein Gelddarlehen. Der Preis wird auch damit begründet, daß derjenige, der spart, einen Konsumverzicht leistet und dafür entlohnt werden muß. Nach der marktwirtschaftlichen Auffassung hat der Zins außerdem die Funktion, das Angebot und die Nachfrage nach Kapital auszugleichen.

Untergrenze für die Spareinlagenverzinsung müßte daher die Inflationsrate sein. Nur dann kann sich nämlich der Sparer nach Abhebung seines Sparkapitals plus Zinsen genau soviel realen Konsum leisten, wie an jenem Tag, da er seine Ersparnisse einem Kreditinstitut zur Verfügung gestellt hat. Damit wurde er aber noch nicht dafür entlohnt, daß er es mit seinen Ersparnissen dem Kreditunternehmen ermöglicht hat, Kredite zu gewähren oder Anleihen zu kaufen.

Gerade aber zu dem Zeitpunkt, da sich in Österreich, nach Jahren, die Inflationsrate mit 4,8 Prozent (November 1977) wieder dem Spareinlageneckzinssatz von 4,5 Prozent annähert, just zu diesem Zeitpunkt fordert der Finanzminister eine rasche Senkung der Spareinlagenverzinsung. Nun könnte man ja diese permanente Enteignung der kleinen Sparer vielleicht als Opfer für die Vollbeschäftigung bringen, wenn es sicher eine Umwegsrentabilität der Spareinlagenzinssen-kung über vermehrte Investitionen gäbe.

Durch eine Zinssatzsenkung kann wohl die Nachfrage nach Krediten erhöht, zumindest aber die Umschuldung von teuren Krediten durch billigere Kredite erreicht werden, nicht aber das Angebot an zur Verfügung stehenden Einlagen oder liquiden Mitteln, wenn gleichzeitig die Notenbank eine restriktive Politik verfolgt. Bisher hatte selbst die Keynesianische Theorie, zu der sich unsere Regierung mehr oder weniger bekennt, angenommen, daß eine Zinssatzsenkung die Folge eines Uberangebots an liquiden Mitteln (Notenbankgeld) ist. Seit Juni 1977 verfolgt die Oesterreichische Nationalbank eine bewußt restriktive Liquiditätspolitik, um damit die Zahlungsbilanz zu verbessern. Ausdruck einer liquiditätsverknappenden Währungspolitik sind aber steigende Zinssätze und nicht fallende.

Solange die österreichischen Kreditinstitute am Geldmarkt neun Prozent und mehr Zinsen für kurzfristige Gelder bezahlen müssen, wird kein Institut von sich aus die grauen Zinsen freiwillig senken. Es würde damit nur bewirken, daß seine Sparer zur Konkurrenz gehen, und es sich dann am Geldmarkt jene Gelder um neun Prozent beschaffen muß, die es mit grauen Zinsen schon um siebeneinhalb bis acht Prozent bekommen hätte. Die Verärgerung der Sparer könnte zudem eine neue, die Zahlungsbilanz schädigende Konsumwelle auslösen.

Die Idee, die Spareinlagenzinsen am Höhepunkt der Zahlungsbilanzschwierigkeiten und der Notenbankrestriktionen zu verbilligen, scheint daher mehr einem Märchenbuch über Eulenspiegel denn einem Lehrbuch der Nationalökonomie entnommen zu sein.

Man kann eben nicht zugleich bremsen und Gas geben, hat erst vergangene Woche der designierte Nationalbankpräsident Koren in einer Club-2-Diskussion gesagt, und es wäre nicht Österreich, hätte nicht auch der österreichische Gewerkschaftsbund der grauen Zins-Maus sofort die Zähne gezogen. Somit wurde auch die zweite große Errungenschaft dieser Regierungsklausur, die Zinssatzdiskussion zur bloßen Zinssatzspielerei.

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