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Europa braucht den Dialog

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Was sagt eigentlich die Schlußerklärung der Sondersynode der Bischöfe für Europa (FURCHE 51/52/1991) einem Politiker? Was kann er, noch dazu als Außenminister, daraus lesen? Alois Mock sieht darin ein Dokument, das nicht nur religiöse Menschen anspricht.

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Was sagt eigentlich die Schlußerklärung der Sondersynode der Bischöfe für Europa (FURCHE 51/52/1991) einem Politiker? Was kann er, noch dazu als Außenminister, daraus lesen? Alois Mock sieht darin ein Dokument, das nicht nur religiöse Menschen anspricht.

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Die Betonung der „vielen Wurzeln", aus denen die europäische Kultur zusammengewachsen ist, das Gewicht, das dem „persönlichen Gewissen, eine der stärksten Ausformungen der menschlichen Freiheit", beigemessen wird, der Nachdruck, mit dem Demokratie, Personenwürde, Subsidiarität und Solidarität als „Säulen einer neuen Gesellschaft beim Aufbau Europas" betont werden, ergeben für Außenminister Alois Mock, wie er im Gespräch mit der FURCHE betont, ein Dokument, das unterm Strich „auch durchaus nichtgläubige Menschen anspricht".

Mit dem Tenor der Schlußerklärung stimmt Mock aber auch dort überein, wo auf die „latenten und konkreten Gefahren" hingewiesen wird, „auf die westlichen Konsumgesellschaften, mit der Ausformung des Egoismus und des Materialismus".

Wenn auch das Dokument ganz besonders die Notwendigkeit des Dialogs und die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, aber auch die Bedeutung enger Beziehungen zum Judentum und zu den Muslimen unterstreicht, spricht der Außenminister vor dem Hintergrund der Realität von der „Bitterkeit", die auch er jetzt emp findet: „Man hätte der Meinung sein können, daß nach der Befreiung vom kommunistischen System das gegenseitige Verständnis und die motivierende Freude so groß seien, daß man nationalistische, auch überlagerte religiöse Gegensätze zurückstellt." Daß dem nicht so ist, erklärt sich Mock mit der „Brutalität des kommunistischen Systems, die ethnische, religiöse Differenzierungen völlig in den Hintergrund treten ließ".

Jetzt brechen unaufgearbeitete Gegensätze hervor, beispielsweise auch in der südlichen Nachbarschaft Österreichs. Zuletzt ist es auf neutralem Schweizer Boden in St. Gallen zu einem Gespräch zwischen Vertretern der katholischen Kirche Kroatiens und der serbisch-orthodoxen Kirche gekommen. Danach, nach einem blutigen Krieg.

Mock zur FURCHE: „Ichsehe darin - Kardinal Franjo Kuharic hat mit bei meinem Besuch in Kroatien davon erzählt - trotzdem eine beachtliche Leistung von beiden Seiten, daß das zustande gekommen ist. Aber es ist sicherlich viel, viel schwerer geworden." Der Dialog „könne Rückschläge erleben, regional erlebt er sie ja auch", aber er kann „auch sicherlich nicht mehr zurückgedreht werden". Und das nicht nur im ureigensten Interesse der Kirche(n).

Europäische Wanderungsbewegungen einerseits, wie sie in der Erklärung der Synode angesprochen werden, und muslimische Bevölkerungsteile andererseits, die im neuen Europa ihren Platz haben müssen: Wie sind da Spannungen vermeidbar? „Man muß versuchen", betont Mock, „politische und religiöse Gegensätze auseinanderzuhalten. Oft ist das schwer, weil es Überlappungen gibt." Man müsse diese Dinge auseinanderhalten und „die Ansätze, die es für ein Gespräch gibt, ausbauen".

Mock: „Ein sehr schwerer Dialog -vor allem im Hinblick auf gewisse extreme und fundamentalistische Akzente." Die gebe es. Umgekehrt: „Wenn ich an den Präsidenten von Bosnien-Herzegowina Alija Izetbegovic denke, ein aufgeschlossener, höchst gebildeter Europäer, k merkt man von die-sen radikalen Ansätzen nichts." Also: „Ich gebe zu, daß zwischen den christlichen Kirchen der Dialog leichter ist, aber ich sehe durchaus auch praktische Ansätze für ein Gespräch mit dem Islam." Und dieses sei - allen Schwierigkeiten zum Trotz - mit Blick auf die europäische Zukunft notwendig.

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