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Europa gerät nun in die Minderheit
Papst Johannes Paul II. hat die Ernennung von 22 neuen Kardinälen und den Namen eines bereits 1979 „in pectore” (geheim) ernannten Purpurträgers bekanntgegeben. Das Kardinalskollegium ist nun größer und internationaler als je zuvor.
Papst Johannes Paul II. hat die Ernennung von 22 neuen Kardinälen und den Namen eines bereits 1979 „in pectore” (geheim) ernannten Purpurträgers bekanntgegeben. Das Kardinalskollegium ist nun größer und internationaler als je zuvor.
Für 28. Juni hat der Papst das fällige Konsistorium angekündigt, bei dem die neuen Kardinäle ihre Insignien erhalten und in das höchste Beratergremium des Papstes aufgenommen werden, das dann eine Rekordzahl von 163 Mitgliedern aufweist. Davon stammt zwar noch die Mehrheit - 87 Kardinäle - aus Europa, aber von den noch nicht 80jährigen Kardinälen, die zur Papstwahl berechtigt sind und deren Zahl auf maximal 120 begrenzt ist, kommt bereits mehr als die Hälfte - 64 - aus anderen Kontinenten.
Die Zusammensetzung des heutigen Kardinalskollegiums trägt bereits deutlich die Handschrift des Wojtyla-Papstes: 101 von Johannes Paul II. ernannte Kardinäle, 87 davon unter 80 Jahren. Viele der neuen Kardinäle sind auch erst vom heutigen Papst zu Bischöfen ernannt oder jedenfalls auf ihre bisher letzten Positionen berufen worden, sei dies ein Kurienamt oder ein Erzbischofsitz.
Geste an die Schweiz
Eine Ausnahme macht dabei die -viele überraschende - Erhebung des noch von Paul VI. ernannten Bischofs von Sion (Sitten) in der Schweiz, Henri Schwery, zum Kardinal. In der Schweiz hatte man insgeheim mit einem Schweizer Kardinal gerechnet, hatte doch Johannes Paul II. schon
1988 mit dem knapp vor dem Konsistorium verstorbenen Theologen Hans Urs von Balthasar einen Schweizer mit dem Kardinalsbirett auszeichnen wollen. Eidgenössische Sorgen, dieser Kardinal könnte Wolfgang Haas heißen, bewahrheiteten sich jedenfalls nicht, Schwerys Ernennung wirkt eher als Geste des Papstes nach den unerfreulichen Vorfällen von Chur.
Der Bischof von Sion gilt nicht nur als gemäßigt konservativ, sondern auch als Verteidiger der Rechte der Ortskirche und hat sich nicht gescheut, am Vatikan Kritik zu üben, als er über Verhandlungen Roms mit den lefev-brianischen Traditionalisten (deren Zentrum Econe in der Diözese Sion liegt) nicht informiert wurde.
Überrascht registrierte man auch, daß der 1979 geheim ernannte Kardinal nicht der Litauer Julijonas Stepo-navicius, sondern der bald 90jährige Bischof von Shanghai, Ignatius Kung Pin-mei ist, der nach langem Hausarrest in seiner Heimat nun in den USA lebt. Wie er sind auch zwei andere unerwartet Ernannte nicht mehr zur Papstwahl berechtigt: der „Altösterreicher” und ehemalige Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland Guido delMestri( 1911 inBanjaLuka geboren) und der seinerzeitige Delegat des Papstes für den Jesuitenorden, Paolo Dezza SJ, der im Päpstlichen Jahrbuch zuletzt nur als Berater der Gottesdienst- und Sakramentenkongregation aufschien.
Mit fast allen anderen Emennungen, die durchwegs „Papstwähler” betreffen, mußte man rechnen. Von der Kurie kamen erwartungsgemäß die Erzbischöfe Sodano, Laghi, Cas-sidy und Angelini zum Zug, weniger erwartet Sanchez und Noe (da hatte man eher Vincenzo Fagiolo, den Präsidenten des päpstlichen Rates für die Auslegung von Gesetzestexten, erwartet). Sichere Tips waren auch der päpstliche Vikar für die Diözese Rom, Ruini, der Primas von Irland, Daly, und die Erzbischöfe von Turin, Sal-darini, von Kinshasa, Etsou, und von Buenos Aires, Quarracino.
Nicht VIk, sondern Korec
Als Repräsentanten der unterdrückten Kirche Osteuropas wurden der unierte Rumäne Alexandra Todea und - überraschend, denn in der CSFR galt der neue Prager Erzbischof Miloslav Vlk als Favorit - der slowakische Jesuit Jan Korec ausgezeichnet, wobei man Todea und Korec zunehmend - hoffentlich zu Unrecht - vorwirft, sie hätten in der Zeit der Verfolgung gegenüber dem jeweiligen Regime nicht nur Widerstandskraft, sondern auch Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Die jüngsten Neu-Kardinäle (alle Jahrgang 1936) sind der Berliner Bischof, Sterzinsky (bereits sein Vorgänger Joachim Meissner wurde Kardinal), der Erzbischof von Los Angeles, Mahony, und der neue Präsident des lateinamerikanischen Bischöfsrates (CELAM), Lopez Rodri-guez.
Und schließlich wird der Purpur auch dem CELAM-Vizepräsidenten Posadas Ocampo und den Erzbischö-fen traditioneller „Kardinalssitze” wie Marseille und Philadelphia, Coffy und Bevilacqua, verliehen. Die als Kardinalsanwärter gehandelten, erst im Vorjahr ernannten Erzbischöfe von Barcelona, Toronto und Santiago de Chile bleiben so wie der neue tschechische Primas vorläufig auf der Warteliste.
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