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Europa, Kirche, Medien

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Als eines der seltenen Beispiele katholischer Tagungen mit konkreten Ergebnissen erwies sich der „Medien-Dialog Mitteleuropa", der in Wien und Graz Medienfachleute der Bischofskonferenzen und katholische Publizisten aus zwölf Ländern vereinte. Abgesehen vom üblichen Effekt, daß alle Teilnehmer viel voneinander lernen konnten, wurde beschlossen, eine Programmbörse für religiöse Radio- und TV-Programme einzurichten und ein „Katholisches Nachrichtennetz Mitteleuropa" (KNNM) zu schaffen, das der religiösen Berichterstattung in den einst kommunistisch beherrschten Reformstaaten wesentliche Impulse geben soll. Die Bedeutung der Tagung wurde dadurch unterstrichen, daß der Päpstliche Medien-Rat durch seinen Präsidenten, Erzbischof John P. Foley, und seinen Vizesekretär, Hans-Peter Röth-lin, sowie der „Rat der Europäischen Bischofskonferenzen" (CCEE) durch seinen Generalsekretär, Bischofsvikar Ivo Fürer, vertreten waren.

In Zeiten großer Berührungsängste zwischen Kirche und Medienwelt bot der „Medien-Dialog Mitteleuropa" ein erfreuliches Kontrastbild. Kardinal Hans Hermann Groer sprach als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz bei einem Gottesdienst mit den Teilnehmern vom „ernsten Auftrag", das Evangelium auch über die Medien zu verkünden. Intendant Ernst-Wolfram Marboe machte gleich bei der Eröffnung des „Medien-Dialogs" klar, daß im ORF Religion kein „Feigenblatt", sondern integraler Bestandteil des Programms ist. Der Präsident des Katholischen Zentrums für Massenkommunikation, Eduard Ploier, betonte, daß das Rundfunkgesetz der Religion im ORF einen Platz zuweise, der die Gefahr der Entwicklung einer „Medien-Sakristei" bannt - vorausgesetzt, die Kirchen nützen die gebotenen Chancen.

Die Teilnehmer aus den Reformstaaten hörten diese Botschaften mit Interesse. Denn angesichts des immer noch starken Einflusses ex-kommunistischer „Macher" in den Rundfunkhäusern findet in mancher ostmitteleuropäischer Bischofskonferenz die Illusion vom kircheneigenen „Evangeliums-Sender" Anhänger. Ohne daß die österreichischen Verhältnisse heiliggesprochen worden wären, machte das Modell der Religionsabteilungen in der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ORF dagegen gute Figur. Hubert Gaisbauer (Hörfunk) und Peter Pawlowsky (Fernsehen), die Leiter der Religionsabteilungen, zeichneten kompetent das Bild einer „partnerschaftlichen, freien und vertrauensbildenden Zusammenarbeit" mit den Kirchen, die sich an den „Bedürfnissen der Hörer und Seher orientiert".

Lob erntete der ORF auch von Erzbischof Foley, nicht nur im Hinblick auf die Vergangenheit, als die Religions-Sendungen aus Österreich für Millionen Katholiken in den KP-beherrschten Ländern fast die einzige Kirchen- und Glaubensinformation boten. Er zeigte sich auch dankbar dafür, daß der ORF zu jenen Rundfunkanstalten zählt, die sich an der Besinnung auf die gemeinsamen Wurzeln Europas beteiligen. Dabei stellte der Amerikaner aus dem Vatikan unmißverständlich klar, daß Rom keine integralistischen Absichten hegt, wenn von Besinnung auf die christlichen Wurzeln zur Stärkung des Europa-Gedankens die Rede ist: Diese auf das Fundament bezogene Einheit sei natürlich nicht auf Christen -oder gar auf Katholiken-beschränkt, sondern schließe alle ein, die „an Gott glauben oder sich den Werten der Würde der Person verpflichtet wissen".

Genau diesen Respekt vor der Würde der Person - und die „Verteidigung eines gesellschaftlichen Freiraums gegen alle Herrschaftsgelüste des Staates" - bezeichnete dann Kardinal Franz König in seiner aufsehenerregenden „Medien-Dialog"-Rede in Graz als die eigentliche, bis heute bestimmende große kulturelle Leistung dieses aus christlichen Wurzeln gewachsenen Europa. Die Rede Kardinal Königs war ein einziges Plädoyer für Freiheit in Verantwortung, für Offenheit und Dialog. Die katholische Kirche wäre nach Ansicht des Kardinals schlecht beraten, ginge sie von ihrer in der Ära des Zweiten Vatikanischen Konzils praktizierten offenen und freimütigen Haltung gegenüber den Medien wieder ab.

Der Wiener Alterzbischof zitierte seinen Appell an katholische Journalisten zum Auftakt des Zweiten Vaticanums: „Warten Sie nicht auf den Bischof, nicht auf eine Nachricht aus Rom, sondern mahnen Sie, wo Sie glauben, mahnen zu müssen, drängen Sie, wo Sie glauben, drängen zu müssen, informieren Sie, wo immer sich eine Gelegenheit bietet." Das Konzil - das ursprünglich in Abgeschlossenheit tagen sollte - habe sich dem „unmittelbaren Gespräch mit der ganzen Kirche und darüber hinaus mitder ganzen ,Welt' geöffnet", wobei die Medien Mittler dieses Gesprächs waren - und sei gut dabei gefahren. Ihm sei bewußt, daß Offenheit auch mißbraucht werden könne, meinte König. Aber: „Sich abzukapseln, über die Medien gleichsam im Kollektiv den Stab zu brechen und mit ihnen .nichts mehr zu tun haben' zu wollen, das wäre eine falsche Reaktion".

Das Plädoyer Kardinal Königs für eine „dialogische" Kirche stieß gerade bei den Teilnehmern aus den Reformstaaten auf ungeteilte Zustimmung, die sich offensichtlich der Gefahren eines „monologischen" Kurzschlusses voll bewußt sind. Sowohl Kardinal König als auch Bischofsvikar Fürer machten aber auch deutlich, daß in der neuen Situation die katholischen Teilkirchen im Osten und im Westen des europäischen Kontinents

- auch im Medienbereich - immer zugleich Gebende und Empfangende sind: Niemand hat Patentrezepte.

„Styria"-Generaldirektor Hanns Sassmann bezeichnete es als „gutes Omen", daß der „Medien-Dialog Mitteleuropa" die erste Veranstaltung im neuen - mit dem Staatspreis in Gold ausgezeichneten - Druck- und Verlagszentrum in Graz-Messendorf war. Die „Styria" bleibe so ihrem Grundauftrag, bei der Verkündigung des Evangeliums in Offenheit und Unabhängigkeit mitzuhelfen, treu.

Der von mehreren katholischen Medieneinrichtungen - darunter neben „Styria" auch „Kathpress" und Me-dienförderungs-Verein CLIRC A - im Einvernehmen mit der Bischofskonferenz getragene „Medien-Dialog" erwies sich insgesamt als interessanter Beitrag zur vielberufenen „Neu-Evangelisierung". Dies freilich genau in dem Sinn, den der Chefredakteur der polnischen katholischen Zeitung „Tygodnik Powszechny", Jerzy Turowicz, bei der Entgegennahme des „Kardinal König-Preises" der „Neu-Evangelisierung" gegeben hatte: ein dialogischer Vorgang, der die wesentlichen Werte der modernen Welt respektiert, sich aber dabei ihrer geistigen Krise bewußt ist, jedoch fern allem „Fundamentalismus" und aller Intoleranz...

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