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Europa vor der Katastrophe?
Angesagte Revolutionen finden nicht statt, Totgesagte leben länger. Nun wird das Ende Europas verkündet. Die Franzosen werden ihm den Garaus machen. Wenn es um die Wahl zwischen nationaler Identität und supranationaler Solidarität geht, scheint jedem Staat - Meinungsumfragen in Frankreich belegen dies - das nationalfarbene Hemd näher als der blaugetönte Rock Europas.
Den Katastrophenpropheten, für die ein Nein Frankreichs zum Maastricht-Vertragswerk das Aus des bisherigen Integrationsprozesses bedeutet, stehen die Beschwörer einer Vision Europas gegenüber, die auf absolute Einheit abzielt. Übersehen wird von den einen das bisher Erreichte, von den anderen die Prozeßhaftigkeit der Integration.
Daher wird ein französisches Veto am 20. September den Integrationsprozeß kaum stoppen. Immer mehr Staaten erkennen, daß es keine Alternative zur Vision einer europäischen politischen Union gibt.
Europa-Politik bedeutet aber momentan noch immer nicht Kooperation auch auf außen- und sicherheitspolitischem Gebiet, sondern ist zunächst der Versuch, mittels wirtschaftlicher Integration Staaten aneinander zu binden und gewisse Gefahren zu minimieren. Sicherheitspolitische Sonderwege bilateraler Natur sind da immer drinnen, wie das kürzlich aufgestellte deutschfranzösische Korps beweist.
Im Umfeld der gewaltigen gesamteuropäischen Umwälzungen wird auch eine Wechselwirkung spürbar, die auf Westeuropa abfärbt. Die Rückbesinnung auf nationale Werte in Osteuropa
- bis hin zum Chauvinismus - bleibt für den Westen nicht ohne Folgen. Jetzt erst wird der Weitblick von EG-Kommissionspräsident Jacques Delors erkennbar, der von einem Europa der konzentrischen Kreise, der schritt- und stufenweisen Erziehung und Heranführung mittel- und osteuropäischer Länder ans EG-Kerneuropa gesprochen hat.
Für Österreich sollte daher gelten: Weiterhin enorme Anstrengung, um die Verbreiterung der EG zu erreichen, Mitbestimmung des künftigen Kurses einer in der jetzigen Form fragwürdig gewordenen Politunion, Absage an jene Politgrößen, die, wie Jörg Haider, mit der „jetzigen" EG nichts zu tun haben wollen - es gibt immer nur eine konkrete Verwirklichung der Europa-Idee, Po-litabstraktionen haben hier nichts verloren - und der Versuch, mit den neuen mitteleuropäischen Kleinnachbarstaaten auf gleich zu kommen. Denn Fortstehlen aus der Geographie und Geschichte
- wie es sogar bei seinerzeitigen Mitteleuropa-Visionären den Anschein hat
- kann und darf sich Österreich nicht.
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