7049471-1990_47_03.jpg
Digital In Arbeit

Europagipfel

Werbung
Werbung
Werbung

Ab jetzt wird es noch sicherer in , Europa. Mit dem am Montag, 19. November, im Pariser Ely-see-Palast von den 22 Allianzstaaten (16 NATO- und sechs Warschau-er-Pakt-Staaten) unterzeichneten Abkommen über konventionelle Abrüstung in Europa, das aus den Wiener Verhandlungen über kon-ventionelle Streitkräfte in Europa (VKSE) hervorgegangen ist, sowie dem ebenfalls in Wien ausgehan-delten Vertrag über neue vertrauens- und sicherheitsbildende Maß-nahmen (WSBM) geht Europa in eine neue Phase.

Die Obergrenzen für sogenannte konventionelle Streitkräfte sind festgelegt (siehe Kasten). Die wich-tigste Übereinkunft im vertrauens-bildenden Bereich ist die Einrichtung eines Mechanismus zur Erörterung ungewöhnlicher und nicht angekündigter Militäraktionen. Jedes KSZE-Land hat demnach das Recht, Aufklärung über solche Aktivitäten innerhalb von 48 Stun-den zu verlangen, wenn dies nicht erfolgt, auf ein bilaterales Treffen zu bestehen und schließlich ein Treffen aller Teilnehmerstaaten zu fordern.

Was in den neuen KSZE-Doku-menten noch keinen Niederschlag gefunden hat, ist die Entwicklungeines regionalen Konzeptes für das KSZE-Europa. Die Herausbildung neuer Staatsgebilde im nationali-stisch gesinnten ehemaligen kom-munistischen Osteuropa - eine neue Herausforderung für Europas Si-cherheitspolitik - wurde begreifli-cherweise noch nicht berücksichtigt.

Die Zukunft des KSZE-Prozesses, der jetzt beim Pariser Gipfel der Staats- und Regierungschefs der KSZE-Staaten abgesegnet wurde, und damit wohl auch die Zukunft Europas, wird durch eine "Pariser KSZE-Charta" festgelegt, die in Wien vorbereitet wurde.

Die dreiteilige Charta beschreibt zunächst die tiefgreifenden politi-' sehen Veränderungen im vergan-genen Jahr in Europa, die Heraus-bildung von Demokratie, Rechts-staatlichkeit sowie die Anerkennung der Menschenrechte in Osteuropa und streicht diese als Fundamente des neuen Europa heraus.

Richtlinien für die KSZE-Zukunft werden im zweiten Kapitel gegeben. Die wichtigste Bestimmung ist wohl die Option auf einen Ausbau der Menschenrechte und der menschlichen Kontakte in Europa - eine ideelle Forderung, die in der Praxis ständig unterlaufen wird. Ein besonderes Anliegen der KSZE werden künftig die nationalen Minderheiten in Europa sein. Zu diesem Problemkreis wird es im kommenden Juli in Genf ein Expertentreffen geben. Eine weitere derartige Konferenz wird sich in Oslo mit den demokratischen Institutionen in Europa beschäftigen. Vom Europarat, dessen 24. Mitglied vor kurzem Ungarn geworden ist (die CSFR und Polen sollen bald folgen), werden verstärkte Beiträge zur menschlichen Dimension des KSZE-Prozesses erwartet.

Zur Sicherung der Zukunft Eu-ropas - so heißt es in der Charta des weiteren - sollen die VSBM- und KSE-Verhandlungen bis zur KSZE-Folgekonferenz 1992 in Hel-sinki fortgesetzt werden (mögli-cherweise wieder in Wien).

Das neue Europa wird vom Prinzip der und von der Verpflichtung zur Gewaltlosigkeit bestimmt, Ge-waltandrohung müßte damit passe sein. Ein in Wien angesiedeltes Kon-fliktverhütungszentrum soll der friedlichen Beilegung von Streit-und Konfliktfällen dienen.

In der "Pariser Charta" sprechen sich die KSZE-Staaten auch für eine verstärkte wirtschaftliche Ko-operation unter marktwirtschaft-lichen Prinzipien aus. In diesem Zu-sammenhang wird auf die zentrale Rolle der EG für die Entwicklung Europas hingewiesen, gewissermaßen ein Konnex zwischen EG und KSZE hergestellt.

Neue Strukturen und die damit beginnende Institutionalisierung des KSZE-Prozesses beschreibt das dritte Kapitel der Charta. Gipfel- und Folgetreffen soll es in Zukunft alle zwei Jahre mit einer j ewei-ligen Dauer von drei Monaten geben. End-loskonferenzen will man damit hintan-halten. Eingerichtet wird ein Rat der KSZE-Außenminister, der einmal pro Jahr zu regulären politischen Konsultationen tagen soll. Vorbereitet, begleitet und ausgeführt sollen diese Konferenzen vom KSZE-Sekretariat werden, das seinen Sitz in Prag haben wird. Die erste Ratstagung findet im Juni 1991 in Berlin statt. Das schon ge-nannte Konfliktver-hütungszentrum wird es - mit 14 Leuten besetzt - in Wien geben. Ein Büro zur Beobachtung und Unterstützung von freien Wahlen wird in Warschau eingerichtet.

Mit Ausnahme der USA haben - wie die FURCHE vergangenen Woche bereits berichtete - bis jetzt alle KSZE-Staaten auch für eine parla-mentarische Veran-kerung der KSZE auf der Basis der parla-mentarischen Ver-sammlung des Euro-parates plädiert. Die Amerikaner sind des-wegen dagegen, weil sie befürchten, in be-stehende Institutionen und Sachen hineingezogen zu werden, wo sie dann nur mehr ein Anhängsel sind. Trotzdem will man seitens der KSZE verstärkt die Straßburger Infra-struktur nützen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung