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Europas Bischofskonferenzen suchen Kontakt miteinander

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Es war ein eindrucksvolles Bild, als kürzlich am Altar des Kölner Doms höchste Würdenträger der Kirche aus den europäischen Ländern gemeinsam die Eucharistie feierten. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte die Vorsitzenden der benachbarten Bischofskonferenzen eingeladen, um mit diesem Gottesdienst den 70. Geburtstag von Kardinal Joseph Höffner, des derzeitigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und den am 6. Februar zu begehenden 90. Geburtstag von Kardinal Joseph Frings zu feiern. Uber diese Anlässe hinaus könnte ein Zeichen für die Zukunft gesetzt worden sein. Von Köln aus gingen im 19. Jahrhundert Initiativen für die gesellschaftliche Verantwortung der Kirche, nach dem Zweiten Weltkrieg mit „Misereor” und „Adveniat” Anstöße, den Blick auf die Weltkirche zu richten. Vielleicht kann der Ort ein gutes Omen sein.

Die Kirche Europas um den Altar in der Vierung versammelt - für Kardinal Franz König war dies die Gelegenheit, in seiner Predigt über die Bedeutung der beiden Kardinäle hinaus von den geistigen Grundlagen Europas zu sprechen. Die Krise, in der Europa steckt, kann nur überwunden werden, wenn die gemeinsame „Heimat” der europäischen Völker, diese Schicksalsgemeinschaft, sich auf ihren gemeinsamen Ursprung besinnt. Europa ist vom Beginn seiner Geschichte an - Kardinal König verwies auf Karl den Großen - christlich geprägt. Dieses Fundament, das über die nationalen Grenzen und über die Eigenheiten der europäischen Völker und Stämme hinaus verbinden könnte, droht, in der Gefahr, dem Materialismus zu verfallen, vergessen zu werden.

Christentum als Urgrund Europas - eigentlich ist es verwunderlich, daß į die Kirche erst jetzt Europa selbst als | Aufgabe entdeckt. Viokergeführt werden damit auch Appelle des im letzten Jahr verstorbenen Kardinals Julius Döpfner (München) und des ehemaligen Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Bernhard Vogel. Kardinal Höffner und der bayerische Kultusminister Hans Maier als deren Nachfolger haben dies aufgegriffen und sich selbst auch als Aufgabe gestellt.

Die Kirche ist da gerade noch am Anfang. Es ist eben doch kein „normaler” Vorgang, wenn der Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz, Kardinal Vicente Enrique y Tarancön in Deutschland einen Besuch macht; er war nicht nur zum gemeinsamen Pontifikalamt gekommen, sondern hatte Tage zuvor schon Gespräche mit dem Vorsitzenden und dem Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, mit dem Katholischen Büro in Bonn und anderen kirchlichen Stellen geführt. Der Erzbischof von Madrid mochte seinen Besuch als „normal” bezeichnen, um ihm jeden spektakulären Anstrich zu nehmen, der von der politischen Situation seines Landes hergerührt hätte. Im Blick auf eine europäische „Einigung” der Kirche aber war dieser Besuch ein Anfang und eben doch noch nicht normal.

Immerhin, ein Anfang ist gemacht, und Tarancöns Besuch ist ein Zeichen dafür. Als nach dem Zweiten Vatikani- schenKonzil in den einzelnen Ländern die nationalen Bischofskonferenzen gegründet wurden - allein die deutsche Kirche konnte eine über hundertjährige Erfahrung aufweisen, da die erste deutsche Bischofskonferenz, eine Kölner Anregung, schon 1848 tagte -, machten die Kirchen neue Erfahrungen mit der Kollegialität der Bischöfe. Die nachkonziliaren Entwicklungen beschäftigten die Bischofskonferenzen stark mit den kirchlichen Problemen im eigenen Land; Europa kam, beinahe zwangsläufig, aus dem Blick. Jetzt ist es Zeit, wieder an die Einheit zu denken, an die Einheit der Kirche; die gemeinsamen geistigen Grundlagen Europas werden dann damit auch wieder deutlich-

Eine Voraussetzung dafür ist, daß man wieder voneinander weiß, daß man Entwicklungen in der Kirche eines Nachbarlandes zur Kenntnis nimmt und als Möglichkeit, dabei für sich selbst zu lernen, wahrnimmt. Der Besuch von Kardinal Tarancön hat ihm, nach seinen Worten, eine Fülle von Anregungen gegeben. Er hat das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Deutschland studiert und als System der kooperativen Trennung gelobt, wenn er auch einschränkte, daß dies nicht so einfach auf Spanien übertragbar ist. Der Madrider Erzbischof hat sicher mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, daß in Deutschland nicht nur seit 1848 eine Bischofskonferenz besteht, sondern daß zur gleichen Zeit eine eigenständige Laienbewegung entstanden ist, die sich im Zentralkomitee der deutschen Katholiken organisiert und die sich mit den Bischöfen, aber nicht unter deren Anleitung, sondern eigenverantwortlich, um die gesellschaftlichen Aufgaben gekümmert hat. Hier wurde die vom Zweiten Vatikanischen Konzil betonte eigene Verantwortung der Laien für bestimmte Bereiche vorweggenommen. Die Spitze des Zentralkomitees hat immer wieder beklagt, daß es auf der europäischen Ebene nahezu keine Gesprächspartner gibt; inzwischen sind in anderen Ländern langsam vergleichbare Gremien der katholischen Laien im Entstehen begriffen, die dann auch übernational kooperieren können.

Die Bischofskonferenzen in den europäischen Ländern haben schon seit längerem einen gemeinsamen Rat gebildet; dessen Vorsitzender ist der Erzbischof von Marseille, Roger Et- chegaray. In diesem Rahmen werden gemeinsam Probleme erörtert, auch um auf der weltkirchlichen Ebene ähnlich geschlossen auftreten zu können wie etwa die Bischöfe Afrikas oder Lateinamerikas. Hier ist nicht nur Spanien volles Mitglied - im Gegensatz zum politischen Europa; hier können auch, was besonders bemerkenswert ist, die Bischofskonferenzen aus dem Osten Europas mitwirken.

Man sollte nicht übersehen, daß zu Europa auch die Länder gehören, die unter kommunistischer Herrschaft stehen. Beim Pontifikalamt in Köln fehlten sie; nur die Berliner Bischofskonferenz war durch den Bischof von Meißen, Gerhard Schaffran, vertreten. Der Westen, der in einer geistigen Krise steckt, kann hier ein Empfangender werden, denn es wird eine besondere Kraft der Kirche sichtbar, auf die Kardinal König in seiner Predigt hinwies: „In den gekreuzigten Staaten des Ostens erweckt Gott heute Propheten und Blutzeugen, heroische Männer und Frauen, die ihren Glauben freimütig vor dem Richter bekennen, so wie die Christen der Urkirche.” Der Name des kürzlich verstorbenen Prälaten Carlo Bayer, der zuletzt in Wien das Hilfswerk für die Kirchen in den Ländern unter kommunistischer Herrschaft geleitet hat, steht hier für eine Solidarität, die über unüberwindbar scheinende Grenzen hinweggeht, upd die nicht nur einseitig gesehen werden darf.

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