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Europas Einfluß in Südamerika

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Wahlen in Lateinamerika werden intensiv von Europa aus beobachtet. So war es beim Referendum in Chile vergangene Woche. Ein junges Phänomen: Parteien-Außenpolitik.

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Wahlen in Lateinamerika werden intensiv von Europa aus beobachtet. So war es beim Referendum in Chile vergangene Woche. Ein junges Phänomen: Parteien-Außenpolitik.

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Peter Jankowitsch

Eine der aufregendsten neuen Erscheinungen auf dem internationalen Parkett ist die Parteien-Außenpolitik. Der Schauplatz dieser ungewohnten Aktivitäten ist vor allem Lateinamerika. Hier werden Parteien-Schlachten um ideologische Einflußsphären ausgefochten, die — unorthodox gesehen — als Verlagerung westeuropäischer Innenpolitik in die Dritte Welt angesehen werden können.

Am bekanntesten ist die Lateinamerika-Politik der Sozialistischen Internationale (SD geworden. Lange war die Organisation mit Sitz in London introvertiert nur mit Europa befaßt, aber 1976 begann sie eine offensive Lätein-amerika-Politik, um eine Alternative für soziale Entwicklungen gegenüber dem USA-Modell zu bieten.

Die SI hatte in Lateinamerika einen bemerkenswerten Erfolg. Viel Verdienst daran gebührt der Bonner Friedrich-Ebert-Stif-tung, deren junge, zornige, aber auch kompetente Mitarbeiter erfolgreich Kontakte knüpften und knüpfen.

Das beste „Produkt“ solcher Partei-Außenpolitik — in diesem Fall die der SI — mit ihren organisatorischen, finanziellen und ideologischen Hilfestellungen ist Rodrigo Borja, der Präsident von Ekuador, der Anfang August dieses Amt übernahm.

Der Erfolg der SI forderte die europäischen bürgerlichen Parteien heraus. Anfang der achtziger Jahre reagierten sie mit der Gründung der Internationalen Demokratischen Union (IDU), hervorgegangen aus der Europäischen Demokratischen Union (EDU, als deren Präsident Alois Mock unlängst wiedergewählt wurde). Ihre Büros befinden sich in London und in Wien. Die bundesdeutsche Konrad-Adenauer-Stiftung arbeitet in ihrem Vorfeld. Österreich hat bekanntlich keine den bundesrepublikanischen Stiftungen vergleichbare Einrichtungen.

Die IDU „verlor“ mit dem Amtsantritt von Borja Ekuador, behält jedoch Jamaika, die Dominikanische Republik, Guatemala und El Salvador als „eigene“ Positionen. Haiti war mit Präsident Leslie Manigat kurz in IDU-Han-den, ging aber mit dessen Sturz durch die Militärs im Juni wieder verloren.

Freilich ist solche IDU-Selbst-einschätzung nicht ganz unangefochten. Denn bereits seit den fünfziger Jahren residiert in Brüssel die Christdemokratische Internationale (CDI), deren europäische Mitglieder sich zum Teil mit denen der IDU decken. Zudem gibt es in Lateinamerika eine eigene grenzübergreifende Organisation der Christdemokraten, die ODCA, mit Sitz in Caracas. Im Vorjahr beschloß diese, nur eine Mitgliedschaft zu tolerieren: also CDI oder IDU. Das erste Resultat:

Mittelamerikas Christdemokraten gehören jetzt eindeutig in das ODCA/CDI-Lager.

Ebenfalls schon viele Jahre alt ist die Liberale Internationale (LI) mit ihrem Hauptbüro in London. Österreichs Freiheitliche sind zwar Mitglieder der LI, werden aber wegen ideologischer Differenzen nicht sonderlich ernst genommen - und fallen deshalb in Südamerika wenig ins Gewicht.

Für die Bundesrepublik Deutschland ficht in Lateinamerika wiederum eine Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Brückenköpfe der LI sind Kolumbien und Honduras. In Nikaragua wird mit Sorgfalt die (oppositionelle) liberale Schwesterpartei als eine Option für die Zukunft aufgebaut.

Neben dem regen ideologischen Wettbewerb um internationale Parteien-„Claims“ gibt es aber auch Grauzonen, wo die Zugehörigkeit nicht eindeutig zu klären ist, weil ein Vergleich mit der europäischen Parteien-Wirklichkeit nicht möglich ist.

Sowohl SI als auch LI umwerben Argentiniens Präsidenten Raul Alfonsin, dessen Partei — die Union Civica Radical — beiden Internationalen attraktiv erscheint. In Mittelamerika jedoch nimmt die SI — sehr zum Ärger der USA — eine revolutionäre Position ein und hält Kontakt zu den Sandini-sten.

Alle Internationalen sind recht glücklos in Brasilien, dessen Parteienlandschaft eigenen Gesetzen gehorcht. Eine vom Gewerkschafter „Lula“ aufgebaute Arbeiterpartei mit hartem Kern in Sao Paulo weigert sich sogar, der SI beizutreten.

Ebenfalls autonom will die mexikanische PRI-Staatspartei bleiben. Sie unterhält eine eigene lateinamerikanische Parteienkooperation, die COPPPAL, in der die Westeuropäer nicht vorkommen. Und in Argentinien versucht Präsident Alfonsin eine ähnliche, ausschließlich lateinamerikanische Demokratie-Gruppierung zustande zu bringen.

Trotz mancher Konfusion, Eifersüchtelei und ideologischer Konkurrenz zwischen den Parteien-Internationalen konnte Westeuropa über diese eine ganz neuartige transstaatliche Kooperationsschiene nach Lateinameri-ka legen. Sie funktioniert'inzwi1' sehen immerhin so eindrucksvoll, daß die USA — von dieser Entwicklung überrascht — eine Stiftung ins Leben riefen, die „National Endowment for Democracy“, *um mit den Westeuropäern in Lateinamerika mitziehen zu können. Diese Stiftung wird von beiden Parteien des US-Kongresses getragen.

Die jüngste Schlacht der europäischen Parteien-Internationalen wurde in Chile gefochten. Zum Referendum am 5. Oktober flogen viele internationale Beobachter — darunter Österreichs Ex-Außenminister Peter Jankowitsch — ein, um Zeugen des merkwürdigen Referendums zu werden, mit dem General Augusto Pinochet sich bestätigen lassen wollte, das er aber eindeutig verlor.

Das „Nein“ der demokratischen Opposition Chiles zu Pinochet ist nicht zuletzt Ergebnis der intensiven Parteien-Kooperation der letzten Jahre, ohne die die demokratischen chilenischen Oppositionsparteien nicht hätten überleben können.

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