6866946-1978_07_07.jpg
Digital In Arbeit

Europas energiepolitische Unabhängigkeit ist gefährdet

19451960198020002020

Das öl, das Moskau in das Feuer am Horn von Afrika gegossen hat, tut seine Wirkung: In der letzten Woche schlugen die Flammen im Kampfgebiet von Ogaden wild empor. 80.000 Mann der äthiopischen Streitkräfte, unterstützt von kubanischen und osteuropäischen Militärexperten und Soldaten, traten zum entscheidenden Schlag gegen die Guerillas der westsomalischen Befreiungsfront sowie regulären somalischen Truppen an, die die Ostprovinz Ogaden besetzt hatten. Eines ist den westlichen politischen Beobachtern jetzt klarer denn je: Vom Ausgang des somalisch-äthiopischen Konfliktes hängt auch weltpolitisch Entscheidendes ab, denn Moskau hat in diesem „Politpoker“ zuviel gesetzt.

19451960198020002020

Das öl, das Moskau in das Feuer am Horn von Afrika gegossen hat, tut seine Wirkung: In der letzten Woche schlugen die Flammen im Kampfgebiet von Ogaden wild empor. 80.000 Mann der äthiopischen Streitkräfte, unterstützt von kubanischen und osteuropäischen Militärexperten und Soldaten, traten zum entscheidenden Schlag gegen die Guerillas der westsomalischen Befreiungsfront sowie regulären somalischen Truppen an, die die Ostprovinz Ogaden besetzt hatten. Eines ist den westlichen politischen Beobachtern jetzt klarer denn je: Vom Ausgang des somalisch-äthiopischen Konfliktes hängt auch weltpolitisch Entscheidendes ab, denn Moskau hat in diesem „Politpoker“ zuviel gesetzt.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Angriff der Äthiopier kam nicht überraschend. Seit Wochen schickte Moskau Rüstungsgüter nach Äthiopien, bewaffnete die Soldaten des Militärregimes von Addis Abeba bis an die Zähne. Man spricht von Waffenlieferungen im Werte von rund 15 Milliarden Schilling. Auch Israel, das in dem Konflikt paradoxerweise auf der Seite des Kremls steht, weil es in diesem Raum seine eigene Politik verfolgt, unterstützt Äthiopien mit modernen Waffen. Klar, daß Kubas Fidel Castro auch in diesem Krieg wieder seine Finger im Spiel hat: Mindestens 3000 Kubaner kämpfen bereits Seite an Seite mit den Äthiopiern, und kubanische Piloten sollen auch sowjetische MiG-21- und -23-Jäger bei den Bombenangriffen auf somalische Städte steuern. Weitere 3000 bis 6000 kubanische Soldaten haben verschiedenen Berichten zufolge Havanna bereits verlassen und sind auf dem Weg nach Äthiopien. Castro erfüllt die Rolle als Moskaus militärische Vorhut in der Dritten Welt demnach weiterhin musterknabenhaft

Während also Äthiopiens starker Mann, der Chef der marxistischen Militärjunta, Haile MengistuMariam, eine Supermacht hinter sich weiß, die ihn mit Menschen und Material unterstützt, sucht Somalias Staatschef Siad Barre inzwischen schon verzweifelt nach Verbündeten, die ihm ähnlich tatkräftig wie seinem Gegner die Sowjets, unter die Arme greifen Persien, Saudi-Arabien und Ägypten haben ihm schon Hilfe zugesichert, doch die Vereinigten Staaten, die Barre im vergangenen Herbst zum Hinauswurf der Sowjets ermutigt hatten, scheinen bisher den somalischen Hilferufen gegenüber taub zu sein, sehen keinen Grund - wie ein hoher Offizier erklärte -, sich in dieser Gegend militärisch zu engagieren.

Dabei würde ein Blick auf die Landkarte genügen, und den Militärexperten im Pentagon würde klar werden, daß es sich am Horn von Afrika nicht um irgendeine „Gegend“ handelt, sondern um einen strategischen Raum mit weltpolitischer Bedeutung. Aber in Washington wirkt das Vietnam-Debakel noch immer nach, man hofft vielmehr, daß die Sowjets hier eine ähnliche Schlappe erleben wie die Amerikaner in Südostasien

Tatsache ist, daß am „Horn“ auch die energiepolitische Unabhängigkeit Europas verteidigt wird. Von hier aus kann der Ausgang des Roten Meeres kontrolliert werden und falls sich die Sowjets festsetzen können, sitzen sie praktisch mit der Schere an der Lebensader für die nahöstlichen Erdölstaaten genauso wie für Europa.

Daneben haben die Sowjets auch noch andere Ziele vor Augen: Sie wollen sich in Afrika endgültig einen sicheren Stützpunkt schaffen, außerdem ein stabiles marxistisches Regime in Äthiopien installieren, das nach und nach auch die Nachbarstaaten revolutionär infizieren soll. Schließlich geht es dem Kreml auch um einen Rachefeldzug: Somalia soll für seinen frechen Hinauswurf eine kräftige Lektion erteilt werden

Insofern dürfte das Ziel der jüngsten äthiopischen Offensive nicht nur die Rückeroberung der Ostprovinz Ogaden sein, wie dies in Addis Abeba öfters betont wurde. Den Sowjets ist es jedenfalls an mehr gelegen. Wie aus verschiedenen Nachrichtenquellen verlautete, sind es bereits die Osteuropäer und Kubaner, die in der äthiopischen Hauptstadt den Ton angeben. So gesehen sind die amerikanischen Hoffnungen wiederum berechtigt: Der Haß der äthiopischen Bevölkerungsmehrheit gegen die ausländischen Söldner soll nämlich von Tag zu Tag größer werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung