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Europas Hoffnung

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Sicherheit per Vertrag? „Direkt“, formuliert es Vittorio Mathieu, Professor für Moralphilosophie an der Universität Turin, „kann ein Vertrag für die Erhaltung des Friedens sehr wenig tun“. Indirekt kann er mehr wirken: Durch Zusammenarbeit zum Frieden. „Je mehr die Zusammenarbeit europäischer Völker steigt, desto mehr nehmen die sachlichen Gründe für die Friedenserhaltung zu“ (Mathieu).

Zusammenarbeit: Die Verantwortung dafür liegt bei den Staatsverwaltungen wie bei den Menschen.

Demnächst begegnen sich die Staatsverwaltungen bei der Wiener Nachfolgekonferenz der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE). Das ist die politische Ebene.

Nicht im Gegensatz zur Politik, aber außerhalb von ihr, erfährt der mit den Schlußakten von Helsinki initiierte Prozeß dynamische Unterstützung: durch Menschen. So wie auch die Wurzeln der Krise „im Menschen selber liegen“ (Kardinal Franz König).

„Die innere Einheit des Mensehen ist gespalten. Seine Kräfte— wissen, glauben, mitteilen und handeln - stehen nicht mehr in einem Verhältnis harmonischer Ausgewogenheit zueinander“, konstatierte der Wiener Alterzbischof beim Symposion von „Nova Spes“ (siehe Kasten) am 19. und 20. September im Schloß Laxen-burg bei Wien, der „neuen Hoffnung für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ gewidmet. Der Spaltung des Personenkerns entsprechen die Tendenzen zur Spaltung auf gesellschaftlicher Ebene, zwischen Völkern und Machtblöcken.

Königs Folgerung: „Die Ganzheit ist verlorengegangen. Das Haben triumphiert über das Sein.“

Die Ganzheit: Glauben, erkennen, mitteilen und handeln sind die vier Dimensionen des Menschseins. „Religion ist die Beziehung zu Gott; die Wissenschaft ist die Beziehung zur objektiven Welt; die Kommunikation ist grundlegend, weil der Mensch nur in Beziehung zu anderen Menschen existiert; die Wirtschaft ist da, weil der Mensch ein bedürftiges Wesen ist und eine notwendige Beziehung zu seinem Körper hat“ (Mathieu).

Um den Beitrag einer operativen Allianz dieser vier Dimensionen für die Verwirklichung der Schlußakte von Helsinki ging es den rund 200 Teilnehmern, Politikern, Wissenschaftlern und Fachleuten von Rang und Namen in Laxenburg.

Religion ist ein Grundbedürfnis menschlichen Lebens, eine Quelle des Friedens. „Der Friede hat alles zu gewinnen, wenn er auf dem Respekt vor der Freiheit des Gewissens aufbaut“, formuliert der vatikanische „Außenminister“, Erzbischof Achille Silvestrini. Und: „Friede ist möglich, wenn er als Geschenk an die versöhnte Welt angenommen wird.“ Das heißt gegenseitige Achtung, Verzicht auf Gewalt und gegenseitige Einschüchterung.

Das heißt auch: Demontage der gegenseitigen Feindbilder in Ost und West, eine Aufgabe, die Christen im „Niemandsland zwischen heiligem Gehorsam und gerechter Rebellion“ zufällt. Für den Abbau der Feindbilder spricht ein britischer General: Hugh Beach, Vertreter des Erzbischofs von Can-terbury, hat diese Hoffnung.

Der Naturwissenschaftler Carl Friedrich von Weizsäcker sieht im „jetzigen geschichtlichen Augenblick eher Anlaß zur Verzweiflung“. Schöpfung, soziale Gerechtigkeit und Frieden steuerten Katastrophen entgegen und es bedürfe „neuer Hoffnung“, sich dem entgegenzustellen.

Die Wissenschaft, meint er, sei „noch nicht erwachsen“, ihr Beitrag trotzdem unverzichtbar für die Erziehung zur gemeinsamen Wahrheitssuche im freien Austausch der Meinungen.

Freiheit heißt auch der Schlüssel für die Genfer Philosophin Je-anne Hersch: Wissenschaft ist das Streben nach Wahrheit und „man muß frei sein, um nach Wahrheit zu streben“. Auch im Osten.

„Wenn man nicht zielbewußt nach Wahrheit strebt, ist die eine Mutmaßung so gut wie die andere,Desinformation so gut wie Information“, zitiert Hanns Sassmann, Präsident der Katholischen Weltunion der Presse, Wladimir Bu-kowski und fordert intentionales wie dialogisches Denken im Kommunikationsprozeß und Hinwendung zum Menschen, zum „Anderen“.

Hinwendung ist auch ein Anliegen der Wirtschaft, allerdings ein - für den US-Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger von 1979 Lawrence Klein jedenfalls — organisatorisch-technisches. Und es geht auch um Abwendung: „Der Rüstungswettlauf destabilisiert und schädigt die Weltwirtschaft.“

Weil sich diese Strukturen nicht verändern, „ist der dritte Weltkrieg das einzig Mögliche“, lautet Weizsäckers düstere These, aber „Nova Spes“ heißt für ihn, „mutig in die Situation hineingehen“. Für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, gegen den nuklearen Holokaust.

„Wie wird man aber das Plutonium los?“ wirft der Wiener Universitätsprofessor Michael Hi-gatsberger fragend ein. Die Alternative zur Bombe heißt Kernkraftwerk. Und das berührt auch die europäische Sicherheit.

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