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Evangelisches Konzil für Europa

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Um gemeinsam ihren Beitrag zur Gestaltung des neuen Europa zu beraten, sind die evangelischen Kirchen dieses Kontinents in Budapest zusam-mengekomment. Nachdem die Römisch-katholische Kirche ihr Verhältnis zu Europa nach dem Ende der kommunistischen Diktaturen ihrer autoritären Tradition gemäß mit „Neuevangelisierung" beschrieben hat, galt es nun, „christliche Verantwortung für Europa" gemäß den reformatorischen Traditionen zu formulieren.

Demgemäß werden die evangelischen Kirchen gegenüber den Staaten Europas nicht als missionarische Besserwisser auftreten, sondern ihre Mitarbeit als Gleiche unter Gleichen anbieten. Also nicht „Neuevangelisierung", sondern Partnerschaft in gemeinsamer Verantwortung. Die pluralistische Gesellschaft und der weltanschaulich neutrale Staat werden bejaht - und das umso leichter, als die evangelischen Kirchen dankbar anerkennen, daß ihre geistlichen Güter nun auch in weltlicher Gestalt existieren und oft sogar erst durch die Säkularisierung in ihrer vollen Bedeutung erkannt worden sind.

Die Vielfalt von Weltanschauungen und Religionen ist auch eine Herausforderung und eine Aufforderung zur ständigen Selbstkritik. Evangelische Kirchen leben bewußt in der Spannung zwischen Glauben und Vernunft. Nach der refor-matofischen Lehre vom „Prie-stertum aller Gläubigen" geht es um die Mitverantwortung aller Menschen, um die Gleichstellung von Mann und Frau - auch im geistlichen Amt, um die Überwindung hierarchischer Verhaltensweisen in Kirche und Gesellschaft, also: um Wahrnehmung von Verantwortung durch demokratische Strukturen und demokratische Kontrolle.

Das geeinte Europa soll nicht Opfer eines administrativen Zentralismus werden. Und der Beitritt zur EG sollte nicht zum kommerziellen Religionsersatz verkommen, wie es manchmal in Österreich den Anschein hat.

Die evangelischen Kirchen wollen bewußt als eine Kraft unter anderen „Widerstand" für das Leben leisten: durch Bewältigung der europäischen „Vergangenheiten", durch Lösung der ökologischen Probleme. Konkret wurden die Kirchen Österreichs und der CSFR ermutigt, sich gemeinsam um die Schließung von Bohuni-ce zu bemühen.

Eine christliche Sozialcharta soll unter anderem die Marktwirtschaft sozial und ökologisch „in Pflicht nehmen", für eine „versöhnte Verschiedenheit" von Völkern, Nationen, Kulturen und Konfessionen eintreten, vor Flüchtlingen und Asylanten nicht die Grenzen verschließen und mithelfen, ihre Probleme in ihren Ländern zu lösen.

Für die evangelischen Kirchen Europas ist der Geist der Ökumene unaufgebbar. Sie haben die Römisch-katholische und die orthodoxen Glaubensgemeinschaften längst als „Kirchen" anerkannt und erwarten das gleiche von diesen Kirchen in kurzer Zeit, damit der Dialog weitergeführt werden kann. Europa soll in Erhaltung seiner wunderbaren Vielfalt zu einer Einheit finden, für die humane Prinzipien unerläßlich sind.

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