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Evolution ist Schöpfung

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Evolution als kosmisches Geschehen: Wir drucken heute noch einmal (nach Nr. 23) Auszüge aus Referaten des Salzburger Pfingstsymposiums ab. Rupert Riedl und Franz Kreuzer werden diese in Buchform unter dem Titel „Evolution und Menschenbild” herausbringen.

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Evolution als kosmisches Geschehen: Wir drucken heute noch einmal (nach Nr. 23) Auszüge aus Referaten des Salzburger Pfingstsymposiums ab. Rupert Riedl und Franz Kreuzer werden diese in Buchform unter dem Titel „Evolution und Menschenbild” herausbringen.

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Der Gedanke der Evolution ist längst nicht mehr auf den Bereich der Biologie beschränkt. Seit einigen Jahrzehnten hat sich immer deutlicher herausgestellt, daß das Entwicklungsprinzip nicht nur für den Bereich der belebten Natur gilt. Es ist in unserer Zeit das umfassendste denkbare Prinzip überhaupt, da es den ganzen Kosmos einschließt.

Nach allem, was wir heute wissen, ist das Universum selbst ein alle anderen Entwicklungen umgreifender historischer Prozeß. Die biologische Evolution ist nur ein Ausschnitt aus diesem umfassenden Geschehen ...

Der Mensch in seiner heutigen Gestalt ist nicht als das unveränderliche Endprodukt eines einmaligen Schöpfungsaktes anzusehen, sondern, aus evolutionärer Perspektive, als das vorläufige Ergebnis einer Entwicklung, die weit über uns Heutige hinaus weiterlaufen wird in eine Zukunft hinein, an der wir unmittelbar nicht mehr teilhaben...

Daß eine Ameise von den Sternen nichts weiß und ein Affe nichts vom Mond, halten wir nicht für einer Erklärung bedürftig.

In dem Augenblick aber, in dem es um die Frage nach den Grenzen unserer eigenen Einsichtsfähigkeit geht, da halten wir mit einem Male das Gegenteil für selbstverständlich. Da glauben wir allen Ernstes an die Möglichkeit, daß der Umfang der Realität mit der von uns erlebten Welt identisch sei...

Der Hinweis auf die für unser Zeitgefühl geradezu quälende Langsamkeit des Ablaufs evoluti-ver Prozesse, auf die für unsere Maßstäbe ungeheuren Zeiträume, über die das evolutionäre Geschehen sich hinzieht, wäre kein Einwand.

Denn „Zeit.' ist für das Verständnis der modernen Kosmologie zusammen mit Energie, Ele-mentarteilchen, Raum und Naturgesetzen in jenem ersten Augenblick entstanden, auf den sich aus der Expansionsbewegung des heutigen Universums und davon unabhängigen anderen Beobachtungstatsachen zurückrechnen läßt.

Sie ist keine die Welt insgesamt umgreifende, sie gleichsam „von außen” bestimmende oder enthaltende Kategorie. Dies ist übrigens einer der Gründe dafür, warum es zwecklos ist, danach zu fragen, was „vor” diesem Anfang war.

Von einem in Zeitlosigkeit existierenden Jenseits aus sind die in unserer Welt zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignisse daher nicht notwendig auf irgendeine Weise voneinander getrennt.

Daher ist es sinnvoll, an die Möglichkeit zu denken, daß die kosmische Evolution die Art und Weise sein könnte, in der sich der Schöpfungsakt in unseren unvollkommenen Gehirnen spiegelt. Daß die Entwicklungsgeschichte der unbelebten und der belebten Natur die Form ist, in der wir „von innen” die Schöpfung miterleben, die „von außen”, aus transzendenter Perspektive, in Wahrheit also das Werk eines Augenblicks ist...

Auch unsere moralische Verantwortung kann vor dem Hintergrund dieses sich aus dem evolutionären Blickwinkel darbietenden Bildes unüberbietbar radikal ^ formuliert werden. Denn in dem ' Maße, in dem wir durch unseren Umgang mit dem ”Mitmenschen, mit der belebten und unbelebten

Natur, noch so ungewollt oder neuerdings auch geplant den Gang der Evolution beeinflussen, in dem gleichen Maße fällt uns durch unser Tun-oder auch unser Unterlassen unvermeidlich auch Mitverantwortung für den Ablauf des Schöpfungsprozesses zu.

Wenn Evolution, kosmische Evolution, der uns zugängliche Aspekt des Schöpfungsgeschehens ist, dann wäre das Ende des Evolutionsprozesses vorstellbar als der Augenblick der Fertigstellung der Welt.

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