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EWS: Es ist verdammt hart, der Beste zu sein

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Während die ganze Welt dem Votum der Franzosen über Maastricht entgegenbangte, schlitterte plötzlich, für die breite Öffentlichkeit überraschend, das europäische Währungssystem in eine Krise. Das englische Pfund und die italienische Lira schieden kurzfristig aus dem Währungsverbund aus, weil ihre Kurse wegen massiver Spekulation gegen diese Währungen trotz aller Bemühungen der europäischen Notenbanken mit Stützungskäufen allein nicht mehr innerhalb der zulässigen Bandbreiten zu halten waren. Weshalb die Kassandras vom Dienst sofort den Zusammenbruch des gesamten Währungssystems voraussagten.

Ich meine, daß die aktuelle Währungskrise vor allem von den Medien dramatisiert wurde. Es ist lächerlich, wegen des aufgrund wirtschaftlicher Ungleichgewichte ausgelösten Bedarfs nach Kurskorrekturen gleich das gesamte, mühsam ausgetüftelte europäische Währungssystem (EWS) in Frage zu stellen. Erinnern wir uns zurück: Vor Etablierung des EWS waren Auf- und Abwertungen, wie sie jetzt vorge- • nommen werden müssen, geradezu der Alltag. Eben weil das EWS diese Auf-und Abbewegungen geglättet und der Spekulation für lange Zeit den Boden entzogen hat, erscheinen uns die aktuellen Kurskorrekturen so spektakulär.

Nur Laien und Illusionisten konnten glauben, daß die totale Harmonie der Kurse auch ohne totale Harmonie der Volkswirtschaften der Mitglieder des EWS möglich ist. Davon ist Europa aber bekanntlich noch weit entfernt. Und ich wage zu bezweifeln, ob diese angestrebte Harmonie je wirklich über einen längeren Zeitraum erreichbar ist. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, in Brüssel träumen ein paar Bürokraten davon, das, was in der UdSSR kläglich gescheitert ist, mit tauglicheren Instrumenten wieder zum Leben zu erwecken: Die Planwirtschaft.

Und wenn man schon den Deutschen das* Auslösen der Krise in die Schuhe schieben will, könnte man auch gleich einen Schritt weiter gehen: Schuld ist, bleibt * man bei diesen Kausalitätsregeln, im Grunde genommen Bundeskanzler Helmut Kohl, weil er leichtsinnigerweise versprochen hat, die Wiedervereinigung werde zu keinen Steuererhöhungen führen. Die Folge davon war die ungesunde Erhöhung des Budgetdefizits und die Beschleunigung der Inflation. Worin die Deutsche Bundesbank, traditionell sehr stabilitäts-und geldmengenorientiert, Grund genug sah, Geld zu verteuern, um damit Kredite und Geldmenge wieder einzuschränken.

Im nachhinein betrachtet, war das sicher etwas vorschnell und nicht der Weisheit letzter Schluß. Auf schweren internationalen Druck hin hat die Bundesbank letzte Woche die Leitzinsen wieder um ein halbes Prozent zurückgenommen (und wird sie möglicherweise diese Woche nochmals senken), ohne daß sich an den Rahmenbedingungen in Deutschland selbst etwas geändert hätte. Bleiben unterm Strich bloß jede Menge Brösel auf internationalen Parketten und die Wiederkehr des „häßlichen Deutschen" in den angelsächsischen und romanischen Gazetten. Beides hätte sich die deutsche Politik mit etwas mehr Fingerspitzengefühl leicht ersparen können. Nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel, auch in der EG ist es verdammt hart, der Beste zu sein.

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