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Export ist, wenn man es trotzdem schafft

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„Pro Stück habe ich einen Verlust von 12 Prozent, aber der Umsatz macht’s“. Dieser alte kabarettistische Scherz, mit dem einst das Jammern als der Gruß der Kaufleute persifliert worden ist, gewinnt gegenwärtig eine völlig andere Dimension und Bedeutung. Für viele exportorientierte österreichische Industrieunternehmungen stellt er - so paradox es klingen mag - derzeit die exportpolitische Preisphilosophie dar.

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„Pro Stück habe ich einen Verlust von 12 Prozent, aber der Umsatz macht’s“. Dieser alte kabarettistische Scherz, mit dem einst das Jammern als der Gruß der Kaufleute persifliert worden ist, gewinnt gegenwärtig eine völlig andere Dimension und Bedeutung. Für viele exportorientierte österreichische Industrieunternehmungen stellt er - so paradox es klingen mag - derzeit die exportpolitische Preisphilosophie dar.

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Die Vorzeichen und Rahmenbedingungen für die heimische Ausfuhrwirtschaft kann man getrost als außerordentlich ungünstig bezeichnen. Zahlreiche Branchen haben in den letzten Jahren auf den Weltmärkten teilweise beträchtliche Einbußen ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit hinnehmen müssen. Diese Entwicklung, der wir unsere Probleme mit der Handels- und in weiterer Folge auch mit der Zahlungsbilanz verdanken, hat mehrere Ursachen:

• Jahrelang war der Arbeitskostenanstieg in der österreichischen Industrie wesentlich stärker als in anderen westlichen Industriestaaten, die auf den Weltmärkten vielfach zu unseren schärfsten Konkurrenten zählen. Vor allem in der Sozial- und Einkommenspolitik tat Österreich bis weit in die Zeiten der weltweiten Rezession einfach so, als gäbe es den Konjunktureinbruch nicht. Ein Einkommenszuwachs bei den Unselbständigen weit über der Produktivitätsrate sowie ein rapides Ansteigen der Lohnnebenkosten waren die unmittelbaren Folgen. • Eng im Zusammenhang damit steht der allgemeine Inflationsverlauf, der ebenfalls weit hinter den Stabilitätserfolgen etwa in der Schweiz oder der Bundesrepublik Deutschland zurückgeblieben ist.

• Ein in vielen Fällen geradezu dramatischer Kursverfall wichtiger westlicher Währungen hatte zur Folge, daß Konkurrenten aus diesen Ländern den Kursverfall bei Offerten voll lukrieren konnten, das heißt, italienische, britische und französische Hersteller dringen plötzlich auf Märkte vor, auf denen sie zuvor nicht präsent gewesen waren.

• Analog dazu wirkte die Hochkurspolitik der österreichischen Regie-

rung beziehungsweise der Währungsbehörden. Der Schillingkurs orientiert sich nunmehr schon seit Jahren weitgehend an den sogenannten harten Währungen. Nur wird vielfach vergessen, daß diese Währungen, also etwa die Deutsche Mark und der Schweizer Franken, einen harten binnenwirtschaftlichen Stabilitätskem aufweisen. Der Schilling hat aber eine „Creme-Füllung“ mit relativ hoher Inflationsrate.

Dazu komman aber auch Gründe, die auf den ersten Blick rein betriebswirtschaftlicher Natur sind. Die immer kürzer werdende Eigenkapitaldecke der österreichischen Industrie macht es vielen exportorientierten Betrieben nicht möglich, jene Investitionen zu tätigen, die ein erfolgreiches Bestehen gegenüber der immer stärker werdenden ausländischen Konkurrenz erfordern würde. Für die Ausweitung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, für Ex portmarktforschung, für eine Intensivierung der Absatzorganisationen im Ausland und für breiter angelegte Werbefeldzüge fehlen einfach die notwendigen Mittel, das vielzitierte risikotragende Eigenkapital.

Diese Frage wird oft von jenen gestellt, die die vorhin erwähnte kritische Analyse der österreichischen Wirtschaftspolitik nicht gerne hören. Dazu muß seitens der Exportindustrie unmißverständlich festgestellt werden, daß ausländische Märkte - oft auch nur unter schweren Erlösverlusten - gehalten werden. In erster Linie aus beschäftigungspolitischen Gründen, denn die bestmögliche Auslastung der installierten Produktionsan-

lagen garantiert zumindest eine teilweise Abdeckung der in den Betrieben anfallenden Fixkosten.

Dennoch bleiben die Zuwachsraten der Exporte weit hinter jenen in der Einfuhr zurück. Die Gründe liegen auf der Hand.

Das was für die Konkurrenzsituation im Ausland gilt, das hat naturgemäß auch für die Situation auf dem österreichischen Markt Gültigkeit. Seit der Erreichung der Volliberalisie- rung gegenüber den EG-Staaten hat sich die Lage weiter verschärft.

Preisgünstigere Waren, besonders im Bereich des Konsumgüterangebotes, strömen verstärkt nach Österreich, während inländische Hersteller nicht nur um das Auslandsgeschäft, sondern auch um den Binnenmarkt bangen müssen. So ist die Lage derzeit beispielsweise in der Textilindustrie, in der Bekleidungsherstellung, der Holzverarbeitung, aber auch in der Eisen- und Metallwarenindustrie alles andere als rosig.

Die Lage der österreichischen Exportindustrie kann man im Herbst 1977 auf eine einfache Formel bringen: Es wird zu schlechten Preisen schleppend verkauft. Die Exportpreise sind seit mehr als zwei Jahren in vielen Produktionsbereichen stabil, ja viel fach muß man sogar unter dem Preisniveau der Vorjahre anbieten, um überhaupt noch ins Geschäft zu kommen.

Der Export zählt gegenwärtig zu den schwierigsten betriebswirtschaftlichen Management-Aufgaben, denn durch die weltweite Konjunkturflaute drängen so gut wie alle Industriestaaten - neben den Tiefpreisanbietem aus dem Ostblock oder den fernöstlichen Ländern - vehement auf die Weltmärkte. Es liegt auf der Hand, daß jene Anbieter längerfristig das Rennen machen, die in größeren Serien produzieren können und darüber hinaus - als Folge einer ausreichenden Ausstattung mit Eigenkapital - auch entsprechende Zahlungskonditionen offerieren.

Schöne Worte bei Festansprachen und das Schulbuchpathos über die Leistungen der heimischen Exportindustrie in der Vergangenheit sind zuwenig. Gewiß, dem Export hat Österreich einen beachtlichen Teil des Wachstums in Volkseinkommen und Wirtschaftskraft zu verdanken. Aber die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre kann nicht als exportfreundlich bezeichnet werden. Vor allem das Aushöhlen der Eigenmittel in den Betrieben hat zu einer großen Verunsicherung der Unternehmerschaft, zu spürbar gedämpfter Investitionsbereitschaft und zu weniger Risikofreude im Export geführt

Österreich steht vor dem Problem der Wiederankurbelung eines sehr unruhig laufenden Konjunkturmotors. Hauptansatzpunkt wird dabei die produzierende Wirtschaft sein müssen, denn die Anteile des öffentlichen Sektors am Brutto-Sozialprodukt erreichen bereits internationale Spitzenwerte, ohne daß sich die gesamtwirtschaftliche Produktivität nennenswert verbessern würde.

Ein Wiederentdecken der produktiven Investitionen, nach einer Periode der keynesianischen deficit spen- ding-Euphorie, ist überfällig. In diesem Konzept aus der Flaute hat aber die Exportindustrie einen entscheidenden Platz einzunehmen. Die Wirtschaftspolitik wird nicht darum herumkommen, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Ausfuhrwirtschaft wiederherzustellen.

Ein Blick in die Orderbücher des Exportes beweist: Es ist später, als so mancher Umverteilungspolitiker glauben mag…

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