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Exportboom in die Oststaaten

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Der österreichische Osthandel befindet sich, allen düsteren wirtschaftlichen Meldungen über unsere östliche Nachbarschaft zum Trotz, in einem kräftigen Aufschwung. Dieser beschleunigte sich in den letzten Monaten noch.

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Der österreichische Osthandel befindet sich, allen düsteren wirtschaftlichen Meldungen über unsere östliche Nachbarschaft zum Trotz, in einem kräftigen Aufschwung. Dieser beschleunigte sich in den letzten Monaten noch.

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Im ersten Halbjahr 1991 stiegen die österreichischen Exporte in die Oststaaten um über zehn Prozent (im Vergleich zum ersten Halbjahr 1990), die Importe aus dem Osten wuchsen um acht Prozent. Die Lieferungen in die drei ostmitteleuropäischen Staaten Ungarn, CSFR, Polen, die am weitesten auf dem Weg zur Marktwirtschaft vorangekommen sind, expandierten gar um 40 Prozent (Bezüge: + 14 Prozent). Damit setzten sich die seit dem Fall des Eisemen Vorhangs beobachtbaren wirtschaftlichen Re-Integrationstendenzen in Mitteleuropa und im Donauraum fort (siehe Tabelle).

Immer stärker zutage tretende Überbewertungen östlicher Währungen (durch zu langes Festhalten an fixen Wechselkursen bei fortbestehenden hohen Inflationsdifferentialen), die zunehmende Einfuhrliberalisierung im Osten, der Zwang zur Reorientie-rung des Außenhandels infolge des Zusammenbruchs des ehemaligen RGW und der UdSSR-Wirtschaft sowie andererseits auch die guten Marktkenntnisse, die Flexibilität und rasche Reaktionsfähigkeit der österreichischen Unternehmen haben zu dieser anhaltenden Aufwärtsentwicklung beigetragen.

Der Exportboom war am stärksten in Richtung Polen: +114 Prozent (Importe: +16 Prozent). Letzteres steht in scharfem Kontrast zur Entwicklung im vergangenen Jahr, als die Lieferungen erheblich schrumpften. Das Auf und Ab kann erklärt werden durch die Entwicklung des realen (inflat ions-bereinigten) Wechselkurses.War die polnische Währung (Zloty) Anfang 1990 noch auf einen Kurs fixiert, der damals einer extremen Unterbewertung entsprach, ist durch die fortgesetzte hohe Inflation (derzeit: Jahresrate zirka 150 Prozent), die von der Regierung nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, eine wachsende Überbewertung entstanden, welche auch durch die halbherzige Abwertung im Mai (um 17 Prozent gegenüber dem Dollar) nicht entschärft werden konnte.

Die österreichischen Ausfuhren nach Ungarn, dem wichtigsten Handelspartner im Osten, wuchsen im ersten Halbjahr 1991 gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres um 43 Prozent (Einfuhren:+28 Prozent). Auch der ungarische Forint dürfte tendenziell überbewertet sein. Die Handelsbilanzentwicklung (erstes Halbjahr: Aktivum: 1,8 Milliarden Schilling) deutet auf den größten österreichischen Überschuß mit Ungarn seit Jahrzehnten hin. Die stürmische Exportentwicklung in die CSFR im Jahr 1990 (+73 Prozent) konnte heuer nicht wiederholt werden. Unter anderem infolge der Abwertung der tsche-cho-slowakischen Krone Anfang 1991 und der Erhebung abgestufter Einfuhrzölle bewegten sich die Lieferungen bisher in ruhigeren Bahnen (+ drei Prozent). Die Abwertung konnte von tschecho-slowakischen Exporteuren (noch) nicht umgesetzt werden (- vier Prozent).

Die politischen Wirren und militärischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien ließen den Handel mit dem Balkanstaat im ersten Halbjahr 1991 schrumpfen (Exporte: -14 Prozent, Importe: - sieben Prozent). Dem Handelsvolumen nach ist unser südöstlicher Nachbar indes noch immer der drittwichtigste Handelspartner Österreichs im Osten - nach Ungarn und der UdSSR. Exporte in das zahlungsunfähige Bulgarien sanken weiter (-11 Prozent), Lieferungen nach Rumänien wuchsen (+16 Prozent), allerdings von sehr niedrigem Niveau aus; ein Erbe Ceausescus.

Die österreichischen Ausfuhren in die mit wachsenden Zahlungsschwierigkeiten und großen Produktions- und Förderproblemen kämpfende Sowjetunion schrumpften weiter um 18 Prozent (Einfuhren: + acht Prozent). Die Sowjetunion ist derzeit das einzige Land im Osten, mit dem Österreich ein Handelsbilanzpassivum aufweist (erstes Halbjahr: 0,9 Milliarden Schilling). Der jüngste mißglückte Putsch und die damit verbundene erneute Instabilität können diesen Abwärtstrend beschleunigen.

Erfreulich ist, daß die Exportstruktur Osteuropas, besonders der ostmitteleuropäischen Länder, sich von der Dominanz „planwirtschaftlicher" Güter (Rohstoffe, Öl und Ölerzeug-nisse) auf ein größeres Gewicht „marktwirschaftlicher" Güter (Konsumgüter, moderne Maschinen) verschiebt. So zum Beispiel verdoppelte sich der Anteil von Konsumgütern an den CSFR-Lieferungen nach Österreich im ersten Halbjahr 1991 gegenüber dem Vorjahr auf sieben Prozent. Der Anteil von Maschinen/Fahrzeugen stieg von zehn auf 16 Prozent. Der Konsumgüteranteil an den ungarischen Lieferungen wuchs von zehn auf IS Prozent, der Maschinenanteil von acht auf 19 Prozent.

Für den Rest des Jahres 1991 und für 1992 kann - nicht zuletzt wegen tendenziell fortgesetzter Überbewertung von Ostwährungen bei gleichzeitigen Zahlungsbilanzhilfen durch internationale Organisationen - ein Andauern der Expansion des Osthandels erwartet werden. Der Autor ist volkswirtschaftlicher Referent von International Business Research, Wien.

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