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Extreme Rechte ist eine Gefahr
FURCHE: Welche Rolle spielen die Kirchen im Veränderungsprozeß in Südafrika, der zur Abschaffung der Apartheid führen soll?
PIERRE ROSSOUW: In der Weihnachtsbotschaf t lud der Staatspräsident alle christlichen Kirchen ein, die brennendsten Fragen, die sie durch eigene Anschauung kennen, zu nennen. Nach Ordnung der Fragen nach deren Priorität soll ein Symposion abgehalten werden, das sich mit der Lösung der Probleme beschäftigen wird. Drei Ziele werden angestrebt. Erstens eine Diagnose des gegenwärtigen Zustands und zweitens, wie soll das künftige Südafrika aussehen. Drittens: Wie können wir diesen Zustand erreichen? Der Grundgedanke ist die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen. Klar muß von Anbeginn sein: Der Staat kann keine kirchlichen Funktionen ausüben, die Kirchen können nicht den Staat ersetzen. Aufgabe der Kirchen ist es, ein Klima der Versöhnung, des Vergebens zu schaffen, und der Menschenwürde, ungeachtet von Hautfarbe, Sprache und Geschlecht das Wort zu redend
FURCHE: Angesichts der Geschichte scheint es doch nicht einfach zu sein, tatsächlich die Herzen der Menschen zu erreichen.
ROSSOUW: Die Kirchen haben sich nur auf das Wort Gottes zu berufen. Alle Menschen sind vor den Augen Gottes gleich. Das Reich Gottes beginnt im Hier und Heute. Daher haben alle Menschen das Recht auf soziale Gerechtigkeit, Zugang zur politischen Macht, Recht auf Wohnung, Erziehung, Einkommen. Die Verwirklichung des irdischen Gottesreiches macht die Anwendung, jeglicher Art von • Gewalt unmöglich. Und Gewalt in jeder Form ist ein Verstoß gegen die Botschaft Gottes.
FURCHE: Das war nicht immer so. Kirchen konnten anhand der Bibel Apartheid rechtfertigen.
ROSSOUW: Das ist schon lange her. Ich kenne keine Kirche in Südafrika, die sich für die Apartheid ausspricht. Es gibt Menschen, die von der Abschaffung der Apartheid nichts wissen wollen. Doch sie sprechen von Apartheid als politischem System. Die Mehrheit der Christen spricht sich gegen die Apartheid aus, weil sie gegen das Wort Gottes, die Bibel, verstößt.
FURCHE: Wie soll die Botschaft der Versöhnung die Extremisten erreichen?
ROSSOUW: Wir haben Extremisten unter den Weißen und unter den Schwarzen. Doch die Mehrheit der Bevölkerung ist „in the middle of the road". Den Status quo können wir nicht behalten. Wir müssen uns bewegen, verändern, um zu einem neuen Südafrika zu gelangen. Das Ziel muß ein demokratisches, christliches Südafrika sein, kein sozialistisches. Und das will auch die Mehrheit der Christen.
FURCHE: Wir kann die extreme weiße Rechte dazu gebracht werden, daß sie der Veränderung zustimmt?
ROSSOUW: Wir können nicht warten, bis die rassistische Minderheit mit uns geht. Meine Glaubensgemeinschaft hat eineinhalb Millionen Mitglieder, 20.000 wollten die Versöhnung nicht, sie haben uns verlassen und haben eine eigene extremistische Kirche gegründet. Doch diese Extremisten sind eine Minderheit. Wenn wir warten bis sie mit uns gehen, kommen wir nirgends hin. Wir müssen sie von der Richtigkeit unseres Weges überzeugen. Welche Ängste gab es nicht wegen Namibia. Und nun laufen Entwicklungen, die zeigen, wie sanft Menschen verschiedener Hautfarben miteinander umgehen können.
FURCHE: Ist Namibia als Modell für Südafrika anzusehen?
ROSSOUW: Nein. Die Bevölkerungszusammensetzung unterscheidet sich grundsätzlich von Südafrika. Was wir jedoch von den Namibianern lernen können, ist die Form der Verfassung, die Rechte für alle einräumt.
Wir in Südafrika diskutieren nun, ob wir nicht auch eine „Bill of Human Rights" einführen sollen.
FURCHE: Sie haben von der Notwendigkeit der Lösung der sozialen Frage gesprochen. Wie können die humangeographischen Bedingungen geändert werden, die verhindern, daß Menschen unterschiedlicher Hautfarbe miteinander kommunizieren und sich kennenlernen können?
ROSSOUW: Das ist eine politische Frage, die ich als Kirchenmann nicht leicht beantworten kann. Doch möchte ich sagen, jeder muß überall leben können. Jeder muß sich seine Nachbarschaft selbst aussuchen können. Wenn es zum Zusammenleben einzelner Gruppen kommt, wie beispielsweise in New York, ist dagegen nichts einzuwenden, wenn es auf freiwilliger Basis erfolgt. Grundsätzlich muß ganz Südafrika eine „open area" sein.
Die gesetzmäßige Klassifikation, wer ein Zulu und wer ein Xhosa, wer Italiener und wer Franzose ist, muß aufhören. Wir müssen erkennen, daß wir voneinander in einer harmonischen Weise lernen können. Achtzig Prozent der Bevölkerung sind Christen: 20 Millionen Schwarze und vier Millionen Weiße. Es müßte möglich sein auf der Grundlage des Christentums, einander zu lieben und zu achten. Damit kommen wir wieder zur Rolle der Kirchen in Südafrika zurück.
FURCHE: Sie sind also für die ersatzlose Abschaffung des Group Area Acts?
ROSSOUW: Ja. Ich bin sicher, daß die Regierung diesen Schritt demnächst setzen wird.
FURCHE: Wann ist dieser Schritt zu erwarten?
ROSSOUW: Das weiß ich nicht. Doch Präsident de Klerk ist ein gläubiger Christ. Er hat so viel geändert, daß es logisch erscheint, wenn dieser Schritt folgt. Wir haben nicht viel Zeit bis zur nächsten Wahl, bis dahin muß der Umbau vollendet sein. Es ist ein religiöses Muß, daß wir uns auf eine gerechte Gesellschaft in Südafrika zubewegen. Über alles kann gesprochen und verhandelt werden, doch nicht über die Notwendigkeit, daß Südafrika ein christliches Land mit ganz bestimmten Standards ist.
FURCHE: De Klerk warnte kürzlich vor der Möglichkeit eines Bürgerkriegs zwischen Weißen. Wie groß ist die Gefahr?
ROSSOUW: Die extreme Rechte ist mit den Veränderungen nicht zufrieden. Die Gefahr eines Staatsstreichs ist nicht auszuschließen. Dieser wäre ein Desaster für Südafrika. Südafrika würde sich in einen Libanon verwandeln.
FURCHE: Wie'stehen Sie zu den Wirtschaftssanktionen?
ROSSOUW: Die Bedeutung wird von den Europäern überschätzt. Sie treffen Weiße und Schwarze gleichermaßen.
Hätten sie wirklich getroffen, dann wäre die Wirtschaft Südafrikas ruiniert worden. Hätte das zu einer Machtübernahme der Schwarzen geführt, wovon hätten sie dann gelebt? Eine ruinierte Wirtschaft steigt nicht wie der Phönix aus der Asche. Europäer sollten in Bereiche investieren, wo sie das Gefühl haben, daß sie das Regime nicht unterstützen und gleichzeitig ihr Interesse an unserem Land bekunden. Was wir wirklich brauchen, ist eine moralische Investition von Europa.
Mit Dr. Pierre Rossouw sprach Helmulh A. Niederle.
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