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Extremstes Leistungsstreben

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FURCHE: Herr Preiml, als Leitsatz der olympischen Bewegung gilt: Teilnahme ist wichtiger als Sieg, Ritterlichkeit ist wichtiger als Kampf. Ist das wirklich noch vorrangig?

BALDUR PREIML: Ich glaube, daß es für die Nationen, die Spitzensport betreiben, um das Image des Landes aufzuwerten, in erster Linie um die Leistung geht, Leistung um jeden Preis. Auf der anderen Seite gibt es aber eine Vielzahl von Kleinstaaten, die auch ganz gut abschneiden möchten, denen es aber um die Teilnahme geht. Im großen und ganzen ist es extremstes Leistungsstreben, weil man sich davon auch wirtschaftlich viel erwartet, und eine Ego-Befriedigung.

FURCHE: Pointiert sagt man heute, daß die Goldmedaille die Politik bekommt, die Silbermedaille die Wirtschaft und bestenfalls die Bronzemedaille der Sport, wobei die Wissenschaft auch noch mitmischt. Erringt einen Olympiasieg noch der einzelne Mensch oder ein Team von Sponsoren und sonstigen Betreuern, die auch einen schönen Anteil an der Medaille haben?

PREIML: Wenn einer eine Goldmedaille macht, dann geht das automatisch durch alle Ebenen, die am Sport beteiligt sind, und jeder ist Olympiasieger: die Firma, der Verband, der Staat, der Zuschauer. Aber in erster Linie ist es der Sportler selber, der durch diesen großen Erfolg eine ganz bestimmte Erlebniswelt kennenlernt.

FURCHE: Ist im Spitzensport eher Rivalität das Übliche oder doch eine Art Kameradschaft, wo man sich zwar im Wettkampf hart bekämpft, aber durchaus die Leistungen des anderen akzeptiert und versucht, mit fairen Mitteln zum Erfolg zu kommen?

PREIML: Mit unfairen Mitteln wird allenfalls dahinter gearbeitet. Der Sportler selber ist bemüht, die Leistung, die in ihm steckt, durchzusetzen, aber soweit ich das beobachten konnte, ist der menschliche Umgang sehr fair. Da hat sich im letzten Jahrzehnt sehr viel getan.

FURCHE: War das früher anders?

PREIML: In der Zeit, in der der ganze Ostblock gekommen ist, und wie sich die ihr Image über den Sport aufgebaut haben, hat es kaum Verständigung gegeben. In der Hinsicht kommt die olympische Idee erst jetzt wieder zum Tragen.

FURCHE: Besteht ein Zusammenhang zwischen Spitzensport und Breitensport? Kann ein Spitzensportler in seiner Sportart unter Umständen einen Boom im Breitensport auslösen?

PREIML: Wenn es traditionsverhaftete Sportarten sind — wie zum Beispiel Schifahren oder Langlaufen — schon, aber in irgendwelchen anderen Sparten, die eher exotisch sind—Judo et cetera -, ist der Einfluß des Spitzensports geringer. Jemand muß eine bestimmte Seelenstruktur haben, damit er für eine Sportart Resonanz hat, dann imponiert ihm auch der Sieger.

FURCHE: Sind diese Sieger immer auch die Helden, die die Medien aus ihnen machen?

PREIML: Im allgemeinen wird in einen Spitzensportler viel zu viel hineininterpretiert. Wenn einer Weltmeister ist, so glaubt man, dann ist er auch als Mensch Weltmeister und muß vorbildhaft sein. Es ist gerade umgekehrt — viele Sportler betreiben Sport aus einem Gefühl der Kleinheit heraus.

Das heißt, es fehlt dem Betreffenden irgend etwas, und er entwickelt einen unwahrscheinlichen Antrieb in eine bestimmte Richtung, damit er etwas wird, eine Leistung vollbringt, mit der er Anerkennung findet und dadurch diesen Mangel ausgleicht.

Ich würde den Spitzensportler nicht allzusehr als den fertigen, reifen Menschen ansehen, sondern er ist am Weg dazu. Er kann durch seine Leistung sehr viele Erfahrungen machen, bis er dann reift und möglicherweise irgendwo — als Geschenk — dann Olympiasieger wird. Weltmeister und Olympiasieger sind ganz verschiedene Dinge.

FURCHE: Warum?

PREIML: Wir haben oft die Erfahrung gemacht, daß Leute, die unheimlich ichbezogen sind und etwas anderes überhaupt nicht gelten lassen, daß diese Erzegoi-sten nie oder nicht zu der Zeit, wo sie übertrieben egoistisch waren, Olympiasieger geworden sind.

Ministerialrat Mag. Baidur Preiml, Bronzemedaillengewinner im Schispringen (Gre-noble 1968), erfolgreicher Betreuer der österreichischen Schispringer, leitet die Gruppe Sport im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport.

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