6844713-1976_13_04.jpg
Digital In Arbeit

Facts und Selbstdarstellung

Werbung
Werbung
Werbung

Schwedische, westdeutsche, französische und italienische Sozialisten begleiteten den österreichischen SP-Vorsitzenden Bruno Kreisky auf seiner „Fact-Finding-Mission“ durch den Nahen Osten. Aufgezogen war diese Nahost-Reise dabei als eine Veranstaltung der Sozialistischen Internationale, deren Präsident Kreisky trotz aller Zureden seiner ausländischen Parteifreunde nicht und nicht werden will. Doch in Wirklichkeit diente sie doch der Selbstdarstellung des Außenpolitikers Bruno Kreisky, der aus vielen (auch psychologischen) Gründen glaubt, für Vermittleraufgaben im Nahen Osten prädestiniert zu sein.

„Arbeiter“- und „Kronen-Zeitung“ b .richteten laufend über die Erfolge Kreiskys für Österreich: von der Führung der sozialistischen Baath-Partei im Irak erhielt er die Zusicherung, daß die Organisation erdölexportierender händer (OPEC) auf

keinen Fall Wien verlassen werde; in Jordanien, Kuweit, Saudiarabien und Abu Dhabi sei er, so hieß es, wie der offizielle Repräsentant der Republik Österreich empfangen worden: als Regierungschef, Außenpolitiker, Staatsmann und „bitterly anti-zionist“, wie die „Kuweit Times“ Bruno Kreisky so treffend beschrieb: als einen Mann „jüdischer Herkunft“, der jede Regung des Zionismus strikt ablehne.

In Kuweit traf Kreisky auch mit Vertretern der Palästinensischen Befreiungsfront (PLO) zusammen. Im kuweitischen Fernsehen erklärte er nach diesem historischen Treffen, daß Österreich die PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser anerkennen wolle. Prompt reagierten die Zeitungen des demokratischen Westens, weniger prompt dagegen die ÖVP-Außenpolitiker. Die liberale „Süddeutsche Zeitung“ fragte den SP-Vorsitzenden, „wo er denn bloß

hingeraten ist“ — „Kreisky ist kein Mann der diplomatischen Diskretion, Klugheit scheint nicht seine erste Tugend zu sein ...Es ist zu fürchten, daß Kreisky mit solchem Nachgeben die Sache des Friedens nicht befördert, sondern beeinträchtigt hat.“

Ehe noch die ÖVP in Wien daran erinnerte, daß ein PLO-Büro in Österreich erst dann spruchreif sei, wenn sich die PLO vom Terrorismus distanziere und im Sinne der Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrates die Existenz aller im Nahen Osten bestehenden Staaten, einschließlich Israels, anerkenne, widerrief Bruno Kreisky seine Äußerung und beeilte sich, zu versichern, daß er nur die Meinung der Sozialistischen Partei vertreten habe. Im übrigen, so sagte er, teilten auch andere sozialistische Parteien Europas seine Auffassung.

Eine gewisse Genugtuung sollte Kreisky wenige Tage später erfahren, als bekannt wurde, daß zu Wochenbeginn immerhin die Vertreter Israels und der palästinensischen Befreiungsfront PLO erstmals auf diplomatischer Ebene einander begegneten: auf einer Sitzung des VN-Sicherheitsrates, wo die jüngsten

arabischen Demonstrationen gegen die israelische Besatzungsmacht in Ostjerusalem und auf dem Jordanwestufer diskutiert wurden. Auch wenn Israel auf dem Standpunkt beharrt, daß es mit dieser Begegnung seine Politik gegenüber der PLO nicht ändern werde, wird doch dieses Zusammentreffen als eine entscheidende Haltungsänderung Jerusalems gewertet.

Wie dem auch sei: die Entwicklung könnte Kreisky helfen, seinen eigenen Standpunkt, auf den er die SPÖ verpflichtet hat, zu verteidigen. Immer wieder versicherte er seinen arabischen Gesprächspartnern, daß weder er noch die Sozialistische Internationale antiarabische Gefühle hege. Allerdings herrsche auch nicht die Auffassung vor, Israel zu vernichten. „Niemand denkt mehr daran“, so Dr. Kreisky, „Israels Existenz nicht anzuerkennen, auch wenn alle das Selbstbestimmungsrecht für die Palästinenser akzeptierten“.

Fragen des PLO-Terrorismus wurden jedenfalls nicht mit so großer Heftigkeit zwischen den Vertretern der arabischen Staaten und der Fact-

Finding-Mission der Sozialistischen Internationale aufgeworfen, daß sie an die Öffentlichkeit gedrungen wären. Das ist sehr schade, weil so der Eindruck entstehen muß, als wollte Kreisky den Terrorismus nicht mehr wahrhaben. Wenn das die Antwort auf den PLO-Erpressungsversuch — „Tausche Wiener PLO-Büro gegen die Verhinderung weiterer Anschläge auf österreichischem Boden“ — war, dann ist diese Antwort- sehr mäßig ausgefallen. Ganz offensichtlich funktioniert das arabische Auge noch immer um einige Schärfen besser als das für Israel. Das ist für den Regierungschef eines neutralen Staates um so problematischer, als damit immer stärker die Frage interessant wird, wie es denn dieser Staat mit der Neutralität tatsächlich halte. Und die Ausrede, er, Kreisky, sei ja nur als SPÖ-Parteiführer aufgetreten, zieht nicht, wenn man bedenkt, daß er in Jordanien eine offizielle Einladung an König Hussein, Österreich zu besuchen, wiederholt hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung