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Fahnen nicht auf Halbmast

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200 Jahre Diözese Linz (siehe auch Kasten) - das sollte nicht nur Anlaß zu Jubiläumsfeiern, sondern auch zu einem durchaus nüchternen Blick auf die gegenwärtige Lage sein.

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200 Jahre Diözese Linz (siehe auch Kasten) - das sollte nicht nur Anlaß zu Jubiläumsfeiern, sondern auch zu einem durchaus nüchternen Blick auf die gegenwärtige Lage sein.

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Eigentlich müßten die kirchlichen Gebäude Passaus die Fahnen wegen dieses Besuches auf Halbmast setzen, meinte kürzlich der Bischof von Passau, Franz Eder, zu den 3.000 Oberösterreichern, die dorthin gepilgert waren, wohin das Land ob der Enns über 1000 Jahre lang, bis 1783, kirchlich gehört hatte. Natürlich hat der freundliche Bischof das nicht ernst gemeint und gleich hinzugefügt, daß sich die Passauer herzlich über die jubilierende Diözese Linz freuen.

Noch bis vor etwa hundert Jahren freilich herrschte zwischen den bischöflichen Residenzen von Passau und Linz eher eine „Eiszeit”. Man kann es den Bayern auch nicht verdenken, hatte doch Josef II. die großen österreichischen Gebiete des Bistums Passau gleichsam im Handstreich, ohne deshalb lang den Papst zu fragen, zu den selbständigen Diözesen St. Pölten und Linz gemacht. Als „Rache” dafür ließ sich Papst Pius VI. zwei Jahre Zeit, bis er die Maßnahme des Kaisers auch seinerseits akzeptierte. Daher feiern die Diözesen St. Pölten und Linz erst heuer ihr 200jähriges Bestehen.

In Oberösterreich weiß man diese zwei Jahrhunderte angesichts einer christlichen Tradition, in deren Frühzeit Orte wie Lauriacum (Enns-Lorch) und Namen wie Florian, die Märtyrer von Lorch und Severin auftauchen, realistisch einzustufen. Der zum Jubiläum angebrachte Blick in die Geschichte - wie er z. B. bei der diesjährigen oberösterreichischen Landesausstellung „Kirche in Oberösterreich” in Garsten ermöglicht wird - geht daher über das Jahr 1785 hinaus.

Realismus zeigt die Kirche von Linz aber nicht nur hinsichtlich ihrer Geschichte, sondern auch im Angesicht der Gegenwart. Das Jubüäum gibt Gelegenheit, eine knappe und beileibe nicht alle Facetten umfassende Bilanz zu ziehen.

Beginnen wir mit dem Unerfreulichen. Die Probleme sind rasch aufgezählt und keine oberösterreichische Besonderheit. Da ist einmal der Rückgang der Meßbesucher. Im Diözesan-durchschnitt betrug er 1961 noch 43,4 Prozent, sank 1971 auf 37,9 Prozent und lag 1983 bei etwa 30,9 Prozent der 1,1 Millionen Katholiken. Da ist dann weiter die Besorgnis verursachende Zahl der Kirchenaustritte. Im Jahr 1984 waren dies 5.200 Personen. Der Anteil der Katholiken in der oberösterreichischen Bevölkerung beträgt derzeit 87 Prozent. 1961 lag der Katholiken-Anteil noch bei fast 92 Prozent. Und da ist drittens der Priestermangel. Mit Jahresende 1984 mußten 45 der insgesamt 485 Seelsorgestellen der Diözese von einem Nachbarpfarrer mitbetreut werden.

Auf der anderen Seite dieser

Gegenwarts-Bilanz findet sich aber eine Reihe Zuversicht verbreitender Gegebenheiten. Zunehmend nehmen die Laien ihre Aufgaben für die Kirche mit Einsatzfreude wahr.

Die Pfarrgemeinderäte haben sich gut entwickelt und sind aus dem Leben der Kirche nicht mehr wegzudenken. Grundgelegt und nach wie vor getragen wird diese Mitarbeit des engagierten „Kirchenvolks” von einer blühenden Katholischen Aktion, vor allem bei den Erwachsenen.

Bischof ist Realist

Für die Jugendgliederungen wird man, will man auch hier die Botanik zur Umschreibung heranziehen, wohl so wie auch anderswo ehrlicherweise eher von „Knospen” sprechen müssen. Der Vergleich hinkt freilich dann, wenn man das pulsierende Leben bei den Veranstaltungen der „Jugendburg” Altpernstein oder mancher kirchlicher Jugendzentren herausgreift. Erfreulich ist auch das große Interesse am theologischen Studium, wenngleich ein Großteil später nicht den Priesterberuf wählt, sondern als „Laientheologe” in den kirchlichen Dienst treten will.

Die Einrichtungen der kirchlichen Erwachsenenbildung strahlen mit ihrer Bildungsarbeit weit über den kirchennahen Kreis hinaus.

Kardinal König hat zum Diöze-sanjubiläum den Oberösterreichern bescheinigt, daß ihre Kirche in vieler Hinsicht beispielgebend für die gesamte Kirche Österreichs sei. Das Lob tut wohl, es darf aber nicht dazu verleiten, die Augen selbstgefällig zu schließen.

Das Diözesanjubiläum soll daher zur Verbesserung der Glaubensverkündigung verwendet werden. Einerseits soll dies durch die Jubiläumsfeste in allen Deka-

Ein Stück Linzer Geschichte: Bischofsstab von Franz Joseph Rudigier, 1852-54 (Diözesanbildstelle) naten zum Ausdruck kommen, anderseits weiß man aber sehr wohl, daß ein einmaliges gemeinsames öffentliches Auftreten der Gläubigen bei einem Fest mit dem Bischof noch nicht einen längerwirkenden Anstoß bringt. In dieser Hinsicht werden das Diözesanjubiläum und sein religiöses Ziel auch die nächsten Jahre der Kirche von Linz begleiten. Für Verzagtheit besteht kein Anlaß. Schließlich wurde als Leitwort das Wort Jesu gewählt: „Ich bin bei Euch alle Tage.”

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