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Falsche Akzente

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Jeder Eingriff bringt nicht nur Probleme mit sich, man kann und soll ihn auch nutzen, um sinnvolle Entwicklungen zu begünstigen, neue Akzente zu setzen. Genau das ist aber, so scheint es mir, bei dem von der Bundesregierung in Aussicht genommenen Maßnahmenpaket zu kurz gekommen. Da wurde allzusehr auf die einfache Aufbringung von Mitteln geachtet.

Typisches Beispiel ist die Mehrwertsteuer. Für Unternehmen ist sie ein Durchlaufposten, der sie nicht direkt berührt. Betroffen ist nur der Endverbraucher — und da wiederum eher der falsche, nämlich der sozial schwache (siehe

FURCHE 38 83). Bei Lebensipit- teln (die einen hohen Anteil der Aufwendungen in Haushalten mit niedrigen Einkommen ausmachen) wird nämlich der Satz um 25 Prozent erhöht, bei Luxusgütern nur um 6,7 Prozent!

Hier hätten die Akzente anders gesetzt werden können: Eine Anhebung des Steuersatzes auf Luxusgüter von 30 auf 37,5 Prozent würde es bei den gegebenen Nachfragegewohnheiten ermöglichen, den niedrigen Steuersatz von acht auf nur neun Prozent anzuheben. Der Ertrag bliebe gleich und vielleicht würde der Autokaufboom gebremst.

Noch etwas ist an der neuen Mehrwertsteuerregelung zu kritisieren. Die Anhebung des Steuersatzes auf Energie von 13 auf 20 Prozent trifft ausschließlich die Endverbraucher (auch hier wieder die ärmeren besonders) und findet keinen Niederschlag in der Kostenrechnung der Unternehmen.

So sehr ich für die Verteuerung der Energie eintrete, damit weiteres Energiesparen begünstigt wird, so unklug finde ich es, die damit verbundenen Kosten nur den Haushalten direkt aufzubürden. Auch die Unternehmen sollten zu weiterem Energiesparen veranlaßt werden.

Man hätte durchaus eine Regelung finden können, die in diese Richtung gewirkt hätte. Die Energieverwertungsagentur hat diesbezüglich schon vor einiger Zeit Modelle entwickelt. Ein Ansatz ist die Besteuerung der Energie an jener Stelle, wo sie zum ersten Mal in den Wirtschaftskreislauf ein- tritt (bei den Importen oder bei der Erzeugung im Inland). Damit werden alle an der Wirtschaft Beteiligten zum Sparen animiert bzw. angeregt, Abfallwärme zu nutzen.

Da es nur wenige Importeure und Produzenten von Energieträgern gibt, wäre eine solche Steuer auch nicht schwer zu administrieren.

Schwer verständlich ist auch die einheitliche Kürzung der Geburtenbeihilfe um ein Drittel. Wenn man schon unbedingt bei diesem Posten sparen tfill, dann hätte man doch wenigstens bis zu einer vertretbaren Einkommensgrenze weiterhin den vollen Betrag auszahlen und nur bei höheren Einkommen sparen können.

Ob aber ganz allgemein diese eher kinderfeindliche Maßnahme einer Regierung gut ansteht, die hohe Geburtenbeihilfen als Mittel zum Kampf gegen die Abtreibung angepriesen hat und die sich überdies anschickt, ein sicherlich nicht kostenloses Familienministerium aus der Taufe zu heben? Hätte man schon unbedingt im Bereich Familie sparen wollen, so wären sicher mehr als 100 Millionen bei der Schulbuchaktion (Gesamtaufwand eine Milliarde) zu holen gewesen. Aus Rücksicht auf die notleidenden Verkehrsbetriebe hat man wahrscheinlich auch bei Schulfreifahrten (Aufwand 2,9 Milliarden) nicht den Sparstift angesetzt.

Die Einsparungen im Bereich Familie erscheinen mir überhaupt symptomatisch für falsche Prioritäten. Solange man selbstverständlich den Abgang von 1,3 Milliarden Schilling bei den Bundestheatern hinnimmt, zwar bei den Bundesbahnen 25 Prozent der Überstunden, im übrigen Bereich der Bundesverwaltung aber nur 1,6 Prozent einzusparen bereit ist, fragt man sich, was das Gerede von der Förderung der Familie soll. Statt bei den Geburtenbeihilfen sollte man beim Familienministerium sparen.

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