Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Falsches Horoskop
„Wie alle Wassermann-Geborenen hat Bundeskanzler Kreisky ein positives, erfolgreiches Jahr vor sich.“ So das Horoskop für den österreichischen Regierungschef aus der Tageszeitung „Kurier“. Emil Stejnar, der Mann, der für den „Kurier“ diese Aussage traf, ist hauptberuflich als Juwelier und nebenberuflich als Sterndeuter tätig. Tatsächlich dürfte er ein besserer Juwelier sein. Denn im Gegensatz zu den Sterndeutern sagen die innenpolitischen Auguren dem Dr. Kreisky ein eher unruhiges Jahr voraus.
„Wie alle Wassermann-Geborenen hat Bundeskanzler Kreisky ein positives, erfolgreiches Jahr vor sich.“ So das Horoskop für den österreichischen Regierungschef aus der Tageszeitung „Kurier“. Emil Stejnar, der Mann, der für den „Kurier“ diese Aussage traf, ist hauptberuflich als Juwelier und nebenberuflich als Sterndeuter tätig. Tatsächlich dürfte er ein besserer Juwelier sein. Denn im Gegensatz zu den Sterndeutern sagen die innenpolitischen Auguren dem Dr. Kreisky ein eher unruhiges Jahr voraus.
Dabei meinen die Auguren gar nicht die wirtschaftlichen Probleme, die 1972 erwartet und von der Regierung bewältigt werden müssen. Vielmehr rechnet man mit internen Krisen. Erste Anzeichen sind bereits erkennbar.
Sogar in der SPÖ redet man bereits darüber und man verheimlicht es auch nicht gegenüber Außenstehenden: Das Verhältnis zwischen der Wiener SPÖ einerseits sowie der Partei auf Bundesebene und den Bundesländersozialisten spitzt sich immer mehr auf eine Auseinandersetzung zu. Die Vertrauenskrise scheint bereits existent; führende Sozialisten außerhalb der Bundeshauptstadt machen aus ihrer Meinung gar kein Hehl mehr. Für sie ist die Wiener SPÖ, wenn sie es vorsichtig formulieren, „reformbedürftig“; wenn sie eine offene Sprache bevorzugen, „indiskutabel“.
„Die Wiener SPÖ paßt nicht mehr zum Image der gesamtösterreichischen SPÖ“; die Kritik erschöpft sich nicht nur an programmatischen, ideologischen Differenzen und am unterschiedlichen Image. Immer mehr kristallisiert sich auch eine harte Personalkritik heraus, die etwa in dem Ausspruch eines SP-Funktionärs ihren Widerhall findet: „Es ist fast unvorstellbar, daß dort, wo heute ein Felix Slavik thront, einmal ein Jonas oder sogar ein Körner als Bürgermeister residierten.“ Darüber, daß mit der Wiener SPÖ etwas geschehen wird müssen, ist man sich im Hauptquartier in der Löwelstraße einig. In den Bundesländern drängt man sogar auf eine rasche Lösung. Die Frage ist nur, wann sie kommt und wie sie aussieht. Jedenfalls wird in der Löwelstraße die Atmosphäre zwischen dem 1. Stock (Wiener SPÖ) und dem 2. Stock (SP-Bundeslei-tung) immer frostiger.
Während man sich an der Spitze der Partei noch immer optimistisch und zufrieden gibt, während im Brain-Trust noch immer das beste Klima herrscht, zeigen sich im „Parterre“ der Parteiorganisation offenbar erste Risse. Das sogenannte Fußvolk, die Funktionäre, sind zwar mit dem Kreiskyschen Regderungs-stil mehr oder weniger einverstanden. Sie haben sich mit dem Bild der „linken Volkspartei“ bereits so angefreundet, daß sie eine Rückkehr zu den unseligen (für die ÖVP freilich eher seligen) Zeiten des Austro-marxismus fürchten.
Aber Kenner der Situation glauben, Parallelen zwischen der SPÖ heute und der ÖVP im Winter 1966/67 zu erkennen.
Meinungsforscher registrieren bereits, daß sich die Einstellung zur Regierung Kreisky langsam von einer positiven zu einer kritischen Beurteilung wandelt. Auch 1967 kam die erste Schlechtwettermeldung für die ÖVP im Frühjahr durch die Meinungsforschung. Im Oktober erlitt die Volkspartei die erste arge Schlappe in Oberösterreich.
Meinungsforscher werden oft als genauso zu- oder unzuverlässig angesehen wie die Astrologen. Wer mit seiner Aussage für 1972 in bezug auf Kreisky, seine Regierung und Partei recht behalten wird, dürfte sich daher noch im ersten Vierteljahr herauskristallisieren, wenn die ersten Umfrageergebnisse vorliegen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!