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Familie und Gesellschaft

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Die Gesprächspartner stehen einander verständnislos gegenüber. Die Regierung rühmt sich - von ihrem Standpunkt aus zu Recht - der Leistungen, die sie zugunsten der Familien erbracht hat: die Erhöhungen der Beihilfen, das Gratis-Schulbuch, die Gratis-Schulfahrt, die Förderung öffentlicher Einrichtungen, .mit denen den Familien das Leben erleichtert werden soll, wie Familien- und Schulberatung, Kinderkrippen und Kindergärten. Die Sprecher der Familienorganisationen sind damit nicht zufrieden. Sie weisen auf die Milliarden, die durch den Familienbeihüfenfonds geflossen sind und - obwohl zweckgebunden für den Familienlastenausgleich - nicht so verwendet worden sind, wie es den Vorstellungen der Familiensprecher entsprochen hätte.

Bloß ein Gezänk um die Verteilung von Subventionen - wie soviel auch um andere Subventionen gefeilscht wird-, bei dem die Regierung eben am längeren Hebel sitzt? Bloß ein Streit um politische Positionen, wobei sich die Familienvertreter, auch wenn sie nicht parteigebunden sind, zum willfährigen Handlanger der Opposition machen lassen? Oder steckt doch mehr dahinter?

Scheiden sich hier nicht die Geister? Liegt nicht hier, ungebührlich vereinfacht auf die Frage: „Sachleistungen oder Direktleistungen?“, die Kluft zwischen den Menschenbildern, die in der Regierungspartei einerseits, bei „den andern“ anderseits gelten? Auch wenn sie in ihrer grundsätzlichen Unterscheidung nur wenigen bewußt sind.

„Die SPÖ bekennt sich zur demokratischen, partnerschaftlichen Familie“, heißt es im Entwurf zum neuen Parteiprogramm, „die ein wichtiges Bindeglied zwischen den Generationen darstellt und den einzelnen Familienmitgliedern Solidarität, Anteilnahme und Schutz bietet.“ Nicht mehr? „Als Teil dieser Gesellschaft vollzieht die Familie gesellschaftliche Entwicklungen mit und ist sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Einflüssen ausgesetzt“

Die Familie nur als „Bindeglied zwischen den Generationen“, als „Teil der Gesellschaft“, ausgesetzt äußeren Einflüssen? Nicht mehr? Ohne eigenständige Bedeutung?

Der Zweite deutsche Familienbericht, im Vorjahr in der Bundesrepublik Deutschland von Regierungsstellen veröffentlicht, hat diese Tendenz noch deutlicher ausgedrückt. Dort wird ein grundsätzliches Bekenntnis zur Famüie als überzeitlichem Ordnungsprinzip ausdrücklich abgelehnt und in die „traditionelle Betrachtungsweise kirchlich-religiösen Denkens“ verbannt. Dort läuft die Tendenz offen auf eine fortschreitende Vergesellschaftung von Pflege und Erziehung der jungen Generation hinaus - nur soviel Familie als unbedingt nötig. Die Familie hat nur mehr eine Funktion im Leistungsaustausch mit der Gesellschaft: sie ist einseitig den gesellschaftlichen Interessen verpflichtet, statt daß der Staat ihr um des Menschen willen volle Entfaltungsmöglichkeit zu gewährleisten hätte. Die Familie ist nur mehr der Gesellschaft wegen vorhanden. Die rechtliche Gleichstellung der Kommunen als Alternative zur Familie ist dann nur logisch - diese Gleichstellung scheitert lediglich am Mangel einer funktionierenden Kindererziehung.

Wie gesagt - diese Ausführungen entstammen dem deutschen Familienbericht, nicht dem SPÖ-Pro- gramm. In diesem folgen nach der zitierten Präambel fünf Punkte praktischer Familienpolitik, von denen vieles, ja das meiste, auch für uns voll akzeptabel erscheint.

Trotzdem bleibt bei der Lektüre ein

Gefühl des Unbefriedigtseins zurück. Der Begriff „Ehe“ kommt im ganzen Entwurf nicht vor. Der Normalfall für die Gründung einer Familie - so oft er auch heute durchbrochen werden mag - ist für die SPÖ nicht existent. Hier scheiden sich die Geister.

Die Familie ist dort nur mehr eine von vielen Schaltstellen der Gesellschaft, sie besitzt nicht mehr die vorgesellschaftliche Eigenbedeutung, die ihr in der christlichen Sozialphilosophie zukommt. Hier scheiden sich wieder die Geister.

Die Katholische Aktion hat für das nächste Jahr die Arbeit an der Familie als Leitthema gesetzt. Dieses „Jahr der Familie“ wird nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es gelingt, den Menschen dieses Landes bewußtzumachen, daß die Familie nicht nur Dienstleistungsbetrieb einer anonymen Gesellschaft ist (dessen „Arbeitskräfte“ noch dazu meist unbezahlt arbeiten), sondern der eigenständige Kern dieser Gesellschaft, mitunter auch Gegenpol mit humanisierendem Reservat. Im Sinn des Subsidiaritätsprinzips hat sie die Aufgaben zu erfüllen, die ihr obliegen und zu denen sie imstande ist - die Gesellschaft, der Staat hat ihr dabei zu helfen. Nicht umgekehrt. Je besser diese Hilfe ist, desto mehr Aufgaben wird sie von sich aus erledigen können. Und sie wird sie billiger und besser erledigen.

Das „Jahr der Familie“ aber sollte Gelegenheit bieten, durchzudenken, wie sich dieser Grundsatz in allen Bereichen des öffentlichen Lebens praktisch verwirklichen lassen könnte.

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