7006145-1987_43_04.jpg
Digital In Arbeit

Familien-Hilfe für Bundesbahnen

19451960198020002020

Fast alle Gruppen klagen über die soziale Unausge-wogenheit der Budgetsanierung. Wer aber Kinder hat, der wird vom Staat in Zukunft noch weniger zu erwarten haben.

19451960198020002020

Fast alle Gruppen klagen über die soziale Unausge-wogenheit der Budgetsanierung. Wer aber Kinder hat, der wird vom Staat in Zukunft noch weniger zu erwarten haben.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Familien haben als einzige Bevölkerungsgruppe bereits in den letzten Jahren einen großen Beitrag zur Budgetsanierung geleistet: von 1978 bis 1987 werden zum Beispiel zirka 61 Milliarden Schilling aus dem Familienlasten-ausgleichsfonds in die Pensions-

Versicherungskassen geflossen sein.

Hinzu kommt, daß seit Beginn der siebziger Jahre aus dem Fami-lienlastenausgleichsfonds bereits verschiedene Sach- und Sozialleistungen (Karenzurlaubsgeld, Untersuchungskosten für den Mutter-Kind-Paß, Geburtenbeihilfe) finanziert werden, die zwar familienpolitisch begründet werden können, aber deren wichtigster Aspekt letztlich eine Entlastung der defizitären Sozialversicherungen (zum Beispiel Arbeitslosenversicherung) darstellt.

Doch damit noch nicht genug: 1988 sollen 16 Millionen Schüling für den Familienhärteausgleich und 40 Millionen Schilling für die Familienberatungsstellen aus dem Familienlastenausgleichsfonds entnommen werden. Beides sind Vorhaben, die bisher aus dem allgemeinen Budget des Familienministeriums bezahlt wurden.

Den anderen Ressortministern werden Zusatzwünsche an das Budget in der Größenordnung von zirka zwei Milliarden Schilling bewilligt. Es ist daher umso weniger verständlich, daß der im Vergleich dazu bescheidene Betrag von insgesamt 56 Millionen Schilling nicht mehr direkt aus der Kasse des Familienministeriums aufgebracht werden kann.

745 Millionen Schilling soll die Übernahme der Pensionsbeiträge für die Ersatzzeiten während des

Karenzurlaubsgeldbezugs den Familienlastenausgleichsfonds kosten. Als Skurrilität sei dazu angemerkt, daß der Familienlastenausgleichsfonds „nur“ 50 Prozent der Kosten des Karenzurlaubes trägt, aber 100 Prozent der Pensionsbeiträge dafür aufgebürdet erhält.

100 Millionen Schilling wird die Übernahme der Pensionsbeiträge für die Betreuung schwerstbehin-derter Kinder kosten. Auch hier ist es wenig verständlich, daß der Familienlastenausgleichsfonds damit belastet wird, da sich ja Bund, Länder und Gemeinden erhebliche Kosten ersparen, wenn die Betreuung dieser Menschen in der Familie erfolgt.

600 Millionen Schilling verlangen die Osterreichischen Bundesbahnen aus dem Familienlastenausgleichsfonds, indem sie in Hinkunft 75 Prozent des Regeltarifs für Erwachsene aus dem Fonds für die Schülerfreifahrt ersetzt bekommen wollen. Die Tarife für die Streckenkarten der ÖBB werden im kommenden Jahr um 20 Prozent angehoben - dem Familienlastenausgleichsfonds wird aber eine 400prozentige Tariferhöhung zugemutet.

Es soll in diesem Zusammenhang auch wieder einmal an die Rechnungshofkritik aus dem Jahre 1974 erinnert werden, daß nämlich die — wenn auch indirekte — Unterstützung notleidender Linienverkehrsunternehmen nicht Aufgabe des Ausgleichsfonds sein kann.

Insgesamt werden die Schülerfreifahrten 1988 den Familienlastenausgleichsfonds mehr als 3,5 Milliarden Schilling kosten. Mit diesem Betrag könnte zum Beispiel die FamiKenbeihilfe für alle Kinder um 180 Schilling pro Monat angehoben werden.

Schließlich soll der Familienlastenausgleichsfonds 1988 Minderausgaben von 260 Millionen Schilling bilanzieren, indem zum ersten Mal in der Geschichte des Fonds bei der Grundleistung, nämlich der Familienbeihilfe, eine Kürzung eintritt.

Zukünftig werden nämlich die Eltern für ihre Kinder - soweit es sich nicht um erheblich behinderte handelt — die Familienbeihilfe nur mehr bis zum 25. Lebensjahr erhalten. Abgesehen vom Wegfall der Familienbeihilfe und des damit in engem Zusammenhang stehenden Wegfalls der Schülerfrei-fahrt beziehungsweise Schulfahrtbeihilfe, zeitigt diese Maß-

nähme auch Auswirkungen im Steuerrecht.

Beim Kinder-, Alleinverdiener-und Alleinerhalterabsetzbetrag, bei der außergewöhnlichen Belastung, bei den Sonderausgaben und bei der Besteuerung der sonstigen Bezüge,die alle vom Bezug der Familienbeihilfe für die Kinder abhängig sind, werden Verschlechterungen eintreten, die insgesamt auch zu einer erheblichen Reduzierung des Familieneinkommens führen.

Diese Maßnahme ist auch deswegen so unverständlich, weil sie von Familienministerin Marilies Flemming selbst ins Spiel gebracht wurde, um die Mehrkinderstaffel zu erreichen. Nun wird's keine Mehrkinderstaffelung geben, aber die Kürzung der Familienbeihilfe tritt dennoch ein.

Zu guter Letzt muß daran erinnert werden, daß der ÖVP-Bun-desparteivorstand noch in seinem .Aktionsprogramm Familie“ vom 17. April 1986 unter anderem beschlossen hat: Beim Familienlastenausgleichsfonds „muß zunächst einmal unterbunden werden, daß der Finanzminister immer wieder Geld aus diesem Fonds für andere Zwecke abzweigt“.

Seit die Verwaltung des Familienlastenausgleichsfonds beim Familienministerium und nicht mehr beim Finanzministerium liegt, werden erstmals Mittel dieses Fonds für die Budgetsanierung abgezweigt — ohne erkennbaren Widerstand der zuständigen Ressortchefin.

Im übrigen: Mutet es nicht eigenartig an, wenn die Familien auf die Steuerreform 1989 vertröstet werden, wenn gleichzeitig prominente Vertreter der Sozialisten bereits jetzt grundsätzlich Bedenken gegen eine steuerliche Berücksichtigung der Familie äußern?

Von einer sozialen Ausgewogenheit des Maßnahmenpakets zur Budgetsanierung kann längst nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr stellt die fortgesetzte Plünderung des Familienlastenausgleichsfonds dessen Wirksamkeit in Frage und verhindert dringend notwendige familienpolitische Maßnahmen und Initiativen. Wieder einmal gibt es eine Nullrunde für die Familienbeihilfe.

Wo bleibt die versprochene „Wende“ in der Familienpolitik?

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung