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Familiengeld ist alle

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Der Familienlastenaus-gleichfonds (FLAF) ist zum Budgetlastenausgleichfonds geworden", grollt der Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes (KFÖ), Heinrich Gotsmy, über den tiefen Griff des Finanzministers in die staatlichen Kinderkassen.

Tatsächlich ist die Lage des FLAF, in den Teile der Lohnsumme der arbeitenden Bevölkerung eingezahlt werden, um die Lasten auszugleichen, die Familien für ihre Kinder im Interesse der Gemeinschaft zu tragen haben, mehr als prekär: Salcher-Staatssekretärin Elfriede Karl prognostiziert für 1982 einen Abgang von 4,9 Milliarden Schilling. Der in der Hochkonjunktur durch gesteigerte Lohnsummen gefüllte Reservefonds kann die seit 1977 stetig wachsenden Milliardenabgänge maximal bis Ende 1983 decken.

Für die Zeit danach fordert Gotsmy seit geraumer Zeit ein Sanierungskonzept von der Bundesregierung — bislang blieb die konkrete Antwort aus.

Die Liste seiner Vorwürfe an die Budgetierung des Fonds ist, einmal von der grundsätzlichen familienpolitischen Diskussion abgesehen, lang:

Das Leistungsspektrum des Fonds werde durch Gesetzesänderungen allmählich erweitert, so daß dem Fonds als „Melkkuh der Nation" sozial-, bildungs- und gesundheitspolitische Aufgaben aufgebürdet würden, die bisher aus Budgets anderer Institutionen (zum Beispiel Arbeitslosenund Krankenversicherung) bezahlt wurden. Vom Gratisschulbuch (eine Milliarde Schilling) über die Schülerfreifahrten (knapp 3 Milliarden), vom Karenzurlaubsgeld (1,45 Milliarden) bis zum Mutterschaftsgeld fließen die Fondsmittel in die unterschiedlichsten Kanäle.

Dorn im Auge der zahlreichen Kritiker ist vor allem die Umleitung von 25 Prozent der Dienstgeberbeiträge, der Haupteinnahms-quelle des Fonds, in die schwer angeschlagene Pensionsversicherung. Aufgrund dieser Umwidmung kam der Fonds ins Schleudern, die Pensionskasse damit aber noch lange nicht aus den roten Zahlen.

Angesprochen auf den „drohenden Bankrott" (Gotsmy) verweist Minister Herbert Salcher auf Bundesgelder. „Es existiert für eine frühere Entnahme eine Bundesschuldverschreibung über 3,5 Milliarden, über die hinaus der Bund, wenn auch dies nicht ausreichen sollte, in Vorlage treten müßte", gibt er sich betont zuversichtlich. Daß diese Verbindlichkeit im Normalbudget gar nicht als Posten aufscheint und der Bund schon jetzt Gelder für fremde Zwecke - siehe Karenzurlaubsgeld — entnimmt, findet sich nur zwischen den Zeilen.

Diverse Sachleistungen im Bereich der ÖBB, der Post oder der Buchverlage, die in den Augen vieler Experten bereits Subventionscharakter angenommen haben, hält Salcher zur Herstellung der Chancengleichheit für unumgänglich. Dementsprechend erhalten auch die Vorschläge Gots-mys und der ÖVP-Familienfrau Marga Hubinek, die ausufernden Sachleistungen durch Barbeträge zu ersetzen und damit den Familien mehr Eigenverantwortung einzuräumen, entschiedene Absagen.

Für ebenso gerechtfertigt hält der Minister die Quasi-Subven-tionierung der Postsparkasse durch den Bund mittels sehr niedriger Verzinsung (8 Prozent) der Milliardensummen des Fonds.

In einem anderen heiklen Punkt signalisiert Salcher Kompromißbereitschaft: Die Selbstträgerschaft von Bund, Ländern und Gemeinden bezeichnet er als „historisches Relikt".

Bis zum heutigen Tag zahlen nämlich die Gebietskörperschaften die Familienbeihilfen für die Kinder ihrer Bediensteten selbst. Für die Sachleistungen, wie Freifahrt und Schulbücher, kommt allerdings der Fonds ohne Abgeltung auf. Zumindest der Bund könnte sich dem System der Dienstgeberbeiträge anschließen.

Mit ihrer Forderung nach Erhöhung des Abstattungsbetrages für die Kinderabsetzbeträge stößt die Familienvertretung allerdings auf taube Ohren: Während alle anderen Absetzbeträge mit 1. Jänner 1983 angehoben werden, ist von einer Anhebung des früheren, jetzt in einen Teil der Familienbeihilfen umgewandelten Kinderabsetzbetrag keine Rede. Die 7,2 Milliarden Schilling, die der Finanzminister seit Jahren für die aus dieser Änderung resultierenden steuerlichen Mehreinnahmen in den Fonds einzahlt, werden nicht erhöht.

Die Fronten sind also klar: KFÖ und Volkspartei laufen Sturm gegen die, wie es Generalsekretär Gotsmy bezeichnet, „systematische Zerstörung des Fonds als einziges noch halbwegs funktionierendes Instrument für soziale Gerechtigkeit". Sie kritisieren die schrittweise Umgehung der Zweckgebundenheit seiner Gelder durch ständige Gesetzesno-vellierungen und finden es, „um die künftige Finanzierung wieder auf eine gesunde Basis zu stellen", erforderlich, „den Fonds von diesen .wesensfremden' Verpflichtungen zu entlasten" (Hubinek).

Auf der anderen Seite wird man den Verdacht nicht los, daß man im Finanzministerium mit verzweifelten Feuerwehr-Aktionen spekuliert: Jeder Brand wird rasch gelöscht, auch wenn der Wasservorrat bereits zur Neige geht.

Staatssekretär Karl zeigt in dieser Frage eher Budgetdisziplin als Solidarität mit den übrigen Vertretern der Familienpolitik. Ihre Argumentation, sie sei zu Einnahmekürzungen des Fonds bereit, wenn es beschäftigungspolitisch notwendig sei, hält Gotsmy nur dann für gültig, wenn dadurch zumindest mittelfristig eine Sanierung des Fonds zu erwarten sei. Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Läge fürchtet der KFÖ jedoch um die zur Inflationsabdeckung schon längst fällige Erhöhung der Familienbeihilfe.

Auch Salcher ist davon überzeugt, daß .jede Maßnahme zur Sicherung der Arbeitsplätze die Fonds-Einnahmen steigert". Wenn diese Sicherungen durchbrennen, muß allerdings auch der Familienfonds mit staatlichen Zuschüssen liquid gehalten werden.

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