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Farah Diba kam im Bus

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Persepolis, von Darius dem Großen, achämenidischem Kaiser, im 6. Jahrhundert v. Ch. gegründet, war die geistige und kulturelle Hauptstadt des persischen Kaiserreiches — dessen 2500jähriges Jubiläum im kommenden Oktober gefeiert wird.

Es sind mehrere Jahrhunderte her, daß Alexander von Mazedonien diese Stadt in Brand steckte und damit seine Eroberung des persischen Kaiserreiches besiegelte. Ein anderer Grieche, der Komponist Jannis Xenakis, hätte fast seinerseits die Ruinen der Achämenäer angezündet — als sein Werk „Persepolis“ welturaufgeführt wurde. Anscheinend als Ehrung jener „unangreifbaren Felsen“, die den Wellen der Eroberung widerstanden hatten.

Die elektronisch-akustische Musik, von hundert Lautsprechern, zwischen den Ruinen verteilt, übermittelt — entstand in Paris auf einem 8-Track- Band. Der Autor wäre wahrscheinlich wenig entzückt, wenn man sein Werk als „Šon-et-Lumiėre“-Versuch bezeichnete, und doch wurde in dieser Produktion reichlich Klang und Licht geboten. Es begann mit Lärm wie Donnergeräusch, auf der Hügelspitze erschien ein Feuer, von hinten eine Reihe von Lichtem. Weitere Laute von heulenden Jet-Motoren und wimmernden Schreien, die sich in abstrakten Tönen aus den Tiefen von Zeit und Raum lösten. Das Licht kam von Brandstätten und Fackeln — alles von öl oder elektrischer

Kraft gespeist. Der Brand begann den Berg abwärts zu gleiten, es entstanden dichte Wolken, die Rauch und Staub spieen. Ans Ende schrieb Xenakis mit feuriger Feder ein persisches Sprichwort: „Wir bringen der Erde ihr Licht.“ Offenbar (?) wünschte der Komponist darzustellen, wie das Licht der iranischen Kultur in der ganzen Welt leuchtete. Seine Gegner behaupten, daß er festzustellen wünschte, daß es der mazedonische Führer gewesen sei, der das Licht gebracht hat

Eine „Son-et-Lumiėre“-Show, die die Sprache der elektronischen Musik als Mittel des Ausdrucks bringt, zur Ehre einer maschinenbeherrschten Welt, vor einer Zivilisation, die, obgleich von Alexander in Brand gesteckt, Lebensfähigkeit bewiesen hat… Wie eine Quelle an einem Ort versickert, an einem anderen wieder hervorbrechen kann — wäre eine wertvolle Aufgabe. Doch dies war kein gelungener Versuch — als die Musik mit plötzlichem Stottern auf hörte: war die Komposition „Persepolis“ zu Ende… die Ruinen der Stätte blieben bestehen.

Die Kaiserin Farah Diba, die das Protektorat über das Festival führt, war anwesend und wanderte mit einem kleinen Gefolge zwischen spärlich beleuchteten Ruinen umher — da für keine Bühne und keinerlei Sitzgelegenheiten gesorgt worden war. Die Musik von Xenakis verlangte nicht nach einem bequem untergebrachten, sitzenden Publikum. Private Parkplätze standen nicht zur Verfügung wegen der nicht beendeten Arbeiten für die 2500-Jahr- Feier, und das Publikum wurde gebeten, sich der Autobusse zu bedienen. Auch die Kaiserin dieses völlig demokratisch orientierten Landes kam mit einem Mietautobus an. Vierzig Journalisten waren Gäste des Festivals. Sie wurden mit allem Luxus empfangen und bewirtet, in erstklassigen Hotels einquartiert.

War die Xenakis-Premiere ein bemerkenswertes Ereignis, um so lebhafter erschien das Interesse und die Erwartung, betreffend der Welturaufführung von Peter Brook’s Unternehmen des „Internationalen Zentrums für Theaterforschung“, nahe’ am Grabe von Artaxerxes II., in einer vom englischen Dichter Ted Hughes erfundenen Sprache, ein Versuch, eine universelle Sprache des dramatischen Ausdruckes zu finden. Die Besetzung war international — japanische, iranische, rumänische und amerikanische Schauspieler hatten sich vereint, um „Orghast“

in zwei Teilen aufzuführen. Teil I bei Sonnenuntergang, Teil II in der Morgendämmerung.

Die übrigen musikalischen Ereignisse des Festivals sind gleichmäßig zwischen Ost und West verteilt, also Begegnung von Orient und Okzident — gleichzeitig will man dem anwachsenden Strom der Touristen etwas bieten —, was dem Libanon recht, ist dem persischen Kaiserreich billig. So konkurriert Persepolis mit Baalbeck. Das iranische Publikum scheint eine große Vorliebe für „Avantgarde"-Musik zu hegen; auf den Programmen stand Viel mehr zeitgenössische Musik als Mozart oder Beethoven.

Der junge, einheimische Dirigent Farhad Meshkat (vor einigen Jahren Preisträger des Internationalen Mitropoulos-Wettbewerbes in New York) bot mit seinem Shiraz-TV- Orchester ein vorzügliches Konzert, auf dessen Programm Kfenek, Ligeti, Prokofieff und die Uraufführung von Ivo Malecs „Lumina“ figurierten, ebenso wie ein neues Werk des iranischen Komponisten Dovlatshahi für Streicher und elektronisches Band.

Hingegen gab es traditionelle persische Musik in einem kühlen Rosengarten mit Zypressen und Pinien. Getreu dem Namen der Stadt Shiraz, der „Stadt der Dichter, der Rosen und der Nachtigallen“.

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