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Farben hören

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Die Kinder von heute sind das Publikum von morgen. Dieser einfache Grundsatz zeigt Gefahren und Chancen auf. Bekommen die Kinder von klein auf Musikkonserven, sei es nun ins Ohr gehende Popmusik oder auch eine bestimmte Form von klassischer Musik vorgesetzt, darf niemand verwundert sein, wenn im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert in den Konzertsälen von den meisten Zuhörern die Neue Musik nur mit Märtyrermiene erduldet wird.

Anläßlich der „Linzer Francaix-Tage '92" im Brucknerhaus wurden in Anwesenheit des Komponisten Jean Francaix drei Konzerte zur Aufführung gebracht. Außerdem veranstaltete das Kinderkulturzentrum „Kuddelmuddel" - nun zum zweiten Mal -die Musikwerkstatt „Töne sehen -Farben hören". Drei Stunden lang tanzten, malten und spielten sechzig Kinder im Alter von etwa zehn Jahren Theater zu den Klängen von Francaix' Musik.

Jean Francaix, der am 23. Mai seinen 80. Geburtstag feierte, ist der letzte Komponist einer großen Tradition. Sein Ziel ist es, „Musik, die Vergnügenbereiten soll", „ernste Musikohne Schwere" zu schreiben. Wolfgang Winkler vom ORF-Landesstudio Oberösterreich moderierte diesen Nachmittag, der, wie er meint, den „Versuch der Öffnung gegenüber einer Musik darstellt, die nicht den Warencharakter einer ,Musik für einen Tag' hat, aber auch nicht etikettiert wird. Nicht die Fähigkeit der Benennung von Musik, sondern die ,Neugierde des Hörens' und das ,auf Musik reagieren' ist das Wichtige".

Diese Neugierde wurde bei den Kindern durch das Anhören verschiedener Musikbeispiele angeregt: Zum Rock 'n' Roll wollten einige sofort das Tanzbein schwingen, Mozart empfanden die meisten als „flott und fröhlich", ist aber auch beliebt als „Entspannungsmusik", und Jazz sei ein „ausgeflipptes Durcheinander".

Nach dieser Einführung wurde mit Instrumenten gespielt, die „nicht im Lexikon zu finden" sind, so Winkler. Der Gartenschlauch als Blasinstrument, der Deckel des Kochtopfes als Schlagwerk mußten herhalten, das Chaos schien perfekt. Auf Eins, Zwei, Drei und Vier ertönten dann zwar eigenartige Klänge: Wie lustig und heiter, schräg und witzig Neue Musik sein kann, konnten die Kinder zumindest erahnen.

Die in zwei Gruppen aufgeteilten Kinder machten sich nun daran, zu Francaix' Musik ein Plakat zu malen oder zu tanzen. Verschiedenen Tönen und Melodien wurden Farben zugeordnet, andere Kinder dachten sich eine Geschichte zum Musikstück aus. Abschließend stellten die zwei Gruppen nach zweistündiger intensiver Arbeit einander ihre Werke mit reger Anteilnahme vor.

Neue Musik erleben

„Etwas ganz anderes und überhaupt nicht fad" antwortete ein Kind auf meine Frage nach dem Verlauf des Nachmittags. Ein Mädchen sagte ein bißchen verlegen: „Popmusik ist mir schon lieber, aber gefallen hat mir das trotzdem."

Die Leiterin des Kinderkulturzentrums „Kuddelmuddel", Christa Bayr-Schrenk möchte das probeweise begonnene Projekt weiterführen. Sie sei überrascht gewesen vom großen Interesse und den zahlreichen Anmeldungen. Schon beim ersten Mal, damals wurde zur Musik von Arvo Pärt getanzt, getöpfert und gemalt, sei es für alle, Veranstalter, Mitarbeiter und Teilnehmer ein Erfolg gewesen: „Die Kinder sollen sich ausleben" und die Möglichkeit haben, „(Neue) Musik neu zu erleben". Das ist an diesem Nachmittag gelungen.

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