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Fast normaler Hollander

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Nach Wieland Wagner eines der zehn Musikdramen neu zu inszenieren und auszustatten, das kommt, wie ja auch der vieldiskutierte und heftig angefeindete letzte Bayreuther „Ring“ erwiesen hat, einem Himmelfahrtskommando gleich. Und auch Cherreau kann man nicht kopieren, höchstens persiflieren. Aber der bisher in Tübingen tätig gewesene neue Freiburger Intendant, Dr. Manfred Beilharz, hat es gewagt, auf der Suche nach einem „dritten Weg“ seinen hauseigenen Regisseur Michael Rothacker mit dieser heiklen Aufgabe zu betrauen, der, das sei vorweggenommen, eine recht anständige, vernünftige Lösung gefunden hat.

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Nach Wieland Wagner eines der zehn Musikdramen neu zu inszenieren und auszustatten, das kommt, wie ja auch der vieldiskutierte und heftig angefeindete letzte Bayreuther „Ring“ erwiesen hat, einem Himmelfahrtskommando gleich. Und auch Cherreau kann man nicht kopieren, höchstens persiflieren. Aber der bisher in Tübingen tätig gewesene neue Freiburger Intendant, Dr. Manfred Beilharz, hat es gewagt, auf der Suche nach einem „dritten Weg“ seinen hauseigenen Regisseur Michael Rothacker mit dieser heiklen Aufgabe zu betrauen, der, das sei vorweggenommen, eine recht anständige, vernünftige Lösung gefunden hat.

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Nun bietet „Holländer“ verglichen mit den späteren Werken, die geringsten stilistischen Probleme. Da kann man sich bis zu einem gewissen Grad noch an die Realität der, wenn auch phantastischen, Geschichte, halten. Der Königsgedanke der Freiburger Neuinszenierung war das pausenlose Durchspielen dieser „romantischen Oper in drei Akten“, die Wagner ja ursprünglich als dreiteilige szenisch Ballade konzipert hatte. Einen so kurzen und kurzweiligen „Holländer“ habe ich noch nicht gesehen: zwei und eine Viertelstunde vergingen, bei angezogenem Tempo, wie im Flug. Oder soll man sagen: wie bei einer abwechslungsreichen Seefahrt mit Zwischenlandung.

Das Szenische hatte Klaus. Teepe ebenso praktisch wie plausibel gelöst: Eine zweistöckige Bühne, auf deren oberem Teil Dalands Schiff, ziemlich realistisch, mit Breitseite zum Publikum, aufgebaut ist. Dann schiebt sich von links ein riesiges, braunes, ständig flatterndes Segel, das des Holländers, etwa bis zur Bühnenmitte darüber. Die beiden Kapitäne verhandeln an Bord (über Senta), während sich die Mannschaft, wie üblich, ausgelassener Fröhlichkeit hingibt. Natürlich nur die Dalands. Soweit gut, und auf eine nicht unsympathische Art konventionell. Aber warum Daland — bei dem Wetter! — einen braunen Bratenrock trägt — mit gleichfarbigem Zylinder? Er ist eben nicht nur Kapitän, sondern auch Schiffsbesitzer, also Großbürger und Kapitalist, der — und nun wird es „kritisch“, das heißt gesellschaftskritisch — auch einen Spinnereibetrieb leitet.Denn im zweiten Bild sehen wir; statt der kleinen schnurrenden Spinnrädchen, einige große Webstühle, an denen etwa zwei Dutzend junger Mädchen im Takt werken. Indessen meditiert Senta merkwürdig statisch, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich unbewegt, innerhalb dieses Betriebes, der wohl die unmittelbar vorindustrielle Technik und Gesellschaft demonstrieren soll. Von traumatischen Vorstellungen oder gar Hysterie — kaum eine Spur. Als Kompensation hat die neuenga gierte mitteljunge Armenierin Maryam Hagopitan einen starken, schöntimbrierten und voluminösen-Sopran einzusetzen. Auch Shari Boruvka als Amme kann sich hören lassen, ebenso Michael Grabow als Steuermann. John Seabury scheint zwar, was Bühnenerfahrung betrifft, ein Anfänger zu sein, aber sein Bariton läßt einige Male aufhorchen. Hingegen bewältigt der (ebenfalls neuengagierte) Luis Glöckner stimmlich nur die erste Hälfte seiner Partie als Erik. Georg Borowansky, offenbar ein Liebling des Publikums, agiert und singt den Daland mit gutgespielter Naivität.

Was an diesem Abend am wenigsten befriedigte, war das Freiburger Philharmonische Orchester unter Klauspeter Seibel, der sich als Dirigent während der vergangenen Saison, wie man hörte, gut bewährte. Aber dieses Orchester haben wir schon in besserer Form erlebt. War die Probezeit für den ersten Opern-premierenabend zu kurz? Oder der einzelne Musiker infolge des pausenlosen Durchspielens überfordert? Aber bereits in der Ouvertüre ging es stürmischer zu, als vom Komponisten vorgesehen, und neben unpräzisen Einsätzen gab es wenig echten Lyrismus und kaum, klanglichlyrische Delikatesse. Doch kann sich dös bei der zweiten oder dritten Aufführung vielleicht schon zum Besseren wenden ...

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