6906856-1980_47_03.jpg
Digital In Arbeit

Faszinierende Scheinwelt

Werbung
Werbung
Werbung

Als vor einigen Jahren in Amerika der jugendliche Mörder Ronnie Zarriora vor Gericht stand, verteidigten ihn seine Anwälte mit dem Argument, Ronnie habe während seines 15jährigen Lebens Zehntausende Morde in Fernsehfilmen miterlebt und schließlich zwischen der Scheinwelt auf dem Bildschirm und der Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden können. >

Ein besonders krasses Beispiel dafür, welche Gefährlichkeit man dem Fernsehen zumißt. Ist die Lage wirklich so ernst?

Univ.-Ass. Dr. Eugen Semrau vom Publizistik-Institut der Universität Wien sprach in einem Referat über „Gewalt irrrFernsehen" offen aus: „Als gesichertstes Ergebnis der Gewaltwirkungsforschung kann gelten, daß das häufige und intensive Ansehen von gewalthaltigen Inhalten bei Jugendlichen und Kindern unter gewissen sozialen Bedingungen (entsprechendes Milieu, geringe Aggressionshemmung, gestörte So-, zialkontakte) zu verstärkter Gewaltanwendung führen kann."

Und gerade Kriminalfilme stehen laut einer Fessel-Umfrage im Auftrag des ORF an erster Stelle der Lieblingssendungen der österreichischen Zwölf- bis Vierzehnjährigen, ja 40 Prozent dieser Altersgruppe hätten gerne noch mehr davon.

Zumindest für die Volksschulkinder ergab eine Studie des Wiener Instituts für Gesellschaftspolitik, daß mehr als zwei Drittel von ihnen Schwierigkeiten haben, zwischen Realität und Fernsehwelt, aber auch zwischen Werbefernsehen und übrigem Programm zu unterscheiden.

Diese speziell auf „Kinder und Fernsehwerbung" konzentrierte Studie meint, „daß mit der Häufigkeit des Ansehens von Werbesendungen, die Neigung, das Taschengeld für die in der Werbung angepriesenen besonders auf Kinder bezogenen Güter auszugeben, steigt".

Laut Fessel-Studie sehen bereits fast alle Vierjährigen regelmäßig fern, durchschnittlich sehen Sechs-bis Vierzehnjährige täglich eine bis 2 3/4 Stunden fern, drei Viertel sind damit zufrieden, ein Fünftel würde allerdings gern noch öfter sehen (nach einer neueren Umfrage des Linzer Instituts für Markt- und So-zialanalyse/IMAS sogar 42 Prozent).

Laut I MAS-Umfrage nützen Kinder auch die anderen Massenmedien mehr als man glaubt: 51 Prozent der Sieben- bis Vierzehnjährigen besitzen ein eigenes Radio, 72 Prozent der Zehn- bis Vierzehnjährigen lesen manchmal, 24 Prozent täglich eine Tageszeitung.

Diesen Dingen müssen Eltern ins Auge sehen. Einfache Lösungen gibt es für sie nicht, nur den unbequemen täglichen Kampf mit den vielen Dingen, .die täglich über Medien auf sie und ihre Kinder hereinbrechen.

Dazu gehört nun einmal, und das muß immer wieder gesagt werden, daß man das TV-Gerät nicht zum „Babysitter" umfunktioniert, sondern sich gemeinsam mit den Kindern vor den Bildschirm setzt, mit ihnen die Programme bespricht, ih-. nen immer wieder die Unterschiede zur Realität klarzumachen versucht.

Dazu gehört das eigene Vorbild, sich nicht selbst täglich „berieseln" zu lassen, sondern auch Ruhetage einzulegen und Sendungen gezielt auszuwählen.

Und dazu gehört das Organisieren von anderen Freizeitbeschäftigungen für die ganze Familie, damit Kinder auch abseits vom Bildschirm für sie Befriedigendes erleben können.

Dieser Weg ist sicher sehr mühsam, aber gibt es einen besseren?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung