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Fatales Eigentor

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Ursprünglich war ein dreiteiliges Interview über die Aussichten auf die Ratifizierung des in Wien von US- Präsident Carter und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Breschnew- Unterzeichneten SALT-II- Vertrages im amerikanischen Senat geplant. Gegner, Befürworter und Neutrale sollten zu Wort kommen. Dieses Konzept wurde dann fallen gelassen, weil die Regierung und die Befürworter der Ratifizierung eine solide Mehrheit zu mobüisieren imstande waren.

Die potentiellen Gegner wurden mit dem Versprechen abgefertigt, in den nächsten Jahren werde potentiell aufgerüstet, auch wenn die von Senator Nunn, dem Führer einer der bedeutendsten Gruppe von Ratifizie- rungs-Gegnem, geforderte Erhöhung des Rüstungsetats um fünf Prozent über der Inflationsrate nicht ganz akzeptiert wurde.

Es ging solange gut, bis sich die Regierung ein fatales Eigentor schoß. Wohl im Übereifer, geboren aus innenpolitischer Schwäche, flüchtete die Regierung mit der Entdeckung einer sowjetischen Kampfbrigade in Kuba an die Öffentlichkeit. Damit hatte sie sich in eine Ecke manövriert, aus der sie nur mehr schwer ausbrechen kann. Der taktische Fehler lag vor allem darin, daß diese Einheit als Kampfeinheit bezeichnet wurde, womit jedermann eine aggressive Absicht der Sowjets verbinden mußte.

Die Ratifizierungsdebatte im Senat wurde daraufhin sofort,eingestellt und selbst SALT-II-Befürworter verweigerten weitere Beratungen, ehe die Sowjets diese Brigade nicht aus Kuba abgezogen hätten. Carter hatte zwar zu bedachtsamer Reaktion aufgefordert und ein Junktim zwischen SALT II und der Kuba-Affäre abgelehnt, aber das Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber den Sowjets war inzwischen zu groß geworden.

Dabei ist noch nicht einmal erwiesen, ob diese Einheit nicht doch zur Ausbildung kubanischer Truppen für den Einsatz in Afrika bestimmt ist, wie dies die Sowjets behaupten. Jedenfalls stellt ihre Anwesenheit keinen Verstoß gegen die amerikanisch-sowjetischen Abmachungen dar, aber sehr wohl gegen den Geist dieser in der kubanischen Raketenkrise geborenen Vereinbarungen.

Die Sowjets haben freilich wenig Lust, ihre Truppen abzuziehen, obgleich sie Carter gerne helfen würden, weil auch sie an der Ratifizierung von SALT II stark interessiert sind. Das meiste, was wohl zu erreichen ist, wäre eine Erklärung, daß diese Einheit eine Ausbildungstruppe ist, die niemals gegen amerikanische Anlagen eingesetzt wird.

Damit werden sich die Falken im Senat aber nicht zufrieden geben. Schon verbreiten sie die Ansicht, daß die in Kuba stationierten sowjetischen Flugzeuge auch Atomwaffen führen können. Die Tauben wiederum würden einen Rückzieher Carters als einen frischen Beweis seiner Inkompetenz und Tölpelhaftigkeit werten. Denn schließlich hatte den Präsidenten ja niemand gezwungen, mit der Kuba-Erklärung an die Öffentlichkeit zu gehen.

Wenn diese blamable Episode schließlich überwunden sein sollte, werden die Aussichten auf die Ratifizierung von SALT II wesentlich vermindert sein. Man spricht schon davon, daß die Debatte im Plenum des Senats in diesem Jahr kaum noch stattfinden wird.

Es ist der Gipfel der Ironie, daß jener Politiker,der den S ALT-II-Vertrag noch retten kann und vermutlich auch retten wird, Senator Edward Kennedy ist, der in den letzten Tagen Präsident Carter völlig in den Schatten gestellt hat. Die jüngste, schon weniger kryptische Erklärung über seine Absicht, sich um die Präsidentschaft zu bewerben, haben Carters erschreckende Schwäche selbst innerhalb seiner eigenen Partei enthüllt und noch mehr Zweifel an seiner Regierungsfähigkeit aufkommen lassen.

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