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„Federl“ für die ÖVP

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Ein „Federl“ mehr hatte sich Tirols Landeshauptmann Eduard Wallnöfer gewünscht. Und so geschah es auch am 8. Juni bei den Tiroler Landtagswahlen, wenngleich nicht ohne Zittern und Bangen: Die ÖVP gewann ein Mandat, eroberte damit die Zwei-Drittel-Mehrheit im Tiroler Landtag zurück und hält zur Zeit bei einem Stimmenanteil von 61,1 Prozent.

Mit dem Motto „Ubermacht macht Übermut“ und „zuviel schwarz in Tirol“ wollten die Tiroler Sozialisten die Zwei-Drittel-Mehrheit der ÖVP verhindern. Die ersten Ergebnisse aus ländlichen Kiemgemeinden in den wirtschaftlich ärmeren Wahlkreisen Ost und West ließen diese Hoffnungen als greifbar erscheinen, doch die hohen Stimmengewinne der ÖVP in den hochindustrialisierten Gebieten Unterinntal und Innsbruck machten sie zunichte: das Wahlziel wurde, wenn auch knapp, verfehlt.

In der ersten Analyse des Ergebnisses der Tiroler Landtagswahl meinte der vom sozialistischen IFES in das Fernsehen abkommandierte Dipl.-Ing. Ernst Gehmacher, daß kein Bundestrend bewiesen sei und daß sich die wahlberechtigte Tiroler Jugend von der Volkspartei nicht angesprochen fühle. So hätte es auch der sozialistische Wahlkampf-Leiter Dr. Heinz Brantl erklärt, so meinte es schließlich auch der sozialistische Zentralsekretär Fritz Marsch. Die Frage, wie es denn möglich sei, in einem für österreichische Verhältnisse überdurchschnittlich jungen Bundesland 61 Prozent der Stimmen zu erreichen und gleichzeitig an den Interessen der Jugend vorbeizugehen, blieb unbeantwortet; ebenso die Frage, was die Gründe für die hohen ÖVP-Gewinne in den Städten Innsbruck, Kufstein, Lienz und Kitzbühel seien. Doch wohl die politisch größere Sensibilität der Städter, die überdies von den Massenmedien viel stärker als die ländlichen Kleingemeinden erfaßt werden.

Tatsächlich spielte die Bundespolitik in den Tiroler Wahlkampf sehr stark hinein. Der sozialistische Spitzenkandidat Dr. Herbert Saldier, der sicherlich unter seinem Wert geschlagen wurde, ließ keine Gelegenheit aus, die Leistungen des Bundes für Tirol zu rühmen. Doch der Adressat seiner rühmenden Worte, Bundeskanzler Dr. Kreisky, blieb

aus. Er wollte sich nicht so knapp vor den Nationalratswahlen mit einer — wenn auch erträglichen — Niederlage beflecken. Ganz im Gegenteil dazu strömten öVP-Bundes-politiker nach Tirol: Bundespartei-obmann Dr. Schleinzer, Klubobmann Koren, ÖAAB-Obmann Mock, Bau-ernbundpräsident Minkowitsch, Nationalratskandidat Dr. Taus, Wirtschaftsbund-Generalsekretär Doktor Busek — sie alle gaben den Tirolern die Ehre ihres Wahlkampfauftrittes. Und diese Bundessprecher stellten, wie denn auch anders, ausschließlich bundespolitische Probleme zur Diskussion. Im Gegensatz dazu beschied sich Landeshauptmann Eduard Wallnöfer mit der Rolle des Landesvaters, der um ein noch höheres Maß an Zustimmung bat, um sich gegen die Wiener Zentralstellen besser für die Interessen seines Landes durchsetzen zu können.

Die bundespolitische Komponente dieses Wahlkampfes ist demnach nicht zu leugnen; nicht zu leugnen ist auch die Tatsache, daß die ÖVP dort am meisten gewann, wo die Arbeitsplatzunsicherheit am größten ist; etwa in Wattens. Dieses Wählerverhalten muß Gründe haben, die nicht nur mit der Persönlichkeit des Landeshauptmannes zu tun haben. Denn Autoritäten — und Landeshauptmann Wallnöfer ist unbestritten eine Autorität — werden In ländlichen Kleinregionen am meisten geschätzt; dort aber verlor die ÖVP. Es ist .demnach nicht nur problematisch, sondern auch falsch, das Ergebnis der Tiroler Landtagswahlen allein mit der Persönlichkeit des Landeshauptmanns zu erklären.

Interessant mag in diesem Zusammenhang sein, daß die ÖVP bei den letzten Arbeiterkammerwahlen in Tirol bedeutend besser abschnitt als bei den Landtagswahlen vom 8. Juni 1975. Das deutet darauf hin, daß es in beiden Großparteien Probleme mit den Stamm Wählern gibt: bei der SPÖ machen die Arbeitnehmer Sorgen, bei der ÖVP deuten etwa die Bauern eine etwas gelockerte Parteidisziplin an. So war es im übrigen auch bei den Landtagswahlen in Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und Niederösterreich. Und selbst die Landtagswahlen in Wien und Kärnten zeigten leichte Tendenzen in dieser Richtung.

Aus den Ergebnissen von allen neun Landtagswahlen eine Prognose über den Ausgang der Nationalratswahlen zu ziehen, ist problematisch. Sicher hat die SPÖ auf Landesebene in den letzten fünf Jahren nicht soviel an Stimmen verloren wie die ÖVP in den vier Jahren ihrer Alleinregierung davor. Daraus kann geschlossen werden, daß deren Chancen, am 5. Oktober 1975 im Nationalrat die relative Mehrheit zu erringen, kleiner sind als die der SPÖ. Nur aussichtslos ist das, wie es da und dort dargestellt wird, keineswegs. Zumal die Sehnsucht der österreichischen Wähler nach einer Zusammenarbeit der politischen Parteien heute bedeutend größer ist als noch vor fünf Jahren. Wirtschaftliche Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Inflation gehen nun einmal an keiner Regierungspartei vorbei.

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