An einer Grenze

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Afghanistan mit den geschlossenen Grenzen ist eine Falle. Keine Gedichte mehr schreiben zu können, ist eine Denkfalle. Rettung gehört her.

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Afghanistan mit den geschlossenen Grenzen ist eine Falle. Keine Gedichte mehr schreiben zu können, ist eine Denkfalle. Rettung gehört her.

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In Afghanistan gibt es 300 Richterinnen, die nun mit dem Tode bedroht sind, weil sie nach Auslegung der Misogynisten gar nicht der Rede wert sind. In der Kürze das Drama auszuschreiben, ist möglich, denn das Wort lautet: Rettung ist eine Tat. Während ich an den Innenminister der Hardliner-Regierung schreibe, tanzen unten im Erdgeschoss die Hochzeitsgäste bester Freunde. Auch das rosa gewandete Baby griechischer Eltern ist im Reigen dabei. Gleichzeitig brät ein Lamm auf dem Griller, mariniert von den türkischen Nachbarn und zerteilt und gestiftet an Steirer und Kärntner in Tirol. Richterinnen darunter. Sie erzählen von den unterschiedlichen Herkünften und den daraus resultierenden Lebenswegen, die zu dieser Hochzeit führten. Jeder und jede ist austauschbar durch jede und jeden von uns. Wir feiern aber, und dieser Ort ist nicht austauschbar. Im Kunstwerk beargwöhnen wir einander nicht. Ist diese Behauptung ein Resultat der Bewältigungsversuche geschichtlicher Vergangenheit? Was fehlt? Die Verfolgten aus jenem Land, das ich nicht kenne. Sie stecken in den Redaktionen und in den Körpern und Geistern von Frauen. Auf einmal denke ich nur an Frauen. Sie sind nicht austauschbar, seit den neunziger Jahren ist mir bewusst, dass die Body-Identity nicht austauschbar ist. Frische Mütter reichen ihre Neugeborenen über den Zaun, um sie vor gefolterten Müttern und damit der Weltfolter zu retten. Auf Zuversicht getrimmt schreiben zu können, geht nicht. Gestern nicht, heute nicht und in die Zukunft nicht. Afghanistan mit den geschlossenen Grenzen ist eine Falle. Keine Gedichte mehr schreiben zu können, ist eine Denkfalle. Rettung gehört her. Ich rufe eine Mitstreiterin an und frage sie, was man tun könne. Du rufst mich an, um deine Kolumne zu füllen?, fragt sie. Schreib über die Armut der Künstler.

Die Autorin ist Schriftstellerin.

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