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Ayrton Senna — ein Held der Nation?

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Seit dem „schwarzen" Wochenende von Imola, an dem die Formel-1-Piloten Ayrton Senna und Roland Ratzenberger in ihren Rohden zu Tode kamen, verstummt die Diskussion über die Sinnhaftig-keit solcher Rennen nicht mehr. Zu wenig Reachtung fand, welche Bedeutung ein erfolgreicher Rennfahrer für das Nationalbewußtsein seines Volkes hat. Für den toten Ayrton Senna hielt Brasilien drei Tage Staatstrauer, veranstaltete ihm ein Staatsbegräbnis, 1,5 Millionen standen für den Leichenzug Spalier, alle Ämter und Geschäfte waren in Säo Paulo geschlossen, das ganze Land war im Zustand einer Massenhysterie, wie die Medien meldeten.

Wofür war er gestorben? Nicht wirklich für sein Volk, nicht für eine gute, der Menschheit dienende Sache, vielmehr zum Preis für das berauschende Spiel mit Technik und Gefahr, hart an der Grenze des Todes, für sonst kaum erreichbare Popularität, für sehr viel Geld, oder was sonst noch einen jungen Menschen zu solcher Waghalsigkeit verführen kann.

Und gerade so ist er zum Idol einer ganzen Nation geworden? Wegen seiner menschhchen Qualitäten, meinen manche, wegen Sauberkeit, Mut, Einsatzbereitschaft, die man

sonst im krisengeschüttelten Land an führenden Figuren vermißt. Einsatzbereitschaft wofür? Genügt schon Mut, ohne zu bedenken, wofür er aufgebracht wird?

Die Brasilianer scheinen auf Senna alles projiziert zu haben, was sie selbst kaum erreichen: sozialen Aufstieg, Bedeutung in der Welt, Reichtum, Sieg über andere. Der moderne Gladiator kämpft und siegt „für sein Volk". Wer sich mit ihm identifiziert, hat teil an seinem Ruhm. „Werm die Brasilianer die Siege von Ayrton Senna feierten", so schreibt eine Zeitung, „dann vergaßen sie für Stunden die eigene

Misere." Stirbt der „Held" aber, klagt man zuerst laut, doch dann lehnt man sich beruhigt zurück: Es war - Gott sei Dank - noch nicht der eigene Tod, mich hat's noch nicht erwischtl

Senna soll laut Testament eine Milliarde Schillinge für arme Kinder hinterlassen haben. Das hebt ihn deutlich über andere „Sportmillionäre" hinaus. Ob dieser Preis aber das Hasardieren mit dem Tod schon rechtfertigt? Und wäre er nicht ohne diese soziale Haltung genauso ein „Nationalheld" geworden? Brasiliens Jugend braucht für ihre Zukunft wohl auch noch andere Vorbilder.

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