Kalender - © pixabay.com

Das eigentliche Jahr

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Das eigentliche Jahr beginnt heuer am 2. September, der Ernst des Lebens hat begonnen. Eine beängstigende Stimmung des Etwas-Tun-Müssens kommt auf.

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Das eigentliche Jahr beginnt heuer am 2. September, der Ernst des Lebens hat begonnen. Eine beängstigende Stimmung des Etwas-Tun-Müssens kommt auf.

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Ich beneide die Schülerinnen und Schüler nicht, die gestern den ersten Schultag in der zweiten Klasse der Volksschule hatten. Dieser Tag, den ich im Jahr 1978 erlebt habe, war der erste Tag in meinem Leben, an dem ich mich alt gefühlt habe. Plötzlich gab es Schülerinnen und Schüler, die jünger waren als ich. Eine schreckliche Entdeckung, die – konsequent weitergedacht – ein memento mori ist.

Anfang September bedeutet mir viel. Es ist der Zeitpunkt, an dem für mich das eigentliche Jahr beginnt. Den Jänner kann niemand ernst nehmen. Er wurde durch die vielen Feierlichkeiten davor zu einem ersehnten Leer-Monat gemacht. Der September hingegen muss busy sein.

Immer noch hat man bei uns das Gefühl, dass ab der ersten Septemberwoche alle wieder da sind. Eine beängstigende Stimmung des Etwas-Tun-Müssens kommt in mir auf. Ich schreibe noch mehr To-Do-Listen als sonst, auf denen ich täglich noch weniger Punkte streichen kann als sonst. Ich prokrastiniere 48 bis 96 Stunden lang, bis ich es schaffe, den Installateur anzurufen und einen Termin für die jährliche Thermenwartung auszumachen.

Das eigentliche Jahr hat heuer am 2. September begonnen und es scheint bis zum Dezember keinen Ruhepunkt zu geben. Nein, halt! Für Schülerinnen und Schüler gibt es heutzutage die sogenannten Herbstferien; dieses Phänomen ist für mich so gewöhnungsbedürftig wie der Umstand, dass die Straßenbahnlinien 1 und 2 in Wien nicht auf der Ringstraße im Kreis fahren. Ich werde mich nie daran gewöhnen.

Für mich gibt es also keine Herbstferien. Der Ernst des Lebens hat begonnen. Ich stelle mir vor, dass andere Menschen Relikte aus der Kindheit besser überwinden können als ich. Aber vielleicht stimmt das nicht. Ich sollte arbeiten müssen. Ich bin in Panik. Immerhin kann ich heute den Punkt Federspiel schreiben! von meiner Liste streichen.

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