Mit seiner Drohung „Mehr Geld oder weniger Leistung“ hat ORF-Generaldirektor Roland Weißmann die Büchse der Pandora auf denkbar ungeschickteste Weise geöffnet. Sein entsprechender Brief an den Stiftungsrat wirkt wie eine Aufforderung, über verzichtbare Leistungen aus dem zu zwei Drittel gebührenfinanzierten Multimediahaus nachzudenken. Es hat bisher immer vor allem seine Vertriebsschienen ausgebaut, sodass es heute Marktführer bei Radio, Fernsehen und Online-Nachrichten ist. Statt die Qualität des Vorhandenen zu sichern, stand die Quantität im Vordergrund – von Quotenorientierung bis Kanalvielfalt. Während die Programmzahl um FM4, ORF III und ORF Sport+ ausgeweitet wurde, blieb die Erkennbarkeit von Ö3 und ORF1 als öffentlich-rechtliche Angebote auf der Strecke. Und der beim „ersten österreichischen Fernsehen“ (das wäre es analog zum ARD-Selbstverständnis für Deutschland) zumindest versuchte Umkehrschub gelingt nicht mehr. Die Jungen, die damit angesprochen werden sollen, sind schon weg – vom linearen Fernsehen insgesamt. Unterdessen wurden die Landesstudios derart ausgedünnt, dass dort bereits gefährdet ist, was der ORF sonst als Trumpf ausspielt: journalistische Qualität. ZIB2 und Ö1 täuschen über einige Schwächen hinweg. Viele Leistungsträger gehen aber demnächst in Pension – so wie hunderte Vertreter der Babyboomer-Generation. Die Verträge ihrer Nachfolger sind deutlich geringer dotiert. Mit seinem „Mehr Geld oder weniger Leistung“ disqualifiziert Weißmann sich als Manager. Er müsste für eine Qualitätsstrategie die Devise „Weniger ist mehr“ wagen, wie sie in Deutschland sogar der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow andenkt. Der ORF-Chef hingegen verschlechtert mit seiner Aussage die Verhandlungsposition des Unternehmens, dessen Finanzierung 2023 neu geregelt werden muss.
Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst.
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