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Ein treuer Funktionär

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Der Führer der ungarischen Sozialisten, Gyula Horn, nach einem Autounfall während des Wahlkampfes soeben aus dem Spital in Miskolc entlassen, ist ein Altkommunist, der die ganze Kädär-Ära als treuer Funktionär mitgemacht und sich bei der polltischen Wende 1989/90 -fälschlich - damit brüstete, er habe im Herbst 1989 die Westgrenze Ungarns für die ostdeutschen Flüchtlinge geöffnet, wofür er von westlichen Politikern als „Held des Jahres" gefeiert worden war.

Heute, wo die Parteidokumente aus dieser Zeit bereits publiziert wurden, steht fest: der Entschluß, die Grenzen vor Honeckers Bürgern zu öffnen, vmrde von den 1989 regierenden ungarischen obersten Parteigremien gefaßt. Der damalige Außenminister Horn war nur der Vollzieher des Beschlusses.

Horns Wahlversprechen waren demagogisch. Er will das Sozialnetz wieder enger knüpfen, verspricht mehr Tuchfühlung mit der „arbeitenden Bevölkerung", macht Kniebeugen vor dem hohen Klerus und will die Privatisierung verlangsamen. In Budapest kursiert das Gerücht, daß Horn auf die Hilfe der „tatkräftigen und finanzstarken" Sozialistischen Internationale baut. Auf alle Fälle soll festgehalten werden, daß die seit der politischen Wende sich zumeist in ihre Luxuswohnungen zurückgezogenen Altkommunisten für sich frischen politischen Wind wittern. Sie wollen am „Kuchen" der Sozialisten später ihren Anteil haben.

Warum fand die Sozialistische Partei so großen Anklang bei der Bevölkerung? Die nach 1960 Geborenen haben weder von der Schreckensherrschaft der KP von 1949,bis 1956, noch von Jänos Kädärs Rachefeldzug gegen die Aufständischen (30.000 Internierte, 20.000 Eingekerkerte, 450 vollstreckte Todesurteile) eine Ahnung. Sie sind in der Zeit der sanften Diktatur groß geworden - und viele von ihnen vermissen „Vater Staat", der ihnen wenigstens einen gewissen Lebensstandard (mit West-Krediten, aber wer denkt schon so weit?) ermöglicht.

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